Formel 1

Alles Ferrari oder was?

Noch fünf Tage bis zum Saisonstart

Alles Ferrari oder was?

Kimi Räikkönen

Feuerrotes Spielmobil: Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen ist erneut großer WM-Favorit. dpa

Geht das ewige Duell zwischen Ferrari und McLaren-Mercedes in die nächste Runde? Oder wird die Formel-1-Saison 2008 zur Soloshow der Italiener, gerade wie zu den größten Schumi-Zeiten? Behält FIA-Präsident Max Mosley (67) recht? Er prophezeit im Formel-1-Sonderheft des kicker: "Dieses Jahr können nicht mehr nur zwei, sondern fünf Teams mindestens je ein Rennen gewinnen!"

Wichtige Saisonbegleiter

Dies wäre in der Tat eine dramatische Vision, die Mosley da vor dem Saisonstart am 16. März in Melbourne vor Augen hat: "BMW war schon 2007 sehr nahe dran am ersten Sieg. Auch Renault mit Alonso wird wieder stark, Williams kann überraschen - für Honda ist es noch etwas zu früh. Aber wir werden, seit Ross Brawn dort dabei ist, sicher Verbesserungen sehen. Und genauso kann man Sensationen nicht ausschließen - passieren kann immer was, vor allem, wenn es regnet." Zu einer gewissen Vielfalt auf dem Podium beitragen könnte vor allem der ab sofort gültige Wegfall der Traktionskontrolle.

Alonso contra Coulthard

Dass die Starpiloten, immerhin die besten Autofahrer der Welt, ins Rutschen oder Schleudern geraten könnten, irritierte als Ersten den einstigen Vizeweltmeister und inzwischen mit 36 Jahren zum Formel-1-Senior gewordenen David Coulthard. "Das Schlimmste, was passieren kann, ist stehendes Wasser bei Höchstgeschwindigkeit", verweist der Schotte auf das Zusatzrisiko bei Regenrennen. Mosley aber gibt eher Ex-Weltmeister Fernando Alonso (26) recht: "Er hat gesagt, nach drei Rennen wird das Thema vergessen sein und dann redet kein Mensch mehr darüber."

Aber vielleicht über neue Sieger? Über den ersten spannenden Dreikampf seit 2003, als Williams, Ferrari und McLaren jeden zweiten Sonntag verbissen um den Titel fighteten? Wenn Mosleys Vorahnung eintritt, könnten die deutschen Formel-1-Fans erstmals seit der Schumi-Ära wieder Siege bejubeln.

Historische Chance für Heidfeld

Nick Heidfeld (30) wäre der erste deutsche Rennfahrer überhaupt, der mit einem deutschen Auto plus deutschem Motor einen Weltmeisterschafts-GP gewinnt - dies wäre für BMW, zumal mit dem Blick zum Stuttgarter Konkurrenten, eine wahre Sternstunde. Die Münchner Chefetage hat für 2008 einen Sieg befohlen - Motorsportdirektor Dr. Mario Theissen (55) hat die Bitte an seinen Technischen Direktor weitergeleitet.

Nick Heidfeld

Historischer Triumph? BMW-Sauber-Pilot Nick Heidfeld. dpa

Wo am ehesten könnte es gelingen? "Von der Strecke her haben wir in Montreal die größte Chance", glaubt Willy Rampf (54). Optimismus versprüht auch Dr. Theissen: "Wir haben 2007 ab dem Sommer unseren Rückstand auf Ferrari und McLaren in etwa gleich gehalten", blickt er in den Rückspiegel. "Das beweist, dass wir gut und richtig entwickelt haben." Wie auch jetzt über den Winter - nach allerdings mühsamem Beginn und einiger Kritik von Nick Heidfeld. "Wir haben uns seit dem Roll-out in Valencia enorm gesteigert", räumt er nun ein, "aber es war für uns Piloten schon lange nicht mehr so schwierig, sich eine Meinung über die wahren Kräfteverhältnisse in der Formel 1 zu bilden. Die Testergebnisse der großen Teams waren dazu einfach zu unterschiedlich." Riecht das also doch nach lediglich einem Zweikampf? Am verrücktesten jedenfalls wäre, wenn sich Nico Rosberg (22) in die Ehrentafel mit Graham und Damon Hill sowie Gilles und Jacques Villeneuve einreihen könnte: als Grand-Prix-Sieger aus ein und derselben Familie, wie der Vater, so der Sohn.

Räikkönen aus Ascaris Spuren?

Realistischer freilich scheint vorläufig, dass andere Geschichte schreiben: Lewis Hamilton (23) etwa als erster McLaren-Mercedes-Weltmeister in diesem Jahrhundert, als erster Farbiger und immer noch jüngster Fahrer aller Zeiten. Oder Kimi Räikkönen als einer der wenigen Ferrari-Doppelweltmeister?

"Wenn ich mir die Ferrari auf der Strecke anschaue, ist das deprimierend für uns"

Jarno Trulli, Toyota-Pilot

Vom Abonnementschampion Schumacher abgesehen, hatte Ferrari in 56 Jahren nur zwei Zweifach-Weltmeister: Alberto Ascari (1952, 1953) und Niki Lauda (1975, 1977). Alle anderen holten nur je einen Titel nach Maranello, inklusive des großen Juan Manuel Fangio (gest. 1995). Der jedoch hält noch heute einen Rekord, den er 1954 und 1957 mit Maserati aufstellte: Er ist der einzige Weltmeister, der sein Team verließ (zu Mercedes), zurückkam und nochmals den Titel gewann.

Briatores frühes Liebeswerben

Fernando Alonso

Das Aufleben der alten Liebe? Renault-Rückkehrer Fernando Alonso. dpa

Nicht weniger als das ist die große Herausforderung für Fer- nando Alonso! "Adios, amigo", hätte man in Stuttgart am liebsten schon im Sommer dem ungeliebten Spanier zugerufen. Jetzt aber heißt der Text zum neuen Hit: "Love is wonderful the second time around." Auch wenn die Worte über eine aufgewärmte Beziehung keinem französischen Chanson entstammen, treffen sie dennoch auf die Kombination aus Alonso und Re­nault zu. Vorwärts in die Vergangenheit? Zurück in die Zukunft? Teamchef Flavio Briatore (58) verrät dem kicker, wann er erstmals mit Alonso über sein Renault-Comeback gesprochen hat. Keineswegs erst nach dem Riesenwirbel von Budapest im August oder den FIA-Urteilen im Spionageprozess im September: "Nein - das war schon beim ersten Grand Prix des Jahres in Melbourne, im Hotel - und sogar noch vor dem Rennen!"

Jetzt genießt Alonso wieder Renault-Atmosphäre, "als wäre ich nie weg gewesen". Briatore findet sogar: "Er ist wieder glücklich und sogar noch motivierter als früher."

Die unverzeihlichen Pfiffe und rassistischen Schmährufe gegen Lewis Hamilton bei den Testfahrten in Barcelona sind zwar verklungen - aber sie gellten Hamilton noch in den Ohren, als er bei einem Besuch der Karibikinsel Grenada, von der seine Großeltern stammen, als "Ambassador" ausgezeichnet wurde. "Die ganze Insel liebt dich und ist stolz auf dich!", stand dort auf Plakaten zu lesen. Der farbige Lewis und der von Renault zu McLaren-Mercedes gestoßene Finne Heikki Kovalainen sind möglicherweise nicht Feuer und Eis, aber allemal ein toller Mix.

"Winter-Weltmeister" Ferrari

Ferrari setzt auch 2008 auf sein bewährtes Rezept der Kontinuität und ist das einzige Spitzenteam, das sein Fahrerduo nicht verändert hat. Wird sích Weltmeister Kimi Räikkönen für Felipes Massas Schützenhilfe 2007 bedanken? Und gilt auch in dieser Saison die Jahrzehnte andauernde Tradition, dass Ferrari nach jeder größeren Reglementsänderung mit den neuen Regeln besser und schneller zurechtkommt als die Konkurrenz? Der "Winter-Weltmeister" heißt jedenfalls - wie fast jedes Jahr - Ferrari.

Die teils reformierte Scuderia hatte sich zum wichtigsten Test auf der Wüstenrennstrecke Bahrain versteckt, zusammen mit Toyota. Dabei zeigte sich Toyota-Konkurrent Jarno Trulli von Ferraris "neuer Göttin", dem F2008, tief beeindruckt: "Ich habe Räikkönen und Massa genau beobachtet. Wenn ich mir die Ferrari auf der Strecke anschaue, ist das deprimierend für uns. Kimi und Felipe können bremsen, wann sie wollen, aber sie können noch dazu so früh aufs Gas steigen, wie sie wollen. Ich muss da immer sehr aufpassen, seit wir keine Traktionskontrolle mehr haben."

Trulli ist - wie so viele - "überzeugt, dass Ferrari die ersten Rennen dominieren wird", wenn sich in den letzten Tagen vor dem Auftakt nichts Dramatisches mehr geändert hat. Die Ferrari waren nicht selten eine halbe Sekunde pro Runde schneller als McLaren.

Heinz Prüller