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Die "Roten Teufel" im Fußball-Himmel

1990/91 - Feldkamp gelingt Überraschungscoup

Die "Roten Teufel" im Fußball-Himmel

Anführer und Torjäger: Kaiserslauterns Kapitän Stefan Kuntz mit der Meisterschale.

Anführer und Torjäger: Kaiserslauterns Kapitän Stefan Kuntz mit der Meisterschale. imago

Kampfkraft, Willensstärke, Leidenschaft. Diese Qualitäten zeichneten den Überraschungsmeister aus. Die damit verbundenen Attribute warfen die Lauterer mit großer Beständigkeit in die Waagschale: Bereits zum Auftakt wurden sie hierfür durch ein 3:1 beim Hamburger SV belohnt. Lange Zeit profitierte der FCK davon, dass die Liga-Platzhirsche ihn als unbequemen Gegner, nicht aber als Meisterschaftsanwärter wahrnahmen.

Als die Konkurrenz - allen voran der FC Bayern - aufwachte, war es eigentlich schon zu spät. Die Chance, die Pfälzer im Schlussspurt abzufangen, bot sich dennoch. Am vorletzten Spieltag hatte Lauterns Gerald Ehrmann folgenschwer gepatzt. Der Lapsus des sonst zuverlässigen Kultkeepers trug dazu bei, dass der FCK gegen Gladbach den Kürzeren zog (2:3). Der FCB, der die deutlich bessere Tordifferenz aufwies, behielt indes in Nürnberg die Oberhand (1:0). Mit einem Heimsieg gegen Uerdingen und Kölner Schützenhilfe war der dritte Münchner Titelgewinn in Folge wieder möglich.

Bundesliga - Tabelle
Pl. Verein Punkte
1
1. FC Kaiserslautern 1. FC Kaiserslautern
48
2
Bayern München Bayern München
45
3
Werder Bremen Werder Bremen
42

Doch die "Roten Teufel" meldeten sich am letzten Spieltag eindrucksvoll zurück. Während pomadige Bayern gegen die Krefelder nicht über ein 2:2 hinauskamen, begeisterten die Erben von Fritz Walter in Köln mit couragiertem Offensivfußball. Der 6:2-Erfolg, zu dem Marco Haber und Bernhard Winkler je zwei Treffer beisteuerten, machte die dritte Meisterschaft nach 1951 und 1953 perfekt. Nach dem Schlusspfiff holten rund 30.000 FCK-Fans das nach, was ihnen am Samstag zuvor auf dem Betzenberg noch versagt geblieben war: Sie stürmten den Platz und feierten ihre Helden ausgelassen.

"Rote Teufel" ganz oben - FCB geht leer aus

Auf dem Zettel hatte die Pfälzer keiner gehabt. In der Vorsaison hatten sie den Abstieg nur knapp vermieden - mit viel Glück und Trainerfuchs Karl-Heinz Feldkamp, der im Februar 1990 nach Kaiserslautern zurückgekehrt war. Nun grüßte der FCK von der Tabellenspitze. Als einen Grund dafür hat Axel Roos den Pokaltriumph 1990 gegen Bremen ausgemacht: "Der Kopf spielte fortan eine große Rolle. Durch dieses 3:2 wuchs der Glaube, Großes schaffen zu können. Wir waren viel konzentrierter, auch weil wir uns eine erneute Zittersaison unter allen Umständen ersparen wollten", erklärte Roos, auch 1998 beim nächsten Lauterer Titel-Coup dabei, im kicker-Interview.

Stefan Kuntz wird Fußballer des Jahres

Angespornt von Motivationskünstler Feldkamp trotzte das Team, aus dem einzig Miroslav Kadlec spielerisch herausragte, einer Vielzahl verletzungsbedingter Ausfälle. Auch in der Liga reihte es nun Erfolg an Erfolg. Besonders zuhause überzeugten die "Roten Teufel" mit nassforschen Auftritten und Fußball mit Herz. Lediglich Gladbach schnappte sich auf dem Betzenberg die volle Punktausbeute. FCK-Kapitän Stefan Kuntz fungierte als Anführer und Torjäger (elf Tore) und wurde dafür als Fußballer des Jahres geehrt.

Der Torschützenkönig

Die 21 Treffer, die Roland Wohlfarth in dieser Spielzeit markierte, bedeuteten Platz eins in der Torschützenliste. Bereits 1989/90 hatte der Angreifer, der sich Jahr für Jahr als zielsicherster Bayern-Stürmer behauptete, ganz oben in dieser Wertung rangiert. Hatte Wohlfahrt damals die Auszeichnung noch mit Thomas Allofs (1. FC Köln, 17 Tore) teilen müssen, firmierte er nun als alleiniger Titelträger.

Furtoks Schlussspurt bleib unbelohnt

Die Entscheidung fiel gleichwohl knapp. Hamburgs Jan Furtok hatte auf den letzten Metern gehörig Fahrt aufgenommen, in den letzten neun Liga-Partien insgesamt 15 Mal (!) geknipst. Da dem Polen am letzten Spieltag aber "nur" zwei Treffer glückten, hatte der FCB-Goalgetter mit einem Tor Vorsprung die Nase vorn. Weltmeister Andreas Möller (Eintracht Frankfurt, 16 Tore) reihte sich auf Platz drei ein.

Was sonst noch geschah

Während die "Roten Teufel" im Fußball-Himmel schwebten, standen die Bayern mit leeren Händen da. Pleiten, Pech und Pannen zogen sich aus Perspektive des selbsternannten Drei-Titel-Anwärters über die komplette Saison. Im Pokal-Wettbewerb verabschiedete sich der FCB in Runde eins, nach einem 0:1 beim baden-württembergischen Oberligisten FV Weinheim. Mit dem anvisierten Europapokalsieg klappte es ebenso nicht. Am hohen Anspruch gemessen, war es wenig verwunderlich, dass das erfolgsverwöhnte Münchner Publikum die Startruppe am letzten Spieltag mit Pfiffen aus dem Olympiastadion verabschiedete. Ebenfalls unzufrieden war man in Leverkusen. Trotz vielversprechendem Fachpersonal aus der DDR (Kirsten, Thom) belegten die Rheinländer nur Rang acht.

Ein positives Fazit zog man derweil in Bremen. In der Liga landete Werder in der Endabrechnung auf Platz drei. Im DFB-Pokal-Finale setzten die Rehhagel-Schützlinge nach einem Elfmeterkrimi gegen den 1. FC Köln noch einen drauf. Der Rivale aus der größeren Hansestadt löste ebenfalls das Ticket für einen kontinentalen Vereinswettbewerb. Als Fünftplatzierter durfte der HSV ebenso am UEFA-Cup teilnehmen wie der VfB Stuttgart, der die Saison einen Rang dahinter abgeschlossen hatte. Erneut europäisch konnte sich auch Eintracht Frankfurt betätigen. Im Vorjahr Dritter, nun Vierter - die sportliche Bilanz bei den Hessen stimmte. Außerhalb des Platzes hatte die SGE jedoch an ihrem Image als "Skandalnudel" der Liga gearbeitet - Abmahnungen, Geldstrafen, Entlassungen inklusive.

Nürnbergs "Wattenscheid-Flitzer" Jörg Dittwar

Ebenfalls turbulent war es beim 1. FC Nürnberg zugegangen. Unter dem Gespann Arie Haan/Willi Entenmann gab es für den FCN am 34. Spieltag jedoch ein Happy End. Während der FC. St. Pauli in Dortmund mit 2:5 unter die Räder geriet, in die Relegation musste und in dieser den Stuttgarter Kickers im entscheidenden dritten Spiel unterlag, ersparten sich die Franken die Strapazen des vor 2009 letztmals ausgetragenen Klassenkampfes. Besonders kurios beim 1:0 in der Wattenscheider Lohrheide waren die Begleitumstände: Die mitgereisten Club-Fans, die sich in der Schlussphase am Spielfeldrand gedrängelt hatten, mussten - nachdem sie noch vor dem Abpfiff den Platz gestürmt und die FCN-Akteure ausgezogen hatten - ihre eigenen Trikots und Schuhe abgeben, damit die Partie zu Ende gespielt werden konnte. Nachdem die Begegnung wenig später wirklich vorbei war, sollte für "Wattenscheid-Flitzer" Jörg Dittwar dennoch kein Kleidungsstück übrigbleiben.

Für Hertha BSC war der einjährige Kurzaufenthalt in Deutschlands höchster Spielklasse äußerst unerquicklich. Trotz vier Trainern (Fuchs, Csernai, Neururer, Heine) schaffte die "Alte Dame" nur magere 14 Punkte und musste als Tabellenletzer, von Bayer Uerdingen begleitet, das Oberhaus wieder verlassen.