2. Bundesliga

"Mal ausscheren ist okay"

Köln: Interview mit dem neuen Trainer Peter Stöger

"Mal ausscheren ist okay"

Neuer Hoffnungsträger beim "Effzeh": Peter Stöger.

Neuer Hoffnungsträger beim "Effzeh": Peter Stöger. imago

Herr Stöger, in Wien haben Sie 12 000 Euro brutto im Monat verdient, für Ihre Freigabe bei Ihrem Wechsel zur Austria auf 70 000 Euro verzichtet und jetzt wieder etwas von Ihrem Gehalt abgezwackt, weil der FC eine Ablöse zahlen musste. Ist Ihnen Geld nicht wichtig oder verkaufen Sie sich schlecht?

Peter Stöger: Es waren für mich immer Entwicklungsschritte. Wenn ich die Chance bekomme, muss ich halt auch etwas dazu beitragen, wenn es nötig ist. Es geht mir ja relativ gut, auch wenn wir darüber lachen, was ein Trainer eines Meisterteams in Österreich verdient. Ich bin bodenständig. Es reicht mir, zweimal am Tag warm essen zu können. Mögen andere meinen, dass ich mich zu billig verkaufe. Aber ich habe keine Sekunde darüber nachgedacht, ob das nicht okay ist.

Warum nicht?

Stöger: Die Chance hier ist so interessant. Ich bin vor sieben Jahren von Austria mit dem Double als Sportdirektor weg gegangen und bin wiedergekommen und nach dieser Zeit gab es wieder mal eine Meisterschaft, wir haben die Chance in der Champions-League-Quali - das habe ich alles liegen gelassen. Damit ist alles darüber gesagt, wie wichtig mir diese Aufgabe ist.

Trainersteckbrief Stöger
Stöger

Stöger Peter

1. FC Köln - Vereinsdaten
1. FC Köln

Gründungsdatum

13.02.1948

Vereinsfarben

Rot-Weiß

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Gab es Warner vor Köln?

Stöger: Eigentlich nicht. Jeder hat gesagt, dass es ein heißes Pflaster ist. Das ist logisch, weil sich viele für den FC begeistern. Da sind die Medien, die hohe Erwartungshaltung, da kann es unangenehmer werden als woanders. Aber das zeichnet so einen Klub auch aus, macht die Aufgabe auch interessant.

Es heißt, der FC müsste massiv abspecken, wenn der Aufstieg jetzt nicht gelingt. Belastet das?

Stöger: Es wurde ausgegeben, dass der Aufstieg das Ziel ist, aber kein Muss. Damit nicht jeder in Köln nervös wird, wenn es nicht gleich so läuft, aber auch, damit klar ist: Es gibt keinen wirtschaftlichen Zusammenbruch, wenn es nicht klappt. Aber ich habe kein Problem damit, zu sagen, dass es mein Ziel ist, den FC raufzubringen. Natürlich will man als Trainer etwas entwickeln, aber ich weiß, dass das ein Job ist, der von Woche zu Woche bewertet wird.

"Meine Aufgabe ist es, die Ich-AGs unterzubringen"

Mit Austria Wien waren Sie vergangene Saison kein Favorit und haben Red Bull Salzburg distanziert. Wie führen Sie eine Mannschaft dazu, mehr zu leisten?

Stöger: Ich habe Verständnis dafür, dass jeder für sich weiterkommen möchte, in gewissen Phasen ein gesunder Egoismus vorhanden sein muss, aber es muss sich alles in einem Rahmen um die Mannschaft drehen. Mal ausscheren ist okay, immer wieder ausscheren geht nicht. Es muss jedem bewusst sein: Jeder hebt seinen Marktwert, wenn es gelingt, dass der FC aufsteigt. Meine Aufgabe ist es, die Ich-AGs in einer Mannschaft unterzubringen.

Wie sieht Ihr Fußball aus?

Stöger: Ich möchte immer viele Spieler ins Offensivspiel reinbringen. Das muss nicht, kann aber so sein, wie es bei Austria Wien war, mit einer zentralen Spitze und zwei hängenden Spitzen und zwei offensiven Spielern dahinter. Wir werden versuchen, ob es möglich ist, mit einer Sechs zu spielen. Die Außenverteidiger müssen sich am Offensivspiel beteiligen. Es wird viel über außen gehen, viel in die Tiefe gespielt. Wenig Ballkontakte. Wir werden hier ähnlich wie bei Austria oft auf Gegner treffen, die kompakt stehen. Da muss es Lösungen geben.

Stöger im Training am Geißbockheim

Stöger im Training am Geißbockheim. imago

Sie lassen 4-3-3 spielen und Dominanz-Fußball - Dinge, die nicht der Trend sind. Warum?

Stöger: Ich sage jetzt nicht, ich entwickele einen neuen Trend, aber ich hätte es gerne, dass wir so spielen. Wir werden das Spiel breit machen. Ich sehe viele Spiele, in denen die Mannschaften in Ballbesitz das Spiel eng machen, um bei Ballverlust gleich auf Gegenpressing schalten zu können. Ich gehe jedoch davon aus, dass wir in vielen Spielen länger Ballbesitz haben, dass wir defensive Gegner knacken müssen - da will ich die Räume nicht eng machen. Aber ich sage nicht, dass ich gescheiter bin als die anderen. Wir versuchen, eine Idee umzusetzen, und hoffen, sie greift.

Es gibt hier öffentlich vorbelastete Spieler. Wie ist Ihr Ansatz?

Stöger: Matthias Lehmann war mein erster Gesprächspartner. Weil ich über die Medien mitgekriegt habe, wir sehr ihm nachhängt, dass er von Stani geholt wurde. Ich habe ihm gesagt, ich kenne ihn, er könnte für mich ein wichtiger Spieler sein. Wenn ihn diese Situation belastet hat, kann er jetzt damit arbeiten, dass er keinen Bonus hat. Wenn er Leistung bringt, werde ich zu ihm stehen. Dann werden auch das Publikum und die Medien erkennen: Vielleicht hat er doch Qualität. Es war ein gutes Gespräch.

Holger Stanislawski hat Aufstellung und System erst eineinhalb Stunden vorm Spiel bekannt gegeben. Wie halten Sie es?

Stöger: Es kann sein, dass wir es anders machen, als wir es voriges Jahr gemacht haben. Da wussten wir fix: Das ist unser System und unsere Spielanlage. Auch meine Spieler haben bis eineinhalb Stunden vor dem Spiel nicht gewusst, wer spielt.

Aber das System war klar.

Stöger: Das war klar. Wir haben im Abschlusstraining Standards mit allen möglichen Spielern durchtrainiert, so dass jeder davon ausgehen musste, er könnte zum Einsatz kommen. Ich weiß nicht, ob das der richtige Weg ist. Es ist okay, wenn man die Spannung hoch halten kann. Und mit ein Grund ist: Wenn ich schon am Abend vorher sage, wer spielt, ist die Gefahr relativ groß, dass einer postet: Mist, ich bin wieder nicht dabei. Ich kann die Spieler verstehen, wenn sie enttäuscht sind, aber das gibt auch Informationen für den Gegner. Das kann man so abfangen.

"Der coole Hund? Es wird nicht leicht werden"

Haben Sie sich schon mal überlegt, wie es sein wird, vor über 40 000 ins Kölner Stadion zu kommen? Sie haben viel erlebt ...

Stöger: ... aber so etwas noch nicht. Ich hatte noch nie das Vergnügen. Ich habe auf Youtube gesehen, was da abgeht. Ich habe mich gefragt: Gibt es eine Möglichkeit, mich darauf vorzubereiten? Ich habe noch keine Idee gefunden, um sagen zu können: Jetzt bin ich einigermaßen darauf vorbereitet, der coole Hund beim Rausgehen zu sein. Es wird nicht leicht werden. Aber ich hoffe auch, dass ich immer sagen kann: Ich habe mich nicht daran gewöhnt. Ich möchte das ja auch genießen. Das ist auch mit ein Grund dafür, dass die Aufgabe so reizvoll ist.

Haben Sie schon eine Wohnung gefunden?

St&#246;ger: Ich habe 30 Wohnungen gesehen. Wir werden eine nehmen, die in Fertigstellung ist. Aber das dauert bis September. Ja, ja, der eine oder andere hat nat&#252;rlich gefragt: September ...? (<i>lacht</i>)

Interview: Frank Lußem, Stephan von Nocks