Aus Frankfurts Trainingslager in Feldkirchen berichtet Julian Franzke
kicker: Gegen Saisonende haben Sie einen Muskelbündelriss im linken Oberschenkel erlitten. Wie sah Ihre Sommerpause aus, Herr Jung?
Sebastian Jung: Ich musste auf Urlaub verzichten und war komplett in der Reha, meistens fünf bis sechs Stunden täglich. Der Plan ist, dass ich in dieser Woche komplett ins Mannschaftstraining einsteige. Im Trainingslager musste ich noch vorsichtig sein, habe die Spielformen mit Toren, in denen Sprints und schnelle Bewegungen gefordert waren, ausgelassen.
kicker: Wie hätten Sie reagiert, wenn man Ihnen vor einem Jahr gesagt hätte, dass die Eintracht jetzt in den Play-offs zur Europa League steht?
Jung: Darüber hätte ich gelächelt. Mit diesem Erfolg konnte niemand rechnen. Aber wir haben uns das verdient. Wir sind sehr gut in die Saison gestartet. Gleich das erste Spiel gegen Leverkusen (2:1 nach 0:1 Anm. d. Red.), war ein Knackpunkt, da wir gesehen haben, dass es funktioniert.
"Armin Veh gibt uns nur wenige Regeln vor"
kicker: Was war das Erfolgsgeheimnis?
Jung: Es gibt mehrere Gründe. Wir sind über das Team gekommen und haben eine tolle Gemeinschaft. Aber auch unser Trainer spielte eine wichtige Rolle. Er hat uns immer gesagt, dass wir unser Spiel durchziehen sollen. Das haben wir gut umgesetzt. Wir waren fit, konnten über 90 Minuten unseren Fußball spielen.
kicker: In der Öffentlichkeit kommt Armin Veh gut an, hat immer einen lockeren Spruch auf der Lippe. Ist er im Alltag mit dem Team auch so?
Jung: Es stimmt, Veh ist ein lockerer Typ. Bei den Spielern kommt er mit seiner Art gut an. Man merkt, dass er viel Erfahrung hat. Er kann aber auch auf den Tisch hauen. Das ist gut so. Nur mit Lockerheit geht es schließlich auch nicht. Wenn der Trainer etwas sieht, das nicht passt, geht er dazwischen. Veh gibt uns nur wenige Regeln vor, die wir beachten müssen. Aber das nutzt die Mannschaft nicht aus. Wir wissen das sehr zu schätzen.
kicker: In der Rückrunde gab es eine Schwächephase. Woran lag das?
Jung: Einerseits hatten sich die Gegner besser auf uns eingestellt. Es kommt aber auch der Faktor Kraft dazu. Wir haben zwischenzeitlich schon gemerkt, dass wir nicht mehr so spritzig sind. Es gibt einfach solche Phasen, sie sollten nur nicht zu lange dauern. Wir haben das aber gut überwunden und die letzten fünf Spiele nicht verloren. Das Konditionstraining über die ganze Saison zahlte sich aus.
"Natürlich würde ich gerne mehr Tore schießen"
kicker: Haben Sie Angst vor der Dreifachbelastung in der neuen Saison?
Jung: Nein, gar nicht. Wir wollten das ja so. Wir freuen uns alle darauf und werden sehen, wie wir damit klarkommen. Uns erwartet eine andere Belastung, dadurch wird auch anders trainiert. Gerade nach den Europa-League-Partien erwarten uns schwere Spiele. Hoffentlich gewöhnen wir uns schnell daran. Ich denke aber nicht, dass sich die zusätzliche Belastung zwangsläufig negativ auswirkt.
kicker: In der Liga spielt die Eintracht an den ersten sechs Spieltagen viermal auswärts und zu Hause gegen Bayern und Dortmund. Droht ein Fehlstart?
Jung: Es geht natürlich einfacher. Aber in der vergangenen Saison war es in den ersten Wochen auch nicht leicht mit Spielen gegen Leverkusen, Hamburg oder Dortmund. Vielleicht haben wir auch Glück, dass die Bayern und Dortmund am Anfang noch nicht so gut eingespielt sind. Zum Auftakt erwartet uns bei Aufsteiger Hertha BSC gleich ein geiles Spiel. Da wird es heiß hergehen. Anschließend wird es gegen die Bayern zwar auch nicht einfach. Aber für solche Partien spielt man doch Fußball.
kicker: Lässt sich Platz sechs wiederholen?
Jung: Das wird man sehen. Viele Vereine haben gut aufgerüstet. Ich denke, dass wir uns sehr schnell finden werden. Es wäre natürlich überragend, wenn wir das wiederholen könnten. Aber es wird nicht einfach, das zu bestätigen. Es hört sich zwar blöd an, aber wir sollten nur von Spiel zu Spiel denken. Das Wichtigste ist, dass wir den Fußball der vergangenen Saison spielen.
kicker: In diesem mutigen Angriffsfußball spielen Sie als rechter Außenverteidiger eine sehr offensive Rolle. Wie gefällt Ihnen das? War die Umstellung schwer?
Jung: Eine große Umstellung war das nicht, da ich von Haus aus ein offensiver Verteidiger bin. Durch meine Schnelligkeit kommt mir diese Spielweise entgegen. Außerdem will jeder nach vorne spielen. Wäre das nicht möglich, hätte ich keinen Spaß am Fußball. Klar ist aber auch: Wenn du offensiv stehst und einen unsauberen Pass spielst, kommst du schwer hinterher. Doch wir gehen dieses Risiko ein – und wurden dafür in der vergangenen Saison belohnt.
kicker: In 85 Bundesligaspielen haben Sie zwei Treffer erzielt. Sind Ihnen als Verteidiger Tore egal? Oder gibt es noch Luft nach oben?
Jung: Natürlich würde ich gerne mehr Tore schießen und vorbereiten. Wenn die Situation sich ergibt, versuche ich das auch. In erster Linie bin ich aber Abwehrspieler. Dennoch könnte ich gerade als Außenverteidiger noch mehr Treffer vorbereiten (2012/13 war es ein Assist, Anm. d. Red.).
Wolfsburg? "Ich wollte international spielen"
kicker: Sie hätten den Verein in diesem Sommer per Ausstiegsklausel verlassen können und zum Beispiel in Wolfsburg mehr Geld verdienen können. Stattdessen haben Sie bis 2015 verlängert. Warum?
Jung: Ich habe immer gesagt, dass ich mich bei der Eintracht wohlfühle, meine Familie und meine Freunde leben hier. Darüber hinaus ist Veh ein Trainer, unter dem ich mich gerade im Offensivspiel sehr gut weiterentwickelt habe. Ich hoffe, dass es so weitergeht. Hinzu kommt, dass wir eine überragende Saison gespielt und den nächsten Schritt gemacht haben. Ich wollte international spielen.
kicker: 2012 hat Sie Joachim Löw für das Länderspiel gegen die Niederlande nominiert ...
Jung: Ich war auf dem Weg zur U 21 und habe dann einen Anruf von Hansi Flick erhalten. Einen Tag später bin ich zur A-Nationalmannschaft gereist. Das kam für mich überraschend. Die Atmosphäre dort war sehr angenehm, alle waren sehr hilfsbereit. Es waren zwar nur drei Tage, aber die waren super. Ich hoffe, dass es irgendwann nochmal so weit ist.
kicker: Ist die WM 2014 Ihr großes Ziel?
Jung: Mein Ziel ist es erstmal, bei der Eintracht Leistung zu bringen und auch international gute Spiele abzuliefern. Wenn ich das schaffe, wird vielleicht der Anruf kommen. Das hoffe ich. Ich gehe das ruhig an, würde mich über eine Nominierung aber natürlich riesig freuen.