Bundesliga

Hoffentlich bereuen die VfB-Fans diese Liebe nicht!

Kommentar zum 22. Spieltag

Hoffentlich bereuen die VfB-Fans diese Liebe nicht!

Trost inmitten enttäuschter VfB-Fans: Stuttgarts Georg Niedermeier.

Trost inmitten enttäuschter VfB-Fans: Stuttgarts Georg Niedermeier. imago

Da es sich um eine hundertprozentige Torchance gehandelt hatte, hätte der Unparteiische gemäß den Paragraphen zwingend eine Rote Karte zeigen müssen - wie es Kollege Bastian Dankert tags darauf in Paderborn gehorsam tat, als Hartherz und Robben aneinander geraten waren. Der SC-Spieler wurde aus der Partie geschickt, wird zudem für eine Partie gesperrt, und Robben schoss den Ball vom Elfmeterpunkt ins Tor. In solchen Fällen wird im Fußball von der Dreifachbestrafung gesprochen - eher mehr darüber geschimpft, weil sich deren Sinnhaftigkeit allenfalls jenen erschließen mag, die diese Regelung zu verantworten haben.

Kommt das Ende von Regel 12?

Die acht Herren des zuständigen Gremiums IFAB (International Football Association Board) haben schon am kommenden Samstag bei ihrer 129. Jahrestagung in Belfast erneut die bislang ungenutzte Möglichkeit, diese Regel 12 abzuschaffen.

Sie würden im Sinne des Fußballs entscheiden, wie es Aytekin an diesem 20. Februar 2015 verfrüht getan und sich somit über gültiges Recht hinweggesetzt hat. In seinem offiziellen Beobachtungsbogen wird deswegen für ihn ein Malus vermerkt sein, dafür bekommt er den Applaus von der Basis und Praxis; allerdings nicht - und das ist verständlich - aus der VfB-Ecke.

VfB: Ein desolater Auftritt mit einer besonderen Nachspielzeit

Allerdings machten es sich die Stuttgarter zu leicht, würden sie diese 2:3-Heimniederlage gegen Borussia Dortmund allzu sehr mit dieser Schiedsrichter-Entscheidung begründen. Die Probleme sind fundamentaler, wie dieser klägliche Auftritt einer völlig verunsicherten VfB-Vertretung zeigte. Das Ergebnis hätte weitaus drastischer gegen die Heimmannschaft ausfallen können, ja müssen, wären die Dortmunder nicht derart schludrig mit ihren Großchancen umgegangen. So endeten die 90 Minuten mit einem glimpflichen 2:3 für den Tabellenletzten, sie setzten sich in einer bemerkenswerten Nachspielzeit fort, als die überforderten VfB-Profis von ihren Fans aufgemuntert und geherzt wurden.

Solche rührenden Bilder sind eine erfreuliche Alternative zu niveaulosen Beschimpfungen oder Sitzblockaden, sie können für den VfB hilfreich sein in dieser extrem bedrohlichen Situation. Die Herren Berufsfußballer müssen jedoch alsbald liefern. Die Tore können die Fans nicht schießen, diese Aufgabe müssen die dafür gut honorierten Profis erfüllen. Und wenn Fußballer auch nur Menschen sind - diese Phrase wird schnell bemüht, wenn es nicht läuft -, so wissen sie doch meist sehr schnell, dass sie vor allem Berufsfußballer sind, wenn ein Verein abgestiegen ist.

Dann geht es um die bessere berufliche Perspektive, um den persönlichen Verbleib in der Erstklassigkeit bei besserer Entlohnung. Und dann sind die treuen Fans und die nun auch von VfB-Profis nach dem freitäglichen Abpfiff geäußerte Liebe zum Verein schnell vergessen. Also, Vorsicht bei so viel Sentiment!

kicker-Chefreporter Karlheinz Wild

kicker-Chefreporter Karlheinz Wild

Bestes Beispiel, bestimmt nur eines von mehreren: der 1. FC Nürnberg. Dort sollte im Januar 2014 mit dem Slogan "Ich bereue diese Liebe nicht" die große Aufholjagd gestartet werden, gemeinsam, von Fans und Spielern. Ein halbes Jahr später hatten sich die Abstiegs-Vollversager in großen Teilen verdünnisiert, sie dürfen weiterhin in der Bundesliga mitspielen, ein Chandler und Hasebe in Frankfurt, ein Frantz in Freiburg oder ein Hlousek in, ja, eben, Stuttgart.

Kann der "Knurrer" emotionalisieren?

Dort wird der Pakt zwischen Klub und Anhängerschar in den kommenden Spielen einem heftigen Härtetest unterzogen. Erst geht es nach Hannover, dann kommt die Berliner Hertha in die Mercedes-Benz Arena. Und spätestens dann müssen mehr als die bisher dürren 18 Punkte auf dem Konto stehen. Sonst wird bei diesem Traditionsverein in Stuttgart gewiss auch über den Trainer nachgedacht werden. Huub Stevens muss bis dahin nachweisen, dass er diese nervlich zerrüttete Mannschaft moralisch zu stabilisieren und in ihrem Offensivspiel zu verbessern vermag.

Es ist ein schwieriger Auftrag, denn die derzeitige Qualität dieser VfB-Mannschaft macht nicht unbedingt optimistisch. Und kann Stevens, Branchenname "Knurrer von Kerkrade", eine Mannschaft emotionalisieren? Er ist ein Pragmatiker, die große Show oder die intellektualisierte Fachsprache sind nicht sein Ding.

Vollgas-Typ Schmidt ist auf Strecke gefordert

Einen Entertainer hat derweil der selbst ernannte Karnevalsverein aus Mainz zum Chef erhoben. Martin Schmidt, der Mann mit der heiseren Stimme, erlebte einen optimalen 3:1-Einstand im Derby gegen Eintracht Frankfurt und hat diesem Verein mit der besonderen Atmosphäre in gewisser Weise seine Identität zurückgegeben.

Der Schweizer ist ein Vollgastyp. Aber in der Bundesliga gilt es auf Strecke. Ein guter Start allein reicht nicht. Diese Erfahrung musste ein anderer PR-gewiefter Einsteiger aus der zweiten Reihe, Joe Zinnbauer, beim Hamburger SV mittlerweile schmerzhaft machen.

Karlheinz Wild

Spieltagsbilder 22. Spieltag 2014/15