Formel 1

Großer Preis von Deutschland in Hockenheim: Sebastian Vettel jetzt auf Augenhöhe mit Lewis Hamilton

Spannende Formel-1-Zahlen vor Hockenheim

Vettel jetzt auf Augenhöhe mit Hamilton

Wer hat am Ende die Nase vorne? Sebastian Vettel oder Lewis Hamilton?

Wer hat am Ende die Nase vorne? Sebastian Vettel oder Lewis Hamilton? imago

Die Antwort darauf ist ein klares Jein. Fast vergessen ist bei den zahlreichen Jublern offenbar, dass Vettel auch vor einem Jahr nach zehn Rennen die WM vor Hamilton anführte. Zwar nur mit einem Punkt (177:176), aber immerhin. All jene, die sich jetzt über mehr Spannung freuen, haben da wohl noch zu stark im Gedächtnis, wie konsequent Hamilton mit Vettel im zweiten Jahresabschnitt kurzen Prozess machte und ihn am Ende noch deutlich abhängte (363:317).

Inzwischen aber spricht einiges dafür, dass sich das zumindest so in diesem Jahr nicht wiederholen wird. Vettel agiert jetzt im deutlich besser gewordenen Ferrari auf Augenhöhe, teilweise sogar schon mit leichten Vorteilen. Er ist der einzige Fahrer im Feld, der in jedem Rennen ins Ziel kam und dabei auch noch immer punktete. Dass sich die Kräfteverhältnisse zwischen Rot und Silber verschoben haben, verraten folgende Zahlen: Nach zehn Rennen 2017 hatte Hamilton vier Siege auf dem Konto, Vettel drei. In diesem Jahr ist es umgekehrt.

Strafen? Kein Problem für Vettel und Hamilton

Nahezu unentschieden steht es zwischen beiden hinsichtlich der gegen sie verhängten Startplatzstrafen. Hamilton musste bereits beim zweiten Saisonrennen in Bahrain wegen eines ausgewechselten Getriebes um fünf Plätze zurück. Vettel erwischte es mit drei Plätzen Strafversetzung für sein Behindern von Carlos Sainz jr. während des Qualifyings zum Österreich-GP. In letzter Konsequenz, dies ist die Folge der gigantischen Überlegenheit von Ferrari und Mercedes, tun Fahrern wie Vettel und Hamilton derlei Strafen kaum weh. Beide sind stark genug, um von ganz hinten schnell wieder nach vorne zu kommen. So kehrte etwa Pole-Sitter Hamilton vor zehn Tagen beim Heimrennen in Silverstone nach seiner Startkollision mit Kimi Räikkönen als Siebzehnter aus der ersten Runde zurück, wurde aber am Ende Zweiter. Vettel gelang beim Frankreich-GP in Le Castellet nach seiner Startkollision mit Valtteri Bottas und lediglich Rang 17 zum Start der 2. Rennrunde immerhin noch ein einigermaßen versöhnlicher 5. Platz, trotz einer zusätzlichen 5-Sekunden-Strafe.

Purer Speed: Ferrari ist dran

Aufgeholt hat Ferrari gegenüber Mercedes auch in Sachen purer Speed. So realisierte Sebastian Vettel auf der Silverstone-Strecke die Rennrunde mit dem höchsten gefahrenen Durchschnitt in diesem Jahr: 233,831 km/h. Zu einem neuen Streckenrekord reichte es nicht ganz. Der purzelte dafür in Spanien, Monaco, Frankreich (nach langer Pause zurück im Kalender) und Österreich.

Zu wenig Überholmanöver

Obwohl in diesem Jahr öfter überholt wird als 2017 (281-mal nach zehn Rennen im Vergleich zu 200 im Jahr 2017 zum selben Zeitpunkt), herrscht gefühlt noch immer ein Mangel an dem, was dem Rennsport erst den Reiz gibt: den Kämpfen Eins gegen Eins mit Überholversuchen und am Ende auch gelungenen Ausführungen. Was im Mittelfeld alles passiert - vor allem Nico Hülkenberg, Fernando Alonso und Charles Leclerc tun sich da hervor -, wird von den TV-Kameras zu selten erfasst. Da Überrundungen in diesem Zusammenhang nicht mitgezählt werden, überholen die bestplatzierten Fahrer naturgemäß am seltensten - es ist ja kaum jemand da zum Überholen. Nur in absoluten Ausnahmefällen kommt es einmal zu Kämpfen um Platz 1. In diesem Jahr ereigneten sich in zehn Rennen lediglich zwei geglückte Überholvorgänge, an deren Ende der bis dahin Führende den Angreifer und späteren Sieger ziehen lassen musste. Die Glücklichen hießen Vettel (Großbritannien) und Daniel Ricciardo (China).

Top sechs: 29 von 30 Podestplätzen

Das Opfer hingegen war zweimal dasselbe: Valtteri Bottas. Der Finne ist, zumindest legt die Statistik dies nahe, der Schwächste und Unglücklichste unter den sechs Top-Fahrern im Feld. Auf sein Konto geht die knappste Niederlage des Jahres (0,699 Sekunden auf Vettel in Bahrain) wie auch die klarste (20,593 auf Teamkollege Hamilton beim Spanien-GP). Nach wie vor ist die Nummer 2 bei Mercedes noch ohne Sieg in diesem Jahr (wie auch Landsmann Kimi Räikkönen, die Nummer 2 bei Ferrari), während alle anderen Spitzenpiloten (Hamilton, Vettel, Ricciardo, Max Verstappen) schon den Sprung auf die oberste Stufe geschafft haben. Kein Fahrer eines anderen Teams kam in Siegnähe, von den bisher 30 Podestplätzen in zehn Rennen schnappten sich die Top-6-Fahrer glatt 29. Allein Force-India-Pilot Sergio Perez sticht mit Platz 3 in Aserbaidschan heraus. Interessanter Vergleich: Wer Perez' Namen gegen den von Lance Stroll austauscht, kennt auch das Ergebnis von 2017 nach zehn Rennen. Oder anders ausgedrückt: Die Großen lassen den Kleinen so gut wie nichts übrig.

Gleichstand beim Qualifying

Immerhin teilen sie es untereinander ein wenig anders auf, sehr zur Freude von Sebastian Vettel. Sein Team hat die notorische Schwäche im Qualifying zum großen Teil abgelegt. Nach zehn Rennen 2017 hatte Hamilton bereits sechs Pole-Positionen, Vettel hingegen nur eine. In diesem Jahr liegen beide mit je vier Pole-Positionen gleichauf, die restlichen zwei gingen an Ricciardo und Bottas.

Führungsrunden: Vettel klar vor Hamilton

Dass Führungsrunden nicht unbedingt den WM-Stand widerspiegeln, haben die letzten beiden Jahre unterstrichen: Vettel beendete im bisherigen Verlauf der Saison 245 Runden auf Rang 1, Verfolger Hamilton nur 161 Runden, eine deutliche Differenz. Auch hier der Vergleich zum selben Vorjahreszeitpunkt: Da lag Hamilton mit 272 Führungsrunden klar vor Vettel (160), beklagte in der WM aber, wie bereits erwähnt, den Rückstand von einem Zähler.

Im Blickpunkt: Vettel (#5), Hamilton (#44) und Räikkönen (#7).

Im Blickpunkt: Vettel (#5), Hamilton (#44) und Räikkönen (#7). imago

Ein echtes Schnäppchen ist es da, wenn man, wie Hamilton in Aserbaidschan, drei Runden vor dem Ende vom Ausfall des Teamkollegen profitiert, die Führung übernimmt und den Sieg fast geschenkt bekommt. Vettel hingegen konnte seine 30 Führungsrunden in diesem Rennen lediglich in einen 4. Platz am Ende verwandeln. Führungsrunden sagen also eher etwas über die pure Stärke des Autos aus, nicht so sehr über die Resultate an sich. Die in diesem Jahr absolvierten 610 Rennrunden bestritten ausnahmslos die sechs Fahrer von Ferrari (252), Mercedes (214) und Red Bull (144) an der Spitze.

Aussichtsloser Kampf

Und noch eine Statistik, die den aussichtslosen Kampf der abgehängten Sieben (Renault, Haas, Force India, McLaren, Toro Rosso, Sauber und Williams) untermauert. In nicht einem einzigen Rennen des Jahres kamen alle gewerteten Autos in derselben Runde ins Ziel. Es wird überrundet, was das Zeug hält. Den Negativrekord in dieser Hinsicht markierte der Österreich-Grand-Prix: Zwölf Fahrer wiesen am Ende eine oder mehrere Runden Rückstand auf das Trio Verstappen-Räikkönen-Vettel auf, gleich sieben von ihnen erhielten dafür noch WM-Punkte.

319,356 km Safety-Car

Zu guter Letzt auch das noch: Etwas mehr als ein kompletter Grand Prix (exakt: 319,356 km) hat quasi gar nicht stattgefunden, jener hinter dem Safety-Car beziehungsweise unter den Bedingungen des virtuellen Safety-Cars (VSC). Keines der zehn Rennen bisher kam ohne dieses Mittel der Rennleitung aus, verhängt zumeist nach Unfällen, um die Aufräumarbeiten durch die Streckenmarshalls nicht zu gefährden. 19 Runden lang (92,512 km) hielt sich das Feld an die VSC-Geschwindigkeitsvorgaben, 41 Runden lang (226,844 km) hieß der Rennführende Bernd Mayländer. Der 47-Jährige, der seit 18 Jahren das Safety-Car fährt, sitzt hinterm Lenkrad des silberfarbenen Führungsautos mit dem Stern auf der Haube, einem Mercedes AMG GT R mit 585 PS. In ihm käme Mayländer in der Wertung der Führungsrunden hinter Vettel (245), Hamilton (161), Ricciardo (90), Verstappen (54) und Bottas (53) auf Rang 6 - sehr zum Leidwesen der um ihre Reifentemperaturen besorgten Fahrer ("Zu langsam, fahr schneller!") und zum Verdruss der Zuschauer, die nur eines wollen: die volle Rennaction!

Stefan Bomhard