Ausgesprochen gelassen - zumindest offiziell - sind die Töne aus München vor dem brisanten Spiel am Sonntag (17.30 Uhr). "Manuel wird das nicht beeinträchtigen", prophezeit Mario Gomez (26). Sportdirektor Christian Nerlinger (38) behauptet: "Das wird kein Thema. Manuel ist so cool." Selbst auf der Gegenseite erwartet man einen abgebrühten Auftritt des Keepers. Höwedes ist sich sicher, dass Neuer, "egal, was am Sonntag von außen kommt", seine Leistung bringen wird. "Manuel hat in den letzten Jahren so viele Erfahrungen gesammelt, dass er sich sportlich nicht beirren lassen wird", gibt der Schalker Kapitän im Interview mit dem kicker Auskunft (Lesen Sie das ganze Interview in der Donnerstagausgabe des kicker-Sportmagazin).
Doch ist der 25-Jährige wirklich so cool? Denn seine Geschichte ist einfach nicht alltäglich. Ein Blick auf seinen Spielersteckbrief ist eindeutig, weil übersichtlich. Vor seinem Engagement bei den Bayern war Neuer nur bei einem weiteren Verein: Schalke 04. Er war vier Jahre alt, als er am 1. März 1991 Mitglied bei Schalke wurde. Er durchlief nicht nur sportlich alle Jugendteams und wurde schließlich zum Publikumsliebling, sondern stand eben auch als Dauergast in der Nordkurve, was die ganze Angelegenheit erst richtig delikat macht - mehr Schalke geht nicht. Und doch spielt er seit Sommer für Bayern München.
Spielersteckbrief Neuer
Bayern München - Vereinsdaten
Gründungsdatum
27.02.1900
Vereinsfarben
Rot-Weiß
FC Schalke 04 - Vereinsdaten
Gründungsdatum
04.05.1904
Vereinsfarben
Blau-Weiß
Man kriegt alles mit, erst recht ich. Ich komme ja aus der Kurve, da habe ich ein Auge für Banner und ein Ohr für Gesänge.
Manuel Neuer
Auf der Facebook-Seite des Nationaltorhüters geraten die Fans bereits heftig aneinander. "Bayernschwein" oder "Verräter" sind dabei noch die harmloseren Beschimpfungen. Einige User lassen sich sogar zu Drohungen hinreißen, die weit unter die Gürtellinie gehen. Höwedes bittet die Fans: "Anfeindungen hat Manuel nicht verdient." Allerdings hat sich Neuer einen Teil des Ärgers durch unglückliche Äußerungen auch selbst einbrockt. Sein Eckfahnen-Jubel 2009 in München? Nur "ein Blackout". Seine Mitgliedschaft im Fanklub "Buerschenschaft"? Die Clique habe "nichts speziell mit Fußball oder Schalke zu tun". Selbst Höwedes findet manche Aussagen nicht geschickt. "Das ist einerseits Manuels Sache, andererseits ist manches für die Fans schwer verständlich."
Ein mulmiges Gefühl dürfte Neuer in jedem Fall begleiten, wenn er erstmals im Bayern-Trikot vor "seine" Fans tritt. Und weil er selbst so lange in der Kurve stand, wird er sehr wohl mitbekommen, was aus den Fanblocks kommt, was er im Übrigen auch zugibt: "Man kriegt alles mit, erst recht ich. Ich komme ja aus der Kurve, da habe ich ein Auge für Banner und ein Ohr für Gesänge. Ich interessiere mich für alles."
Protest der Bayern-Fans vor dem Wechsel von Manuel Neuer. Getty Images
Einen Vorgeschmack auf Sonntag hat Neuer bereits am 2. März erhalten: Während des Pokal-Halbfinales probten die Bayern-Fans den Aufstand gegen die bevorstehende Verpflichtung des damaligen Schalkers. Der Proteststurm, prägnant symbolisiert durch die Flut der "Koan-Neuer"-Plakate, übertraf alles bisher Dagewesene. Beim Schalker 1:0-Erfolg konterte er mit einer Gala (kicker-Note 1). Bringt ihn also wirklich nichts aus der Fassung? Die Ultras in der Nordkurve werden es jedenfalls probieren.
