Herr Derdiyok, verraten Sie uns Ihren Vorsatz fürs neue Jahr?
Eren Derdiyok: Die Herausforderung hier anzunehmen, denn wir sind in einer Scheiß-Situation. Jetzt geht es nur darum, noch einen Verein hinter uns zu lassen und dann im Sommer einen Neustart zu machen -<br />ohne zu große Ziele.
Haben Sie über Weihnachten überlegt, ob Sie wirklich bleiben? Trabzonspor und Fenerbahce waren interessiert an Ihnen.
Derdiyok: Stimmt, mein Berater wurde kontaktiert, aber das war für uns kein Thema. Ich will das hier mit Hoffenheim schaffen und dann im Rückblick stolz drauf sein können. Von außen traut uns doch kaum einer mehr etwas zu.
Nur ein Tor haben Sie in der Hinrunde geschossen, dabei kamen Sie als großer Hoffnungsträger.
Derdiyok: Ich bin natürlich enttäuscht von mir, wie wohl jeder im Verein. Aber ich habe in den letzten Monaten begriffen, dass nicht nur Schönspielerei zählt, sondern zunächst geht es ums Kämpfen.
Darin lagen Ihre Defizite.
Derdiyok: Man muss eben alles abrufen. Und wenn man darüberhinaus Talent oder spezielle Fähigkeiten hat, dann wird man auch belohnt. Meine Philosophie ist jetzt, für die Mannschaft zu arbeiten, von der ersten bis zur letzten Sekunde.
Ex-Coach Markus Babbel erkannte mangelnden Fleiß. Machen Sie zuwenig aus Ihrem Talent?
Derdiyok: Ich höre überall, dass ich so viel Potenzial habe. Aber mir fehlt Konstanz. Ich habe zwei gute Spiele, dann einen Hänger. Das darf nicht passieren. Es muss hinterher heißen: Er hat wenigstens alles gegeben. Das habe ich nun begriffen.
Waren Sie schlicht und ergreifend zu faul?
Derdiyok: Nein! Ich ziehe jedes Training voll durch, lasse nie eine Einheit aus. Es ist eine Kopfsache. Schon in Leverkusen habe ich oft gegrübelt, warum ich immer mal wieder draußen saß. Aber ich muss nur auf mich gucken, niemand anderes ist verantwortlich.
Auch in schlechten Phasen Akzente setzen
Woran liegt es also, dass Ihre Karriere noch immer nicht richtig in Fahrt ist? Es gab ja große Momente, wie die drei Tore voriges Jahr mit der Schweiz gegen Deutschland.
Derdiyok: Mir hat auf Dauer die richtige Mentalität gefehlt. Wenn ich als Stürmer 15 Minuten nicht im Spiel bin, dann darf ich nicht abwesend sein, sondern muss laufen, ackern, damit ich mit meiner Körpersprache die anderen mitziehe. Wenn es gut läuft, kann jeder glänzen. Ich will jetzt auch in schlechten Phasen eines Spiels vorne Akzente setzen.
Wie kam die Erkenntnis? Hatten Sie Hilfe von außen?
Derdiyok: Da bin ich schon selbst draufgekommen. Die meisten Kritiker haben ja recht.
Welche Rolle spielt Marco Kurz bei Ihrem Neuanfang?
Derdiyok: Mit dem neuen Trainer kam neuer Elan. Kein Spieler hat einen Stammplatz, so kommt wieder Feuer rein. Die Trainingsinhalte sind komplett anders. Er baut mit uns Automatismen auf. Das ist sehr wichtig, damit eine Mannschaft in verschiedenen Situationen auch richtig funktionieren kann.
Neu ist für Sie der Abstiegskampf.
Derdiyok: Das kannte ich weder aus Basel noch aus Leverkusen. Aber ganz ehrlich: Die Situation motiviert mich fast mehr als ein dritter Platz.<br /> <b>kicker:</b> Warum das?
Im Sommer sagten Sie, der Wechsel von Leverkusen zu Hoffenheim sei kein Rückschritt, sondern ein Schritt zur Seite. Sehen Sie das wirklich immer noch so?
Derdiyok: Ja. Denn wir haben viel zu viele Punkte wegen Kleinigkeiten einfach nur blöd hergeschenkt, man nehme nur die vielen Gegentore nach Standards. Ich bleibe dabei: In dieser Mannschaft steckt viel mehr Qualität, als es Platz 16 aussagt.
Bayer spielt womöglich nächstes Jahr in der Champions League. Kommt keine Wehmut auf?
Derdiyok: Solche Gedanken mache ich mir nicht. Ich wollte den Wechsel, ich wollte die neue Herausforderung. Jetzt geht es für mich auch um die persönliche Ehre, aus dieser Situation mit dem Team wieder herauszukommen.
Aus Hoffenheims Trainingslager in Portimao berichtet Martin Gruener