Bundesliga

"Nürnberg ist ein Stück Heimat geworden"

Nürnberg: Gespräch mit Dario Vidosic und Matthew Spiranovic

"Nürnberg ist ein Stück Heimat geworden"

Dario Vidosic und Matthew Spiranovic (re.) sind in Nürnberg heimisch geworden.

Dario Vidosic und Matthew Spiranovic (re.) sind in Nürnberg heimisch geworden. kicker

kicker: Ihre Heimat liegt nicht gerade ums Eck – wie groß ist nach zwei, beziehungsweise zweieinhalb Jahren in Nürnberg noch das Heimweh nach Australien?

Matthew Spiranovic: Mittlerweile ist Nürnberg schon ein Stück Heimat geworden, wobei ich meine Familie und Freunde unverändert vermisse. Aber zum Glück gibt es ja Internet und Telefon. Ich stehe eigentlich täglich in Kontakt mit Zuhause.

Dario Vidosic: Unsere Telefonrechnungen dürften ähnlich hoch sein. Ich habe erst vor einer halben Stunde mit meiner Großmutter gesprochen – dort ist übrigens jetzt Winter, die Durchschnittstemperatur liegt bei 25 Grad. Damit dürfte klar sein, dass mir neben Familie und Freunden an manchen Tagen auch das australische Wetter ziemlich abgeht.

kicker: Das klingt alles sehr entspannt. War das zu Beginn Ihrer Zeit in Nürnberg auch so?

Spiranovic: Ehrlich gesagt nicht – ich war 18 Jahre, als ich hierher kam. Und während ich zu Hause schon einen gewissen Ruf hatte, musste ich hier ganz bei null anfangen. Es war eine schwere Zeit. Zum Glück für mich spielten mit Joshua (Anmerk.: Kennedy) und Michael (Anmerk.: Beauchamp) zwei Australier beim Club. Sie kümmerten sich um mich wie große Brüder. Und ein gutes halbes Jahr später kam dann ja noch Dario. Wir bildeten eine kleine Familie.

kicker: Wie sehr hängt der Wohlfühlfaktor vom Sportlichen ab?

Vidosic: Sehr. Es hat mir in jeder Beziehung einen gewaltigen Schub gegeben, dass mir in der vergangenen Rückrunde die wichtigen Tore gelangen.

kicker: Zuvor waren Sie drauf und dran zu scheitern. Der Trainer der Nürnberger Reservemannschaft, René Müller, verzichtete auf Ihre Dienste, in der Winterpause wären Sie beinahe beim dänischen Erstligisten Esbjerg gelandet – wie haben Sie die Kurve bekommen?

Vidosic: Es geht das Gerücht um, dass ich vorher nicht ernsthaft genug gearbeitet hätte. Das ist aber Quatsch. Ich hatte ein halbes Jahr lang Probleme mit dem Knie – ich hatte in dem linken Bein nur 50 Prozent meiner üblichen Kraft. Und dieses Problem habe ich mit der Hilfe unserer medizinischen Abteilung in diesem Jahr nach und nach in den Griff bekommen.

kicker: Matthew, bei Ihnen lief es genau umgekehrt. Sie waren bereits im Team, ehe Sie im vergangenen Herbst eine schwere Sprunggelenksverletzung ausbremste. Wie bewerten Sie diese Zeit im Rückblick?

Spiranovic: Es war meine erste größere Verletzung überhaupt und ich war schon ziemlich down. Mir hat es sehr geholfen, dass mich der FCN nach Australien hat gehen lassen, um dort die Reha zu absolvieren. Der direkte Beistand meiner Familie und Freunde war sehr wichtig für mich.

kicker: Sie beide betonen immer wieder, wie wichtig Ihnen Australien ist. Sie haben aber kroatische und damit europäische Wurzeln – welche Rolle spielen die in Ihrem Leben?

Spiranovic: Eine große – und ich bin auch stolz auf sie.

kicker: Sprechen Sie kroatisch?

Spiranovic: Ich verstehe es, Dario kann es perfekt.

Vidosic: In meiner Familie wird sich auch noch sehr viel auf kroatisch unterhalten. Somit leben wir unseren europäischen Hintergrund auch täglich.

kicker: Fühlen Sie sich überhaupt als richtige Australier?

Vidosic: Doch, ich bin Australier, keine Frage – das ist meine Heimat, auch wenn ich im Gegensatz zu Matthew dort nicht geboren bin.

kicker: Der Begriff Australien weckt hierzulande gewisse Assoziationen. Man sieht lockere Menschen, die größtenteils feiernd am Strand abhängen und mit dem Surfbrett durch die Wellen reiten. Sind Sie typischer Australier?

Spiranovic: Sich mit Freunden treffen, am Strand feiern – in dieser Beziehung bin ich auf jeden Fall ein typischer Australier. Nur beim Surfen muss ich passen. Ich habe es mehrfach ausprobiert, aber es ist nicht so mein Ding.

Vidosic: Meines erst recht nicht, ich bin ein miserabler Schwimmer. Ansonsten bin ich aber auch Australier durch und durch. Das dortige Lebensgefühl ist entspannter, lockerer, man sieht die Dinge nicht so ernst – und ich habe es mit einem europäischen Einschlag voll übernommen.

kicker: Dann wird es Ihnen beiden sehr viel bedeuten, zum Kreis der Nationalmannschaft zu gehören.

Spiranovic: Sicher, und da kann ich fürs uns beide sprechen, wir empfinden dies ungeachtet des sportlichen Aspekts als besondere Ehre, für unser Land spielen zu können ...

Vidosic: ... und unser Land bei der WM zu vertreten.

kicker: Australien hat sich für die WM schon qualifiziert. Wie gut ist der australische Fußball?

Spiranovic: Ich erinnere nur an die WM 2006 – da haben wir uns im Kreis der besten Mannschaft behauptet und bewiesen, dass wir so leicht nicht zu schlagen sind. Und die jetzige Mannschaft hat sich gegenüber der alten zwar verändert, ist deutlich jünger geworden, doch schlechter ist sie meiner Meinung nach nicht geworden.

kicker: Und wie fällt der Vergleich zwischen australischem und deutschen Ligafußball aus?

Vidosic: Die australische erste Liga hat zwar in den vergangenen Jahren deutlich aufgeholt, doch das deutsche Niveau hat sie, vor allem was das Tempo anbelangt, noch lange nicht. Allerdings muss man auch bedenken, dass die Bundesliga zu den vier besten Ligen der Welt gehört.

kicker: Welchen Stellenwert besitzt der Fußball in Australien?

Spiranovic: Er steht in harter Konkurrenz zu vielen anderen Sportarten wie Rugby oder Schwimmen – aber auch dank des guten Abschneidens bei der letzten WM wird er populärer und populärer und ist dabei, den anderen den Rang abzulaufen. Vor allem bei den Jüngeren ist er hoch im Kurs – in der Schule und Universität ist Fußball längst die klare Nummer eins.

Vidosic: Dabei spielt es auch eine Rolle, dass viele Australier einen europäischen Hintergrund haben. In Australien leben zum Beispiel so viele Griechen, wie nirgendwo anders – Griechenland selbst natürlich ausgeklammert. Die historisch gewachsene Begeisterung für den Fußball wie in Deutschland fehlt hier dennoch. Dass zum Beispiel wie in Nürnberg nach dem Aufstieg des FCN überall in der Stadt die Flagge des Vereines zu sehen ist, gibt es so in Australien nicht. Noch nicht. Deswegen wäre es auch sehr wichtig für den Fußball in Australien, dass wir uns erneut für die WM qualifizieren.

kicker: Mit Spiranovic und Vidosic?

Spiranovic: Ich hoffe es, wir haben, wenn wir von Verletzungen verschont bleiben, gute Chancen.

Australische Kicker beim Club: Vidosic und Spiranovic (re.).

Australische Kicker beim Club: Vidosic und Spiranovic (re.). kicker

Vidosic: Der Schlüssel dazu liegt in Nürnberg. Wenn wir uns hier durchsetzen und zu unseren Einsatzzeiten kommen, werden wir beide auch bei der Nationalmannschaft dabei sein. Deswegen schiebe ich auch das Thema Nationalmannschaft beiseite. Ich konzentriere mich zunächst rein auf den FCN, alles andere folgt automatisch.

kicker: Sie sind in Nürnberg beide nah dran an der Mannschaft. Matthew, schafft Dario in dieser Saison den Durchbruch?

Spiranovic: Wenn er dort weitermacht, wo er in der vergangenen Rückrunde aufgehört hat, wird er es packen. Sein Vorteil ist, dass er ein Stürmer ist – das kriegt man mehrfach die Chancen, sich ins Team zu spielen.

kicker: Und Dario, wie sieht es bei Matthew aus? Schafft er den Durchbruch?

Vidosic: Den hat er eigentlich schon geschafft. Dass er in der Bundesliga mithalten kann, hat er bereits mehrmals unter Beweis gestellt. Nicht zu vergessen, dass er auch beim Pokalfinale auf dem Platz stand. Ich gehe davon aus, nein, ich bin mir sicher, dass Matthew nach seiner Verletzung jetzt wieder den Anschluss schafft.

kicker: Matthew, was hätten Sie gerne von Dario?

Spiranovic: Er ist ein fixer Bursche, sehr wendig, sehr schnell. Eine Portion davon könnte ich gut vertragen. Und um seinen Schuss beneide ich ihn auch ein bisschen.

kicker: Und Dario, was hat Matthew, was Sie nicht haben?

Vidosic: Nichts. Ok, aber im Ernst. Von seinem ganzen Zweikampfverhalten kann ich mir eine Scheibe abschneiden. Ach ja, seine Robustheit geht mir leider auch noch ab.

kicker: Wir bedanken uns für das Gespräch.

Interview: Christian Biechele