Formel 1

Motorsport, Fernando Alonso: Le-Mans-Lust und Formel-1-Frust

Achterbahn der Gefühle

Alonso: Le-Mans-Lust und Formel-1-Frust

Triumph in Le Mans: Sebastien Buemi, Fernando Alonso und Kazuki Nakajima (v.l.).

Triumph in Le Mans: Sebastien Buemi, Fernando Alonso und Kazuki Nakajima (v.l.). Getty Images

Selbst das Jubeln musste Fernando Alonso nach seinem Triumph beim Langstrecken-Klassiker wieder neu lernen. Ein wenig geübt hatte er es zwar schon bei seinem Sieg im ersten Langstreckenrennen der Saison Anfang Mai in Spa, aber so richtig übermannt von seinen Emotionen wurde Alonso erst am Sonntag nach der Siegesfahrt auf dem legendären Circuit de la Sarthe. "Es war seltsam, über den Sieg meines Autos zu jubeln, in dem aber ein anderer saß", befand Alonso im Moment der Zieldurchfahrt. Den letzten Abschnitt bestritt sein japanischer Teamkollege Kazuki Nakajima, jener Mann, der zwei Jahre zuvor überlegen in Führung am Eingang zur letzten Runde mit einem technischen Gebrechen unter dramatischen Umständen ausgefallen war.

Alonso deutlich schneller als Lopez

Überstanden ist in diesem Moment eine harte Jagd über 24 Stunden, selbst ohne nennenswerte Konkurrenz. Die machte sich das Toyota-Team selbst, denn in beiden Autos saßen extrem siegeshungrige Fahrer. Über einen Großteil der Distanz führte das am Ende zweitplatzierte Auto mit Startnummer 8. Für Alonso machte das die Sache einfacher. Er jagte in seinen Einsätzen um den Kurs und fuhr dabei meist zur selben Zeit wie sein Teamkollege José-Maria Lopez im Schwester-Auto. Als man den freundlich auf seine "etwas langsameren Rundenzeiten" ansprach, hielt der Argentinier mit der Wahrheit nicht lange zurück: "Sehr nett, die Abstände waren in Wahrheit groß. Aber ich durfte einfach kein Risiko eingehen."

Ganz anders Alonso. Er erkannte schnell, dass man als Zweiter den Vorteil hat, alles riskieren zu können – und er tat es im Stile eines Superchampions. "Ich habe immer rasch meinen Rhythmus gefunden und konnte dort überholen, wo es strategisch günstig für mich war." Freilich dankte Alonso auch den Renngöttern, die – endlich – auch einmal den Toyota als Sieger erkoren hatten: "In solchen Rennen ist es oft so, dass du dann, wenn dir das Glück zulächelt, es auch über die ganze Distanz hast. Nur wehe, wenn sich der Teufelskreis schließt!" Das genau war Toyota über die Jahre immer wieder passiert: 19-mal waren sie seit 1985 angetreten, hatten 49 Autos ins Rennen geschickt – und am Ende immer anderen zum Sieg gratuliert.

Die Jagd nach der Triple-Crown

Für die fernere Zukunft hat Alonso mehr denn je den Plan, die "Triple Crown" zu realisieren, die erst ein Fahrer jemals erringen konnte: Graham Hill als Formel-1-Monaco-Sieger, Le-Mans-Triumphator und Indy-500-Gewinner. Wer auch immer diese drei Wettbewerbe zur Krone des Motorsports erklärt hat, er liegt nach Alonsos Ansicht völlig richtig. Gefragt jedenfalls, wie sich der Le-Mans-Sieg anfühle und welches Gewicht er habe, musste Alonso nicht lange nachdenken: "Die Leidenschaft, die ich hier erlebt habe, ist unfassbar. Dieser Sieg wiegt annähernd so schwer wie eine Formel-1-Weltmeisterschaft."

Zieldurchfahrt in Le Mans

Die Zieldurchfahrt in Le Mans. Getty Images

Und er kostet enorme Kraft. Jeder seiner drei Einsätze ging über recht genau zwei Grand-Prix-Distanzen. Mit einem spürbaren Unterschied. Alonso: "In der Formel 1 kann ich mich nach einem Grand Prix 14 Tage erholen, in Le Mans bleiben mir nach zwei Grand Prix am Stück gerade mal vier oder fünf Stunden." Der 36-Jährige steckte es weg, was sich all jene bewusst machen sollten, die ihn in der Formel 1 schon zum alten Eisen gezählt haben.

Dort, der Frankreich-Grand-Prix in Le Castellet am bevorstehenden Wochenende wird dies einmal mehr unterstreichen, kämpft Alonso im McLaren mit stumpfen Waffen. Zwar brachte der Wechsel zu Renault-Antrieben einen gewissen Fortschritt gegenüber den charakterbildenden Jahren mit schwachbrüstigen und unzuverlässigen Honda-Motörchen, Siege jedoch sind noch immer nicht drin. Vielleicht tröstet sich Alonso ja mit der überraschenden Erkenntnis, wie kurz und vergleichsweise erholsam so ein Formel-1-Rennen doch ist.

Stefan Bomhard