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Hitziger Titelkampf und Eiszeit in der Bundesliga

1985/86 - Kutzop trifft nur den Pfosten

Hitziger Titelkampf und Eiszeit in der Bundesliga

Der Ball klatscht an den Pfosten: Pfaff reißt die Arme hoch, Kutzop (re.) kann es nicht fassen.

Der Ball klatscht an den Pfosten: Pfaff reißt die Arme hoch, Kutzop (re.) kann es nicht fassen. imago

Der Vorjahresmeister kam seit längerem an den Hanseaten nicht vorbei. Seit Wochen wollte der Zwei-Punkte-Rückstand auf den Tabellenführer nicht schmelzen. Im direkten Duell war nun alles möglich, mit einem Sieg wäre den Nordlichtern der Titel nicht mehr zu nehmen gewesen. Doch es tat sich lange Zeit gar nichts. 0:0 stand es noch in der 89. Minute. Dann der Zweikampf – Völler gegen Lerby. Der Stürmer, der nach fünfmonatiger Verletzungspause sein Comeback feierte, schießt dem Dänen den Ball im Strafraum ins Gesicht. Das Unfassbare: Schiedsrichter Roth zeigt auf den Punkt, entscheidet auf Handelfmeter.

Die Bayern-Spieler sind außer sich, Tumult auf dem Rasen. Der Ball wird noch schnell auf die Tribüne gebolzt, einen Ersatz gibt es nicht. Der Strafstoß wird hinausgezögert. Die Münchner nutzen die Zeit, um Micheal Kutzop, den sichersten Schützen der Liga, aus der Ruhe zu bringen. "Pflügler zog mich am Ohr, ein anderer Bayernspieler bespuckte mich", erinnert sich der Bremer. Es ging drunter und drüber. Der Rest ist Fußball-Geschichte. Der Abwehrspieler läuft an, verzögert. Bayern-Keeper Jean-Marie Pfaff orientiert sich bereits in die falsche Ecke, als der Ball noch am Elfmeterpunkt liegt. Er muss trotzdem nicht hinter sich greifen: "Klatsch", Kutzop trifft den rechten Pfosten, der Ball landet im Aus. Bis zum Schlusspfiff bleibt es beim 0:0.

Bundesliga - Tabelle
Pl. Verein Punkte
1
Bayern München Bayern München
49
2
Werder Bremen Werder Bremen
49
3
Bayer 05 Uerdingen Bayer 05 Uerdingen
45

Jetzt kam es auf den letzten Spieltag an. Für die Münchner musste ein Sieg gegen Gladbach her, gleichzeitig Werder in Stuttgart verlieren, damit die Bayern die Schale behalten dürfen. 2:1 lautete das Ergebnis in Stuttgart, der VfB sicherte sich damit Rang 5. Nach zwei Treffern der Schwaben durch Allgöwer erzielte Burgsmüller in der 79. Minute zwar noch den Anschlusstreffer, doch es half nichts. Zeitgleich überrollten die Münchner Gladbach vor heimischem Publikum. Schon nach weniger als 60 Sekunden traf Lothar Matthäus, es folgten Tore von Dieter Hoeneß (2), Reinhold Mathy und Roland Wohlfarth (2). Die Borussia hatte dem nichts entgegenzusetzen und kassierte letztlich eine herbe 0:6-Packung.

Der FC Bayern hatte es also doch wieder geschafft und hielt am Ende die Meisterschale in den Händen. Die Spitzenposition nahmen sie in dieser Spielzeit nur ein einziges Mal ein – am 34. Spieltag. Das ist einmalig. "Bremen hatte den Titel genauso verdient wie wir, wir waren die Glücklicheren", resümierte FCB-Torwart Pfaff.

Ein Pfostenschuss, Enttäuschung und eine Fiesta Mexicana

Der Torschützenkönig

Die Torjägerkanone des kicker ging diesmal an den Bochumer Angreifer Stefan Kuntz. 22 Treffer hatte er auf seinem Konto, damit hatte er fast die Hälfte der 55 Tore seines Klubs erzielt. Den Stuttgarter Karl Allgöwer (12 Tore) verwies er auf Platz 2. Allgöwer hatte Werder mit seinen beiden Treffern am letzten Spieltag den Titel vermasselt.

Was sonst noch geschah

Es war nicht nur das Rückspiel zwischen Werder und dem Team von Udo Lattek, das für Emotionen sorgte. Noch hitziger startete die Partie in der Hinrunde. Bayerns Mittelfeldmotor Sören Lerby konnte den Anpfiff kaum erwarten, voller Tatendrang stürmte er zu drei platzverweisreifen Tätlichkeiten innerhalb der ersten fünf Minuten. Doch er war nicht der einzige, der ordentlich draufging. Klaus Augenthaler stoppte Rudi Völler mit einem üblen Foul – erst fünf Monate später, ebenfalls gegen den FCB, stand der Stürmer wieder auf dem Platz. Doch auch für Augenthaler zog das Konsequenzen nach sich: eine gelbe Karte vom sichtlich überforderten Schiedsrichter Theobald und zahlreiche schriftliche Morddrohungen von Bremer Fanatikern. Auch Bruno Pezzey fiel negativ auf: Der stieg Lothar Matthäus aufs frisch operierte Knie, Matthäus trat forsch zurück. Gelb für den Werder-Libero, Rot für den Münchner. Neben den Kampfhandlungen wurde an jenem 23. November im Olympia-Stadion auch noch Fußball gespielt. Mit zwei Treffern trug Dieter Hoeneß zu einem 3:1-Sieg der Bayern bei.

Eine spannende Aufholjagd bot auch Bayer Uerdingen. In der Rückrunde mussten sie nur sechs Minuspunkte einstecken und kletterten damit von Rang 10 auf Platz 3. Im Viertelfinale des Europapokals der Pokalsieger zeigte Uerdingen ebenfalls eine beachtliche Leistung. Nach einem 0:2 im Hinspiel und einem 1:3-Rückstand in der zweiten Partie drehten sie das Spiel gegen Dynamo Dresden und zogen mit einem 7:3-Sieg in das Halbfinale ein.

Ein angetrunkener Trainer und die "Last-Minute-Kobra"

Beachtlich war der Kampfgeist von Nürnberg und Düsseldorf. Die Traditionsklubs überwinterten auf Platz 16 (Club) und dem letzten Rang (Fortuna), machten in der Rückrunde aber Boden gut. Fortuna wurde schließlich 14., die Franken platzierten sich sogar auf dem 12. Tabellenplatz. Dafür mussten sich Hannover und Saarbrücken aus der Ersten Liga verabschieden, Frankfurt konnte sich nur wegen der besseren Tordifferenz vor der Relegation retten. Für die 96er war es keine einfache Saison: Ihr Trainer Werner Biskup wurde nach dem 3:1-Auswärtssieg in Frankfurt beurlaubt, nachdem er sichtlich angetrunken vom Schiedsrichter auf die Tribüne verbannt worden war. Der BVB hatte immerhin noch die Chance, sich gegen den Drittplatzierten der Zweiten Liga zu behaupten und den Klassenerhalt zu packen. Die Begegnungen mit Fortuna Köln waren nichts für schwache Nerven. Dortmund hatte das Hinspiel 0:2 verloren, im Rückspiel führte die Borussia 2:1, als die 90. Minute anbrach. Für den Klassenerhalt reichte das nicht. Doch wenige Sekunden vor Schluss erzwang BVB-Stürmer Jürgen Wegmann durch sein 3:1 das Entscheidungsmatch. Das konnte die Borussia klar für sich entscheiden: 8:0 lautete das Ergebnis. Retter Wegmann, später auch bekannt als "Kobra", wechselte anschließend zum Erzrivalen Schalke. Doch die Fans verziehen ihrem Star ausnahmsweise – 1989 durfte er wieder zurückkehren. Beim Kampf um den DFB-Pokal bekam der FC Bayern München erneut Hilfe vom VfB Stuttgart, der Konkurrent Werder Bremen zuvor den Weg zum Titel verbaut hatte. Die Schwaben ließen sich im Pokal-Finale vom Meister dominieren und unterlagen 2:5. Damit sicherte sich Bayern sein zweites Double.

Mexiko: Burruchaga versetzt Deutschland den Todesstoß

Die Bundesligasaison wurde von Wetterkapriolen bestimmt: Schnee, Kälte und Eis sorgten im Winter für 32 Spielausfälle. Für Bayer Uerdingen wurde es deshalb eng im Terminkalender: Zwölf Bundesliga- und drei Europapokal-Spiele standen in nur 42 Tagen an.

Und dann war es wieder Zeit für ein großes Turnier: Die WM in Mexiko stand an. Im Viertelfinale konnte sich die deutsche Elf erst im Elfmeterschießen gegen den Gastgeber durchsetzen (4:1), im Halbfinale wartete Frankreich, das aber ebenfalls bezwungen wurde (2:0). Im Finale hieß der Gegner Argentinien und war klarer Favorit. Einfach wurde es für die Südamerikaner dennoch nicht: Lothar Matthäus hatte Mittelfeld-Star Diego Maradona weitgehend im Griff. 60 Minuten waren gespielt, es stand 2:0 für Argentinien, doch Deutschland gab nicht auf: Innerhalb von acht Minuten glich die DFB-Elf den Rückstand nach Toren von Karl-Heinz Rummenigge und Rudi Völler aus. Nach einer Fehlerkette in der DFB-Elf traf Jorge Burruchaga aber auf Pass von Maradona in der 83. Minute zum 3:2 für Argentinien – das Spiel war entschieden.