Bundesliga

"Das war keine Reaktion. Das war ein Ligaspiel."

Spieltagskommentar von Thiemo Müller

"Das war keine Reaktion. Das war ein Ligaspiel."

Jubelnde Fohlen: Raffael (li.) und Oscar Wendt.

Jubelnde Fohlen: Raffael (li.) und Oscar Wendt. imago

Dennoch habe die Borussia doch irgendwie reagieren müssen, hakte der TV-Reporter nach - und erhielt zur Antwort: "Ich habe vor 30 Sekunden gesagt, es war keine Reaktion." Dass Favre auf eine Allerweltsfrage so pointiert reagiert, verrät vor allem: Die bei einem Drittligisten vergebene Titelchance im Pokal nagt an dem Perfektionisten mehr als er jemals öffentlich zugeben würde. Und zugleich lebt Favre damit die Philosophie des viel zitierten "Von-Spiel-zu-Spiel-Denkens" aus bis zum Exzess. Der Schweizer vermeidet es nicht nur, mehr als eine Woche in die Zukunft zu schauen, er verweigert auch den Blick zurück.

Das mag mancher Beobachter als eigensinnig, albern oder gar verschroben empfinden. Tatsächlich aber befolgt Favre mit seiner Haltung nur das Gesetz eines dauerhaft erfolgreichen sportlichen Handelns. So sehr die Öffentlichkeit auch immer wieder nach (möglichst vollmundigen) Zielsetzungen aus dem Munde von Trainern, Managern oder Spielern giert, so wenig helfen diese irgendjemandem weiter.

Der FC Augsburg etwa besiegte Anfang März den designierten Champions-League-Teilnehmer VfL Wolfsburg und legte danach alle Zurückhaltung ab: Profis, Trainer und Verein riefen den internationalen Wettbewerb als neue Zielsetzung aus. Mit Fug und Recht angesichts von Tabellenplatz sechs und konstant erbrachter Leistung. Allerdings: Aus den vier folgenden Partien holte das Überraschungsteam gerade noch einen Zähler und unterlag mit Mainz, Freiburg und jetzt Paderborn gleich drei Abstiegskandidaten. Zufall? Oder doch die Auswirkung der geänderten Vorgabe? "Psychologie ist wichtig", auch das sagte Lucien Favre unmittelbar nach dem Aus in Bielefeld.

Den einzigen Punktgewinn seit dem Coup gegen Wolfsburg verbuchte Augsburg übrigens vor Wochenfrist gegen Schalke. Einen Verein also, bei dem traditionell mehr über die ganz großen Ziele als über den nächsten Gegner gesprochen wird. Mit der Vision von der Champions League glaubten die Verantwortlichen trotz beträchtlichen Rückstands in der Tabelle ihre Mannschaft aus der Lethargie reißen zu können. Eingetreten ist das genaue Gegenteil. Nach dem blutarmen 0:0 gegen Freiburg haken jetzt auch Manager Horst Heldt und Trainer Roberto di Matteo die Königsklasse offiziell ab. Im Endspurt um die Europa League will man nun - genau - von Spiel zu Spiel schauen.

Dass solche Aussagen mitunter als langweilig oder gar feige kritisiert werden, bräuchte die Beteiligten nicht zu stören. Am Ende werden sie ohnehin allein am Abschneiden gemessen. Und für die wirklich mitreißende Spannung in der Liga sorgt der sportliche Wettbewerb, der tatsächlich auf dem Rasen stattfindet und den die Tabelle abbildet. Unabhängig vom dem, was die einen hinausposaunen und andere lieber für sich behalten.

Thiemo Müller

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