Das Spiel zwischen 1860 München und St. Pauli war das Duell der Enttäuschten: Während die Hamburger zuletzt zwei Rückschläge im Kampf um den Klassenerhalt in Form von Niederlagen hinnehmen mussten, verließen die 60er gar drei Mal in Folge den Platz als Verlierer. Der Traum vom europäischen Geschäft scheint dadurch nur noch über den Umweg UI-Cup realisierbar. Die Historie verhieß nichts Gutes für die Gäste: Noch nie konnten die Kiez-Kicker in der Bundesliga einen Punktgewinn bei 1860 verbuchen, in der laufenden Saison wartet man zudem als einziges Team vergebens auf einen Auswärtssieg.
Die taktische Ausrichtung von St. Pauli machte wenig Hoffnung auf Besserung. Trotz des misslichen Tabellenstandes setzte Trainer Demuth auf nur eine Sturmspitze (Patschinski). Ansonsten blieb das Gerüst gegenüber der Niederlage am vergangenen Wochenende gegen Stuttgart (1:2) unverändert. Einzig Scheinhardt feierte nach langer Pause sein Comeback, er ersetzte den verletzten Gibbs (Muskelfaserriss).
Ganz anders die Löwen: Nicht weniger als fünf Veränderungen im Vergleich zur Vorwoche (0:4 in Leverkusen) nahm Peter Pacult vor. Spektakulär geriet dabei das Comeback von Thomas Häßler, erstmals agierte der in der Vorwoche pausierende Altstar auf der Liberoposition. Die Entscheidung ist wegen des Ausfalls von Votava etwas aus der Not geboren, gestand Pacult, verband das Experiment aber gleichzeitig mit der Hoffnung, dass er das Spiel von hinten aufbaut und mit langen Pässen für Schwung sorgt. Auch der Rest der Abwehr präsentierte sich neu formiert, Pfuderer und Kurz ersetzten Stranzl (Bänderriss) und Ehlers. Nach mehrwöchiger Verletzungspause kehrte Cerny an Stelle von Borimirov ins Mittelfeld zurück, im Angriff erhielt Suker zunächst den Vorzug vor Max.
Das Experiment mit Häßler auf der Position des freien Mannes erwies sich nach einer halben Stunde schon fast als gescheitert. Hätten die Gäste nicht derart fahrlässig die sich ihnen bietenden Möglichkeiten (Meggle und Held gegen Jentzsch) vergeben, das Spiel wäre für München schon zur Halbzeit verloren gewesen. Wie schon der Hamburger Führung, ging auch dem Ausgleich in der Schlussminute des ersten Durchgangs ein individueller Patzer voraus. Trat beim 1:0 Cerny auf den Ball und lud so Rahn zum Torschuss ein, war es vor Weissenbergers Tor Inceman, der gedanklich abwesend war.
Die Personaldiskussion um Häßler und Weissenberger schien sich nach 53 Minuten von selbst zu erledigen. Nachdem der Österreicher mehrfach übermotiviert in Zweikämpfe gegangen war, schickte ihn Schiedsrichter Meyer mit Gelb-Rot vom Platz. St. Pauli nutzte die numerische Überlegenheit schnell zur erneuten Führung, Patschinski profitierte von der Konfusion in der 60er-Hintermannschaft und traf. Pacult blieb nichts anderes übrig, als auf die offensive Karte zu setzen. Er schickte Max und Schroth ins Spiel und hatte so vier echte Sturmspitzen auf dem Platz, beließ aber Häßler auf der Liberoposition. Ein gewagtes Spiel des Löwen-Trainers, doch der Mut sollte belohnt werden! Acht Minuten und zwei Torschüsse genügten Martin Max , um das Spiel im Alleingang zu drehen. Bitter für Demuth, dass ausgerechnet der ebenfalls erst kurz zuvor eingewechselte Amadou die entscheidenden Zweikämpfe gegen Max verlor. Ein Schuss aus 18 Metern machte wenig später den ersten lupenreinen Hattrick in Max´ Karriere sowie den maximalen Erfolg für 1860 perfekt. Auffallend war, wie klug sich die vier Stürmer der Löwen auf dem Platz verteilten, kaum einmal behinderte man sich gegenseitig bei der Ballannahme oder verriet Abstimmungsprobleme untereinander.
Einmal mehr musste St. Pauli ohne Punkte die Heimreise antreten, die Hoffnungen auf das Wunder Klassenerhalt scheinen somit erloschen. "Ich bin kein Traumtänzer. Wenn wir so spielen, haben wir in der Bundesliga nichts verloren", fand Pauli-Trainer Demuth klare Worte. 1860 dagegen stoppte die Niederlagenserie und darf weiter vom Strohhalm UI-Cup träumen.
Analyse mit Noten folgt am Montagabend