Die Kompensationspartie zwischen Bayern und den Niederlanden sollte den Streit um die Verletzung von Arjen Robben bei der WM 2010 beilegen - doch sie brachte nur neuen Ärger. Und für Robben ein Schockerlebnis: Pfiffe bei der Einwechslung, Pfiffe bei jeder Ballberührung, und das - wenn auch nur teilweise - von den eigenen Fans. Andere FCB-Anhänger kämpften verzweifelt mit Pro-Robben-Sprechchören gegen die Stimmungsmache an, doch der Stachel saß tief beim 28-Jährigen, der erst Anfang Mai seinen Vertrag beim Rekordmeister bis 2015 verlängert hatte.
Bastian Schweinsteiger und Manuel Neuer trösteten Robben nach der Partie und überredeten ihn, in die Südkurve zu gehen. Ein kurzes Winken - und zum Glück keine Pfiffe, sondern Applaus. Die Hauptfigur des Abends flüchtete schnellen Schrittes in die Katakomben, wollte nichts mehr sagen. Das übernahmen dafür andere.
Spielersteckbrief Robben
Bayern München - Vereinsdaten
Gründungsdatum
27.02.1900
Vereinsfarben
Rot-Weiß
Niederlande - Vereinsdaten
Gründungsdatum
01.01.1889
Zum Beispiel Bert van Marwijk: "Es ist eine Schande, dass Arjen ausgepfiffen wurde. So etwas gehört sich nicht", erklärte der erboste Bondscoach. Und auch Mark van Bommel, viereinhalb Jahre in Diensten des FC Bayern und zuletzt Kapitän, fand drastische Worte. "Das ist ein Skandal. So etwas habe ich in München noch nie mitgemacht", sagte der Mittelfeldspieler. "Man muss doch sehen, was er die letzten Jahre für den Klub getan hat. Ich hätte nicht gedacht, dass das bei Bayern München passiert."
Der FC Bayern sollte sich schämen, das hat Arjen nicht verdient.
Rafael van der Vaart zu den Pfiffen gegen Arjen Robben.
Bleibt die Frage nach dem Warum: Weil Robben einen wichtigen Elfmeter in Dortmund verschossen hatte? Weil Robben einen noch wichtigeren Elfmeter gegen Chelsea verschossen hatte? Weil er nur 16 Minuten bei seinem eigenen Kompensationsspiel auflief? Alles keine triftigen Gründe, um den eigenen Spieler auszupfeifen.
Einladung von Sneijder - Van Bommel rät zum Nachdenken
Und so schallte weiter das Elftal-Echo der Entrüstung durch die Allianz-Arena. "Der FC Bayern sollte sich schämen, das hat Arjen nicht verdient", schimpfte Rafael van der Vaart. Wesley Sneijder attackierte auch die Münchner Chefs. "Man hat schon die Tage zuvor gesehen, dass keiner aus dem Klub ihn geschützt hat. So vergrault man ihn", meinte der Mittelfeldstratege und schob eine "Einladung" gleich hinterher: "Wenn es nach mir geht, kommt er im Sommer zu mir zu Inter Mailand." Ob Robben nach den Geschehnissen seinen Vertrag erfüllen wird, ist nun die Frage. "Wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich mir das ganz genau überlegen", meinte van Bommel vielsagend. Schalkes Klaas Jan Huntelaar nannte die Geschehnisse "nur noch peinlich", der scheidende Stuttgarter Khalid Boulahrouz "eine absolute Sauerei. Ich könnte kotzen."
Da war die Bayern-Welt noch in Ordnung: Arjen Robben bekam beim Aufwärmen Applaus von den Rängen. getty images
Die Bayern bemühten sich indes, die Geschehnisse nicht überzubewerten. "Damit muss er leben. Es waren doch nur vereinzelte Fans", sagte Trainer Jupp Heynckes. "Er hat ja auch starken Beifall bekommen", meinte Sportdirektor Christian Nerlinger. Nur Seine Mitspieler bewerteten die Geschehnisse drastischer, nahmen Robben in Schutz. "Von uns hat er die volle Rückendeckung", erklärte Holger Badstuber, "klar ist es erschreckend, wenn er ausgepfiffen wird."
Rummenigges Eklat-Vermutung: Robben nicht im Bayern-Trikot
Inzwischen hat sich Karl-Heinz Rummenigge in einer offiziellen Pressemitteilung zu dem Fall geäußert. Mit "Erstaunen, Irritation und Enttäuschung" habe der FC Bayern auf die Pfiffe reagiert. "Einige Fans waren offensichtlich enttäuscht, dass Arjen drei Tage nach dem verlorenen Champions-League-Finale nicht auch im Trikot des FC Bayern, sondern nur für die holländische Nationalelf gespielt hat", mutmaßte der Vorstandsboss. "Dies gibt jedoch niemand das Recht, unseren Spieler auszupfeifen." Nach Angaben der Münchner hat es eine vertragliche Vereinbarung gegeben, dass Robben ausschließlich für Oranje auflaufen darf.
Inzwischen hätten sich allerdings viele Fans gemeldet, die ihre Missbilligung über die Unmutsbekundungen in Robbens Richtung kundgetan hätten. "Wir haben heute Morgen viele Reaktionen unserer Fans erhalten, die sich im Namen derjenigen, die gepfiffen haben, bei Arjen Robben dafür entschuldigen", so Rummenigge.
Schon vor der Partie war klar, dass Robben bis Freitag frei bekommen wird, ehe er wieder zum Oranje-Trainingslager in Lausanne dazustößt. Dass er die Tage nach dem verschossenen Elfmeter im CL-Finale derart dringend brauchen wird, war ihm da aber noch nicht bewusst. Van Marwijk hat das Training am Freitag extra auf den Nachmittag verschoben, um Robben noch etwas mehr zusätzliche Zeit zu geben. "Und dann werden ihn unsere Jungs schon wieder aufbauen", hofft der Bondscoach.
