Bundesliga

Fabian: "Die Bundesliga ist clean"

kicker-Interview mit Interwetten-Gründer Wolfgang Fabian

Fabian: "Die Bundesliga ist clean"

Interwetten-Gründer Wolfgang Fabian umrahmt von Jörg Jakob (li.) und Rainer Franzke (re.), Mitglieder der kicker-Chefredaktion.

Interwetten-Gründer Wolfgang Fabian umrahmt von Jörg Jakob (li.) und Rainer Franzke (re.), Mitglieder der kicker-Chefredaktion. Zink

kicker: Seit Jahren wird über eine Liberalisierung des Wettmarktes gesprochen, doch eine Entscheidung steht weiterhin aus. Wie beurteilen Sie die Lage, Herr Fabian?

Wolfgang Fabian (49): Da muss ich etwas ausholen.

kicker: Holen Sie bitte aus.

Fabian: Wir haben mit Interwetten 1990 begonnen und unsere Sportwetten natürlich beworben. Bis 1998 wurden wir als legale kleine Geschäftsleute gesehen. Dann wurden wir, wie alle privaten Wettanbieter, über Nacht quasi zu Verbrechern erklärt.

kicker: Warum?

Fabian: Man hatte auf politischer Ebene erkannt, dass Fußballwetten ein attraktives Geschäft sein können. Warum befinden sich nach wie vor alle Pläne zu einer Liberalisierung des Wettmarktes in einer Warteschleife? Warum sollen nach den heutigen Plänen maximal 20 Lizenzen in Deutschland vergeben werden? Das hat mit Marktwirtschaft nichts zu tun und steht in vielen Punkten diametral zu den Richtlinien der EU. Was die deutsche Politik bei diesem Thema veranstaltet, stärkt vor allem unseriöse Unternehmen in Asien mit dubiosen Geschäftspraktiken.

kicker: Markante Aussagen.

Fabian: Ich prognostiziere: Chaos ist programmiert.

kicker: Weshalb?

Fabian: Alle Marktteilnehmer wurden im August 2012 aufgefordert, ihre Antragsunterlagen für eine Sportwetten-Konzession abzugeben. Nach Prüfung der Anträge wurde über ein Jahr später behauptet, niemand habe die gesetzten Auflagen erfüllt. Ich habe da einen Lieblingsvergleich.

kicker: Ziehen Sie ihn.

Fabian: Das Verfahren um die Liberalisierung läuft so, als würde man heute der Autoindustrie sagen: Ihr dürft eure Fahrzeuge wie bisher bauen, aber die dürfen maximal einen Liter Benzin auf 100 Kilometer verbrauchen und die Reifenbreite darf maximal zwei Zentimeter betragen. Mit dem bisherigen Verlauf des Verfahrens wurden alle Tore für eine Prozessflut geöffnet. Die einzigen Gewinner sind aktuell die Rechtsanwälte.

kicker: In Spielcasinos und zahlreichen Wett-Cafés können die Leute spielen, wie sie wollen.

Interwetten verwehrt sich dagegen, mit Casinos und Wett-Cafés verglichen zu werden. Wir sind ein klassischer Anbieter von Onlinewetten mit einer ganz anderen Klientel. Bei uns ist jede einzelne Zahlung überprüfbar.

Wolfgang Fabian

Fabian: Interwetten verwehrt sich dagegen, mit Casinos und Wett-Cafés verglichen zu werden. Wir sind ein klassischer Anbieter von Onlinewetten mit einer ganz anderen Klientel. Bei uns ist jede einzelne Zahlung überprüfbar. Es gibt keinen Bargeldverkehr. Ein heikles Thema, wie zum Beispiel Geldwäsche, stellt sich für unser Geschäftsmodell nicht.

kicker: Die Gefahr der Spielsucht ist gegeben.

Fabian: Hier bieten wir unseren Spielern durch unser Online-Geschäftsmodell einen viel besseren Schutz. Die Auflagen zum Spielerschutz erfüllt Interwetten seit Jahren, und zwar auf eigene Initiative.

kicker: Interwetten als Premium-Partner des VfB Stuttgart und Sie als Anhänger des schwäbischen Traditionsvereins: Würden Sie auf den Klassenerhalt des VfB setzen?

Fabian: Ja, auch wenn mich die Niederlage am vergangenen Mittwoch in Nürnberg schmerzlich getroffen hat. Ich war selbst im Stadion. Auf jeden Fall wird es ein ganz heißes Finale im Keller der Liga.

kicker: Welche Quote würden Sie auf diese Wette geben?

Fabian: Interessanter als die Quote auf den Klassenerhalt sind die Live-Quoten während des Spieles.

kicker: Das müssen Sie uns bitte erklären.

Fabian: Der Trend geht verstärkt zur Livewette. Grundsätzlich ist das Wetten vom klassischen Zocken zu einem Element der Unterhaltungsbranche geworden. Der Wetter will nicht 90 Minuten warten, ob er richtig- oder falschgelegen hat, sondern am liebsten nach drei Minuten wissen, ob seine Wette gewonnen ist. 50 Prozent der Wetten beginnen 30 Minuten vor Anpfiff eines Spiels. Die Leute wollen interaktiv dabei sein. Kaum einer wettet noch vor der Saison, wer Meister wird, um ein Jahr auf den Ausgang zu warten.

kicker: Wie wirkt sich eine WM auf dem Wettmarkt aus?

Fabian: Sie macht sich beim Umsatz bemerkbar, weniger bei den Erträgen der Buchmacher. Bei Welt- oder Europameisterschaften wird vor allem auf die Favoriten gewettet. Die setzen sich in der Regel durch. Das heißt: Die Kunden gewinnen – rein statistisch – häufiger und mehr.

kicker: Wie sieht es aktuell vor der WM 2014 in Brasilien aus?

Fabian: Brasilien liegt auf dem Wettmarkt knapp vor Deutschland, Argentinien und Spanien.

kicker: Interwetten operiert weltweit. Wie wird die Bundesliga im Ausland wahrgenommen?

Fabian: Der deutschsprachige Raum ist unser Hauptmarkt, doch nicht nur hier hat die Bundesliga deutlich an Bedeutung gewonnen und andere Ligen längst überholt.

kicker: Hat das etwas mit Vertrauen in eine Liga zu tun?

Fabian: Auf jeden Fall. Und mit dem Interesse an einer Liga. Nach meinen Erkenntnissen war das Interesse an der Serie A in den vergangenen 20 Jahren nie so gering wie heute. Würden dort nicht Miroslav Klose und Mario Gomez spielen, käme der italienische Fußball in den deutschen Medien überhaupt nicht mehr vor. Generell lässt sich sagen: Das Standing der Bundesliga ist heute so gut, dass bei Interwetten aus der ganzen Welt auf die Bundesliga gewettet wird – sogar aus Ländern, die früher nur die Premier League kannten.

kicker: Wie tief war das Vertrauen in die Bundesliga nach dem 2005 aufgedeckten "Hoyzer-Skandal" erschüttert?

Wolfgang Fabian

Wolfgang Fabian Zink

Fabian: Gut, dass Sie das Thema anschneiden. Interwetten hatte damals eine Marketingkooperation mit der DFL. Ich hatte den Verdacht, dass in Deutschland Spiele verschoben werden. Darauf sprach ich den damaligen Geschäftsführer Wilfried Straub an, der mir entgegnete: Wie kommen Sie denn darauf - ich lasse mir von Ihnen doch nicht die Liga skandalisieren! Das war im Dezember 2004. Kurz danach wurde der Skandal aufgedeckt. Danach fand ein reger Kontakt mit der DFL und dem DFB statt. Dabei betonte ich, dass Deutschland nicht das Hauptproblem sei.

kicker: Was war das Hauptproblem?

Fabian: Die Europa League. Das lag auch an einem Systemfehler, denn damals wurde für die Qualifikation mehr Geld ausgeschüttet als in der Gruppenphase. Da haben sich Vereine in Ost- und Südeuropa fast umgebracht, um in die Gruppenphase zu kommen. Und dann haben sie zu diesen Spielen die Knabenmannschaft geschickt.

kicker: Wie konnten Sie das damals alles erahnen?

Fabian: Wer die weltweit getätigten Wetteinsätze täglich im Auge hat, musste Verdacht schöpfen.

kicker: Sie waren also quasi Mister Betradar?

Fabian: Dieses System zur zentralen Überwachung der Quoten- und Marktbeobachtungen wurde 2005 zum Glück von den Verbänden installiert. Es ist zum Schutz gegen Wettbetrüger enorm wichtig für Interwetten. Heute ist das Olympische Komitee sehr um Aufklärung bemüht. Bei den Verbänden sieht das leider anders aus. Man hat den Eindruck, dass viele Sportverbände die Dinge schönreden, um aus Image- und Vermarktungsgründen keinen Skandal aufkommen zu lassen. Eins sage ich klar: In Deutschland herrscht bei diesem Thema eine große Sensibilität. Aber über den Balkan müssen wir nicht sprechen, und selbst in Österreich bin ich desillusioniert.

kicker: Warum führen Sie diesen Kampf?

Fabian: Als Fußballfan liegt mir das Thema am Herzen. Warum bin ich heute Buchmacher? Ich bin mit dem Fußball aufgewachsen, identifiziere mich voll mit ihm. Betrug nimmt mir die Freude an diesem Sport. Dann macht es keinen Spaß mehr.

kicker: Wie sehen Sie die Bundesliga bei diesem Thema heute?

Fabian: Ich bin fest davon überzeugt, dass die Bundesliga, 2. Liga und 3. Liga absolut clean sind. Die Sensibilität ist hier sehr hoch. Aber leider nur hier. In dieser Saison gab es in Deutschland nicht den Hauch eines Verdachts. Grundsätzlich wäre es für den Weltfußball wichtig, dass eine Stelle geschaffen wird, bei der Spieler, Trainer und Funktionäre Verdachtsmomente melden und sicher sein können, dass ihre Anonymität gewahrt bleibt.

kicker: Livewetten bieten einen Nährboden für Manipulation.

Fabian: Das geht völlig an der Realität vorbei. Sie können bei uns z.B. auf die nächste Gelbe Karte nur so geringe Beträge setzen, dass es nicht einmal einen Kleinkriminellen interessiert. In Wirklichkeit werden solche Wetten mit fünf, zehn Euro Einsatz gespielt – da geht es allein um den Unterhaltungsfaktor. In Asien können Sie auf eine solche Wette eine Million setzen. Dort liegt das Problem!

kicker: Wie hoch ist der Gesamtumsatz in Deutschland?

Spielsuchtprävention und der Schutz von Minderjährigen können nicht gewährleistet werden, wenn man einen Großteil der Kunden auf den illegalen asiatischen Markt abdrängt, wo es überhaupt keine Spielregeln gibt.

Wolfgang Fabian über mögliche Folgen der aktuellen Lizenzierungsvergabe

Fabian: Wahrscheinlich zwischen sechs und zehn Milliarden Euro über europäische Anbieter. Würde der Markt liberalisiert, wäre das Doppelte und entsprechende Abgaben an den Fiskus denkbar. Aber wenn sich beim Thema Liberalisierung nicht bald etwas bewegt, wird der deutsche Markt auf ein, zwei Milliarden Euro einbrechen, der Schwarzmarkt aufblühen - außerhalb des Systems.

kicker: Warum bewegt sich dann der Gesetzgeber nicht?

Fabian: Das weiß nur der Gesetzgeber. Wenn es zu Lizenzvergaben nach den aktuellen Vorschlägen kommen sollte, würde Interwetten 85 Prozent seines Umsatzes verlieren. Dieser Wetteinsatz würde in den asiatischen Markt fließen. Die sinnvolle, gewünschte Kanalisierung, das Hauptargument für die Liberalisierung, würde ad absurdum geführt. Spielsuchtprävention und der Schutz von Minderjährigen können nicht gewährleistet werden, wenn man einen Großteil der Kunden auf den illegalen asiatischen Markt abdrängt, wo es überhaupt keine Spielregeln gibt.

kicker: Was wäre aus Ihrer Sicht das ideale Modell?

Fabian: Eine Lizenzvergabe auf der Basis der heutigen Praxis. Eine Regulierung im Internet ist nur erfolgreich, wenn es Anbietern in einem wirtschaftlich akzeptablen Umfeld ermöglicht wird, ihren Kunden attraktive Angebote zu machen und wenn die Regelungen klar und eindeutig sowie unzweifelhaft mit Verfassungs- und Europarecht vereinbar sind. Nehmen Sie z.B. das gesetzlich vorgeschriebene Einzahlungslimit: Das wäre so, als wenn man grundsätzlich vorschreiben würde, dass in Deutschland pro Person nur 100 Aktien gekauft werden dürfen, weil alles andere sozial unverträglich sei. Das ist komplett verrückt. Wer höhere Einsätze tätigen will, wird auf den illegalen Markt und damit in die Kriminalität gedrängt. Aber es gibt darüber hinaus noch einen weiteren wichtigen Aspekt.

kicker: Welchen?

Fabian: Das Sponsoring. Der ganze Bereich Marketing und Sponsoring ist heute noch mit einem Fragezeichen versehen. Kein Wettanbieter kann ohne Rechtssicherheit langfristig planen. So entgehen Vereinen, Verbänden, Medien und letztlich auch dem Staat sehr, sehr hohe Einnahmen.

kicker: Was entgeht darüber aktuell dem deutschen Fußball?

Fabian: Das ist schwer einzuschätzen. Ich meine, dass dem deutschen Profifußball mindestens 100 Millionen Euro pro Jahr entgehen. Dazu kommt, dass sich die großen Wettanbieter aus England bisher überhaupt nicht auf den deutschen Markt gewagt haben. Solange hier Rechtsunsicherheit besteht, werben die hier noch gar nicht. Wenn Deutschland seine Probleme in den Griff bekommt, dann geht das Sponsoring noch viel stärker in die Breite. Davon würden auch andere Sportarten wie z. B. Eishockey oder Handball immens profitieren, wie die Beispiele Spanien und Italien zeigen.

kicker: Wäre bei einer anderen Gesetzeslage für Interwetten ein Auftritt als Generalsponsor der Liga denkbar?

Fabian: Das Namensrecht an einer Liga zu erwerben ist sicher interessant. Aber ohne Rechtssicherheit stellt sich diese Frage für uns momentan nicht.

Interview: Rainer Franzke/Jörg Jakob