Bundesliga

Neustädter: "Ich musste mein Leben ändern"

Schalke: Schalkes Neuzugang im Interview

Neustädter: "Ich musste mein Leben ändern"

Mittelfeldstratege: Roman Neustädter hat sich bei Schalke gleich festgespielt.

Mittelfeldstratege: Roman Neustädter hat sich bei Schalke gleich festgespielt. imago

kicker: Ein Tattoo auf Ihrem Oberarm lautet übersetzt: Sterben muss jeder, aber nicht jeder lebt. Was bedeutet das für Sie, Herr Neustädter?

Roman Neustädter: Dass ich ein sehr offener Mensch bin und versuche, viel zu erleben in der kurzen Zeit, in der ich lebe. Und in der noch kürzeren Zeit, in der ich Fußballprofi sein darf. Ich versuche Entscheidungen, zu treffen, die mich auf neue Entwicklungsstufen bringen. Wie zum Beispiel der Wechsel zu Schalke. In Gladbach kannte ich alles, und da wäre wohl auch alles für mich so weitergelaufen wie bisher.

Trainersteckbrief Stevens
Stevens

Stevens Huub

Spielersteckbrief Neustädter
Neustädter

Neustädter Roman

FC Schalke 04 - Vereinsdaten
FC Schalke 04

Gründungsdatum

04.05.1904

Vereinsfarben

Blau-Weiß

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kicker: Dafür nahmen Sie das Risiko in Kauf, im neuen Klub kein Stammspieler mehr zu sein.

Neustädter: Diese Sorge habe ich mir ehrlich gesagt nicht gemacht, weil ich wusste, was auf mich zukommt. Vor drei Jahren beim Wechsel aus Mainz nach Gladbach hatte ich mehr Sorgen. Die erste Zeit bei der Borussia hat dann auch gezeigt, dass sie damals berechtigt waren.

kicker: Sie brauchten rund anderthalb Jahre, um sich in Gladbach durchzusetzen. Warum?

Neustädter: Damals habe ich einfach nicht richtig wahrgenommen, welche Chance ich im Leben habe. Trainiert habe ich mal besser und mal schlechter, aber ich war damit immer zufrieden. Und ich war auch nicht ehrlich zu mir selbst. Ich habe mir immer eingeredet, dass ich doch ganz gut trainiert hätte, obwohl es nicht so war. Ich habe ein Jahr gebraucht, um darauf zu kommen.

kicker: Von alleine?

Neustädter: Meine Eltern und meine Freundin haben mir eiskalt die Wahrheit gesagt: Dass ich mein Leben und meine Einstellung zum Profifußball ändern müsse. Doch auf seine Eltern hört man ja in jungen Jahren nicht immer unbedingt, auch wenn sie recht haben. Irgendwann habe ich dann aber gemerkt, dass ich nicht professionell genug gewesen bin. Auf dem Platz und auch außerhalb, das gebe ich offen zu.

kicker: Eigentlich erstaunlich, wo doch Ihr Vater Peter noch mit fast 40 Jahren für Mainz spielte, als Vorzeige-Kämpfer und Musterprofi galt.

Neustädter: Papa war als Spieler sicher ein anderer Typ als ich. Er war von seiner langen Zeit als Profi in Russland geprägt. Da gab es keine Laktattests oder Pulsuhren. Da wurde alles im Vollsprint gemacht, und wer nicht mitzog, wurde rausgeschmissen. Dagegen habe ich mich anfangs zu sehr alleine auf mein Talent verlassen.

kicker: Ihr Gladbacher Ex-Trainer Lucien Favre klagte kürzlich, Sie würden trotz Ihrer herausragenden Spielintelligenz immer noch von vielen unterschätzt. Empfinden Sie das auch so?

Neustädter: So eine Aussage schmeichelt mir natürlich, aber ich achte gar nicht so sehr darauf, was die Leute über mich sagen oder schreiben. Wichtig ist mir nur, was meine Trainer und Kollegen von mir halten - und dass sie offen und ehrlich mit mir umgehen.

kicker: In Gladbach glänzten Sie als Bestandteil eines perfekt abgestimmten Ensembles. Schon bemerkenswert, dass Sie auch auf Schalke trotz großer Konkurrenz sofort Stammkraft sind.

"Xavi, Xabi Alonso oder Busquets machen auch keine Überdinger, gehen kaum ins Dribbling. Daran orientiere ich mich."

Roman Neustädter

Neustädter: Sicher spiele ich jetzt auf einer etwas tieferen Position, aber die Aufgabe ist ähnlich. Ich versuche, die Abwehr zu entlasten und das Offensivspiel anzukurbeln. Die Situation vorm 2:0 gegen Augsburg war typisch: Direkt mit dem Ballgewinn habe ich auf Farfan weitergespielt, der mit zwei Kontakten auf Jones, der dann zum Abschluss kam. Aus einer geordneten Defensive heraus gut zu kontern, so sieht moderner Fußball aus. Und da hat Huub Stevens die gleichen Vorstellungen wie Lucien Favre.

kicker: Besagte Szene, in der Sie durchs Mittelfeld grätschten, schien trotzdem atypisch. Sonst gewinnen Sie Bälle doch eher durch Stellungsspiel.

Neustädter: Ich versuche immer, die Situation möglichst früh zu lesen: Wo stehen die Gegner, wo die Mitspieler? Das war auch in dieser Szene so. Ich habe gesehen: Wenn ich den Ball zu Farfan bringe, ist der Weg nach vorne frei. Weil Augsburgs Sechser den Pass gespielt hatte und ich schon gegen den Außenverteidiger in den Zweikampf ging. Also stand der Gegner offen.

kicker: Das alles erfassen Sie unmittelbar auf dem Spielfeld - oder hinterher bei der Video-Analyse?

Neustädter: In dem Moment hatte ich das schon so auf dem Schirm. Das klappt natürlich mal besser, mal schlechter. Grundsätzlich geht es darum, nach Ballgewinn möglichst mit dem ersten Kontakt sicher weiterzuspielen, das Spiel schnell zu machen. So praktizieren das auch die großen Sechser wie Xavi, Xabi Alonso oder Busquets. Die machen auch keine Überdinger, gehen kaum ins Dribbling. Daran orientiere ich mich.

kicker: Es fällt auf, dass Sie sowohl von Mainz nach Gladbach als auch nun zu Schalke ablösefrei wechselten. Ein ausgeklügelter Karriereplan?

Neustädter: Den habe ich nicht. Ich habe nie darüber nachgedacht, was in ein paar Jahren sein wird, sondern mich auf meine aktuelle Aufgabe konzentriert. Der Rest hat sich dann so ergeben.

kicker: Hat Sie, rein professionell betrachtet, Gladbachs Aus in der Champions-League-Quali gegen Kiew in Ihrem Wechsel bestätigt?

Neustädter: Ich habe Gladbach die Daumen gedrückt, war beim Hinspiel sogar im Stadion. Aber auch wenn die Borussia es geschafft hätte: Schalke hat nun mal einen international höheren Stellenwert, ist bei den letzten Champions-League-Teilnahmen sehr weit gekommen. Diesen Status muss sich Gladbach erst noch erarbeiten.

kicker: Bedeutet das: Wer sich auf Schalke dauerhaft durchsetzt, wird logischerweise auch ein Thema für die Nationalmannschaft?

Neustädter: Die deutsche Nationalmannschaft hat sehr viele sehr gute, junge Spieler. Ich konzentriere mich auf Schalke, nichts anderes.

kicker: Hat Ihr Team das Zeug, ins Titelduell zwischen Dortmund und Bayern einzugreifen?

Neustädter: Bayern und der BVB spielen im Moment in einer anderen Liga, das muss man so sagen. Das ändert aber nichts an unserem Ehrgeiz, jedes Spiel zu gewinnen.

Interview: Thiemo Müller