Bundesliga

Kampflos im Krebsgang

Stuttgart: Altbekannte Schwächen in Nürnberg

Kampflos im Krebsgang

Gezeichnete Zuhörer: Die VfB-Profis nach dem Schlusspfiff in Nürnberg beim Empfang des Pfeifkonzerts.

Gezeichnete Zuhörer: Die VfB-Profis nach dem Schlusspfiff in Nürnberg beim Empfang des Pfeifkonzerts. picture alliance

"Absteiger! Absteiger!", hallte es aus dem Gästeblock. Mit ratlosen Blicken hatten sich die Profis des VfB Stuttgart nach dem 0:2 beim 1. FC Nürnberg zu ihren Fans in Bewegung gesetzt. Sie ernteten Pfiffe und Wut nach einer Leistung, die existenzielle Fragen aufwirft: Wie will diese Mannschaft den Abstieg vermeiden? Was macht sieben Spieltage vor Saisonende noch Hoffnung auf ein Happy End?

"Nürnberg hat verstanden, worum es geht", sagte Trainer Huub Stevens - er meinte: Stuttgart nicht. "Nürnberg hat gezeigt, was Abstiegskampf ist", sagte Stevens - er meinte: Stuttgart nicht. Elf Fouls in 90 Minuten bestätigten ein grundlegendes Problem an diesem kühlen Mittwochabend: "Wir haben den letzten Biss vermissen lassen", bemängelte Torhüter Sven Ulreich, "vor allem in den Zweikämpfen." Wenn das Credo des Trainers gleichzeitig lautet, "dass alle elf Spieler das eigene Tor verteidigen" (Georg Niedermeier), endet diese Zurückhaltung dann eben tödlich.

"Gut angefangen"? Zu Beginn baute der VfB den Gegner auf

Den größten Fehler beging der VfB in Nürnberg womöglich gleich zu Beginn. Gegen einen mental wie personell angeschlagenen Konkurrenten, der nach vier Niederlagen am Stück schwer unter Druck gestanden und nur zwei Tage Zeit hatte, sich defensiv in neuer Formation einzuspielen, ließ Stevens seinen Fußball der kontrollierten Verteidigung spielen, gab der Stabilität eisern Vorrang. Krebs- statt Vorwärtsgang: Erst an der Mittellinie erwarteten Vedad Ibisevic und Ibrahima Traoré den FCN, der so immer sicherer im Passspiel, immer mutiger auf dem Weg nach vorne wurde.

"Wir haben am Anfang die gleiche Angst gehabt wie gegen Frankfurt", räumte Nürnbergs Trainer Gertjan Verbeek hinterher ein. Allein, dass die Gastgeber nur wenige Sekunden nach eigenem Anstoß den Ball nervös ins Seitenaus beförderten, zeigte, was für den VfB möglich gewesen wäre, hätte er jene Angst von Beginn an konsequent bearbeitet - so wie ebenjene Frankfurter, die den Club am Sonntag beim 5:2 nicht als erste Mannschaft mit stetem Forechecking völlig aus dem Konzept brachten.

Wir haben das Fußballspielen eingestellt. Das werden wir besprechen, denn das kann nicht sein.

Huub Stevens

"Wir haben gut angefangen", sagten Stevens und Kapitän Christian Gentner unisono. Die defensive Ordnung stimmte anfangs in der Tat, die erste Großchance gehörte Konstantin Rausch (Latte, 16.). Und dann? "Dann haben wir uns den Schneid abkaufen lassen", kritisierten beide. Stuttgart offenbarte wieder altbekannte Schwächen ( insgesamt 128 Fehlpässe ), Nürnberg legte, aktiviert durch den abwartenden Kontrahenten, seine Nervosität ab.

"Das kann einen Schub für Nürnberg auslösen", fürchtet Gentner, der mit seinem Team nun auswärts seit dem 10. November (3:1 in Freiburg) sieglos ist. Der VfB ließ sich von einem verunsicherten Gegner selbst verunsichern - ein Rückschritt mit Folgen: Stuttgart ist wieder Vorletzter. Und das Restprogramm hält Duelle mit Dortmund, Gladbach, Schalke, Wolfsburg und Bayern bereit.

Steigt der VfB ab?

"Das werden wir besprechen", kommentierte Stevens die ab Mitte der ersten Hälfte blutleere Vorstellung seiner Elf, "denn das kann nicht sein." Hinten ließ Antonio Rüdiger Doppeltorschütze Josip Drmic zweimal aus den Augen, Gotoku Sakai bestätigte seinen jüngsten Formanstieg nicht, Daniel Schwaab offenbarte Schnelligkeitsdefizite.

Und vorne war Vedad Ibisevic ein Totalausfall, ein Schatten seiner selbst. Unterstützung über Außen? Fehlanzeige. Dass Timo Werner, der zuletzt wegen seiner Abiturprüfungen nur zeitweise am Trainingsbetrieb teilnehmen konnte, nach seiner Einwechslung noch am meisten Esprit versprühte, war ein Armutszeugnis für die Etablierten.

Die Konkurrenten haben Trümpfe, der VfB, Stand Mittwochabend, nicht

Die Hoffnungen, den engen Kampf gegen den Abstieg für sich zu entscheiden, schwinden im "Ländle". Was ist der Trumpf gegenüber der Konkurrenz? Braunschweig präsentiert sich bei allen Qualitätsproblemen als Einheit, Freiburg kennt den Abstiegskampf aus dem Effeff. Nürnberg kann sich auf Drmic, der HSV auf Lasogga und Calhanoglu verlassen. Dem VfB jedoch fehlt, Stand Mittwochabend, eine solche Instanz, jemand, der alle mitreißt, jemand, der den Unterschied machen kann.

Nur fünf von 15 möglichen Punkten holte er aus den seriellen Kellerduellen gegen Frankfurt (1:2), Braunschweig (2:2), Bremen (1:1), Hamburg (1:0) und Nürnberg. Dass dabei zwei Elfmeter verschossen und weitere Großchancen hanebüchen ausgelassen wurden, ist auch Pech. Nur: Mit Glück ist noch keine Mannschaft abgestiegen.