Bundesliga

"Ich bin von Rangnick infiziert"

Mainz: Interview mit Thomas Tuchel

"Ich bin von Rangnick infiziert"

Thomas Tuchel, FSV Mainz 05

Senkrechtstarter: Thomas Tuchel trainiert Mainz 05 in der Bundesliga. imago

kicker: Herr Tuchel, statt A-Jugendcoach ohne jede Profierfahrung plötzlich Cheftrainer. Soll man Sie beneiden oder bedauern?

Thomas Tuchel (35): Beneiden. Anscheinend gab es erheblich mehr Kriterien als die Profierfahrung für diesen Trainerposten. Sonst wäre ich nicht erste Wahl gewesen.

kicker: Sie sagen, Sie leben im Moment Ihren Traum. Fürchten Sie nicht, die heikle Aufgabe mit diesen Turbulenzen und Personalsorgen in Mainz wird zum Alptraum?

Tuchel: Nein. Heikle Situationen gehören dazu, wenn man als Neuling in dieses Geschäft kommt. Es ist normal, wenn im Vorfeld nicht alles rund läuft.

kicker: Die Hiobsbotschaften setzten sich gleich an Ihrem ersten Arbeitstag fort mit dem Ausfall von Torwart Dimo Wache und der Verwicklung von Torjäger Aristide Bancé in eine Handgreiflichkeit. Konsequenzen?

Tuchel: Zu Bancés Vorfall werde ich mich nicht äußern. Waches Ausfall ist ein großer Verlust.

kicker: Die Torwartfrage hat sich damit von selbst geklärt.

Tuchel: Ja. Heinz Müller wird spielen - wenn nichts mehr passiert!

kicker: Ihrem Vorgänger wurde zum Verhängnis, dass er nicht mit den Spielern sprach und nicht um die Stimmung im Team wusste. Für welchen Führungsstil stehen Sie?

Tuchel: Für einen kommunikativen Führungsstil. Ich verstehe mich als Fußballlehrer, der klare Vorstellungen von Training und Spiel hat. Und diese Vorstellungen pedantisch und konsequent durchgesetzt haben möchte. Ich vertraue Spielern, nehme sie mit ins Boot. Wenn sie bereit sind, sich dem gemeinsamen Ziel zu verschreiben.

kicker: Ein Zweijahresvertrag für einen absoluten Nobody. Sind Sie überrascht von der hohen Wertschätzung nach nur einem Jahr Arbeit am Bruchweg?

Tuchel: Die Wertschätzung für meine Arbeit und meine Person spürte ich vom ersten Tag, seit ich in Mainz bin. Der Zweijahresvertrag ist ein klares Bekenntnis der Verantwortlichen für den Weg mit mir. Weil sie glauben, dass ich perfekt in die Mainzer Vereinsphilosophie passe.

kicker: Ihr Anspruch ist, auf dem Platz muss eine Handschrift erkennbar sein. Wie soll die aussehen?

Tuchel: Sie muss sich mit der Klubphilosophie decken. Ich bin schon infiziert und inspiriert von Ralf Rangnick. Das bedeutet: Wir wollen ein laufintensives Spiel pflegen. Das angelegt ist, aggressiv nach vorne zu verteidigen, auf hervorragende Ordnung gegen den Ball, schnell und flach in die Spitze zu spielen, das Umschaltspiel in beide Richtungen zu kultivieren. Ich glaube, damit treffen wir den Nerv des Mainzer Publikums.

Interview: Uli Gerke