3. Liga

Pakt mit unabsehbaren Folgen

Rostock: Südtribüne für Ultras wieder offen

Pakt mit unabsehbaren Folgen

Fangruppierung mit Problempotenzial: Die Ultras von Hansa Rostock stehen immer wieder in der Kritik.

Fangruppierung mit Problempotenzial: Die Ultras von Hansa Rostock stehen immer wieder in der Kritik. imago

Lange waren sie in Rostock stolz auf ihr "Schmuckkäst­chen", das knapp 30 000 Zu­schauer fassende Ostseestadi­on, das mittlerweile DKB-Arena heißt. Hansa hat den Bau kurz nach der Jahrtausendwende aus eigener Kraft gestemmt; wie auch die moderne Geschäftsstelle, das Nachwuchsinternat und die Trainingsanlagen. Es ist die Infra­struktur eines Erstligisten, sie sollte den damaligen Bundesliga­verein auf Dauer wettbewerbsfä­hig machen. Die Branche blickte anerkennend nach Mecklenburg-Vorpommern: Hansa war der Vorzeigeverein des Ostens.

"Unsere Infrastruktur ist für uns wie ein Klotz am Bein", sagt Thomas Abrokat heute, knapp vier Jahre nach dem letzten Ab­stieg aus der Eliteliga: "Sie ist für einen Drittligisten eigentlich nicht bezahlbar, das ist unser Dilemma." Von seiner erfolgreichen Vergangenheit zehre der Verein noch immer, erklärt der neue Aufsichtsratsvorsitzende: "Wir leben von der Substanz. Wir le­ben über unsere Verhältnisse." Der 40-jährige Banker wurde Ende November zum Chef des Kontrollgremiums gewählt. Seit­dem ist er der starke Mann in Rostock, bei ihm laufen alle Fä­den zusammen – und er steht vor einem gewaltigen Berg massiver Probleme: Sportlich ist Hansa als Tabellenzehnter weit hinter den eigenen Zielen zurückgeblieben, es gibt große Probleme mit den Fans, ein neuer Vorstandschef ist nach der Demission von Bernd Hofmann noch nicht gefunden – und über allem schwebt das Damoklesschwert der Insolvenz.

"Ich bin nicht so blauäugig."

Thomas Abrokat

Die Rückrunde der laufenden Spielzeit sei gesichert, sagt Ab­rokat: "Aber es wird eine große Herausforderung, die nächs­te Saison zu gestalten. Weil es nicht damit getan ist, dass wir die Lizenz beantragen. Wir müssen strategische Weichen stellen." Im Mai war die Zahlungsunfähigkeit nur durch einen umfangreichen Forderungsverzicht der Gläubi­ger abgewendet worden.

Ganz oben auf Abrokats Agen­da steht die Lösung des Fan-Problems, zumindest bei den Heimspielen. Nach schweren Ausschreitungen beim Zweitli­gaduell gegen St. Pauli hatte der Klub Ende 2011 die Hintertortri­büne geschlossen, auf der sich bis dahin die Ultras versammel­ten. Seitdem wanderte die "aktive Fanszene" in den Heimspielen von Block zu Block und habe da­mit andere Zuschauer vom Sta­dionbesuch abgehalten, urteilt der Aufsichtsratschef: "Wir sind deutlich hinter dem kalkulierten Schnitt zurückgeblieben. Uns fehlen 300 000 bis 400 000 Euro in der Kasse. Wenn wir dieses Pro­blem aussitzen würden, würden wir in eine sehr kritische Situati­on kommen."

Hansa Rostock Fans

Unterstützung ja, Randale nein: Die Ultras von Hansa Rostock dürfen wieder auf die Hintertortribüne. imago

Abrokats Kon­sequenz ist heftig umstritten: Gut eine Woche vor dem Heimspiel gegen Preußen Münster am kom­menden Samstag verkündete er die von den Ultras seit einem Jahr vehement geforderte Wie­dereröffnung der Hintertortri­büne. Einzige Gegenleistung der Problemfans: Sie mussten mit Hansa einen Vertrag schließen, der sie zur Einhaltung der Sta­dionordnung verpflichtet. Ein Pakt mit unabsehbaren Folgen, vor Jahresfrist war ein ähnliches Abkommen noch krachend ge­scheitert. "Ich bin nicht so blau­äugig zu glauben, dass wir jetzt keine Vorfälle mehr haben wer­den. Aber es werden weniger sein", sagt Abrokat und verweist auf den "breiten Konsens" aller an dieser Entscheidung beteiligten Gruppierungen und Ins­titutionen. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) nickte die Wiedereröffnung der Südtribüne ab, hält das aber für einen "ge­wagten Schritt".

Während Abrokat das Problem der Stadionstruktur für "gelöst" hält, bleibt das Führungsvakuum bei Hansa vorerst bestehen: Noch immer ist offen, wer die Nachfol­ge von Hofmann als Vorstands­chef antreten soll. "Eine Lösung soll bis Februar gefunden sein", sagt Abrokat. Im sportlichen Be­reich ist Hansa schon ein gutes Stück weiter. Seit dem 1. Januar trägt dort Uwe Vester (41), der zuletzt im Scouting bei Schalke 04 tätig war, die Verantwortung. Er will aus Hansa "einen jungen, dynamischen Ausbildungsver­ein" machen und ist die ersten Schritte auf diesem Weg bereits gegangen. Mit Philipp Klement (Nürnberg), Maurice Trapp (Uni­on Berlin) und Tommy Grupe (Preußen Münster) hat Vester drei Talente neu an Bord geholt; ein oder zwei weitere Spieler für die Offensive sollen folgen. Ob das ausreicht, um die in der Liga seit fünf Spielen sieglosen Ros­tocker aus der sportlichen Krise zu führen, muss sich erst noch zeigen.

Sönke Fröbe