Bundesliga

Zu viel der Ehre?

Dortmund: Hummels und Co. suchen die Bestform

Zu viel der Ehre?

Ist zuletzt die Solidität abhandengekommen: Mats Hummels.

Ist zuletzt die Solidität abhandengekommen: Mats Hummels. picture alliance

Das Trainingslager in Bad Ragaz/Schweiz näherte sich seinem Ende, als Michael Zorc im Interview mit dem kicker für die ersten Saisonspiele die maximale Punktzahl auf die schwarz-gelbe Agenda schrieb: "Wir wollen einen Superstart hinlegen." Diesen Gefallen hat die Dortmunder Mannschaft ihrem Sportdirektor getan, sie hält die Marschtabelle exakt ein; nacheinander wurden Augsburg (4:0), Braunschweig (2:1), Bremen (1:0) und zuletzt Frankfurt (2:1) besiegt. Folglich freut sich Zorc über eine "optimale Ausbeute", die zur Abrundung mit Tabellenplatz eins derzeit auch noch optisch attraktiv dokumentiert wird. "Es macht uns stolz", sagt Torhüter Roman Weidenfeller , "dass wir die volle Punktzahl eingefahren haben."

Für die selbstkritische Eigenwahrnehmung der Borussia spricht, dass sie sich als Liga-Spitzenreiter von den wettbewerbsübergreifend sogar sechs Siegen in sechs Pflichtspielen (mit Supercup und DFB-Pokal) nicht die Sinne vernebeln lässt. "Wir können und wir müssen uns noch steigern", betont Zorc, "wir sind keine Mannschaft, die einfach so reinrollt in eine Saison." Auch Kapitän Sebastian Kehl macht ungeachtet einer eigentlich makellosen Auftaktbilanz Abstriche, er fordert: "Am Gesamtbild müssen wir noch arbeiten."

Ist die aktuelle Pole-Position demnach zu viel der Ehre für den BVB, dem gnädige Spielplangestaltung bisher nur Gegner aus Mittelfeld und Souterrain der Tabelle bescherte - und keinen einzigen wirklich dicken Brocken (wie Bayern, Leverkusen, Schalke)? Am Sonntag in Frankfurt verbreitete Dortmund jedenfalls keinen meisterlichen Glanz und ließ in 90 Minuten mehr Torschüsse (17) zu als gegen Braunschweig und Bremen zusammen. Anhaltspunkte dafür, dass das große Lernziel der neuen Saison (mehr Stabilität in der Defensive) schon erreicht sein könnte, lieferte diese Partie gewiss nicht.

Kehl sieht nach 42 Gegentoren in der vergangenen Spielzeit das "Bewusstsein für die Defensive deutlich geschärft", hält es aber für "verfrüht zu sagen, dass wir das Problem behoben haben". Insgesamt 17 Chancen gestattete die Borussia ihren bisher vier Gegnern, das raubt niemandem den Schlaf, trotzdem liegt der Wert höher als 2012 (15), 2011 (14) und 2010 (11) zum gleichen Zeitpunkt. Obwohl bisher nur zwei Gegentore keinen Weckruf erfordern würden, verlangt Weidenfeller "zwischen den Ketten eine bessere Verständigung" und eine "bessere Absicherung".

Mehr mit sich selbst als mit seinen Widersachern hat Mats Hummels zu kämpfen, den Jürgen Klopp in Frankfurt sogar zur Pause auswechselte. Der Trainer begründete das mit akuter Gelb-Rot-Gefahr seines Abwehrchefs, er hätte aber genauso gut auf dessen fahriges Abwehrverhalten verweisen können. Hummels, der erst am Dienstag vergangener Woche im Training mit Klopp aneinandergeraten war, ist aktuell die Solidität abhandengekommen.

Defizite in seinem Kerngeschäft kann der Nationalspieler auch mit wunderbaren Momenten in der Spieleröffnung nicht auf die Dauer kaschieren. "Mats hat im Moment nicht die allerbeste Phase", räumt Zorc ein, aber er hat "überhaupt keine Zweifel", dass Hummels schon bald wieder Tritt fasst. Für Hummels im Speziellen und seine Kollegen im Allgemeinen gilt ohnehin diese These des Sportdirektors: "Es wäre schlimm, wenn wir jetzt schon in absoluter Bestverfassung wären."

Davon kann auch vor dem Tor des Gegners keine Rede sein: 33 von bislang 42 Chancen ließen die großzügigen Dortmunder liegen. Auch das hat Klopp wie manche andere Unwucht beim BVB registriert. Schlechtreden lässt er sich das Zwischenzeugnis jedoch nicht: "Wenn zwölf Punkte nach vier Spielen so einfach wären, gäbe es mehr Mannschaften, die sie hätten."

Thomas Hennecke