Eishockey

Die Spielerstadt im Play-off-Fieber: Der Wahnsinn in Vegas

"Sin City" im Eishockey-Fieber

Der Wahnsinn in Vegas

Willkommen zum Unmöglichen: Diese Zuschauerin präsentiert das Motto der Las Vegas Golden Knights.

Willkommen zum Unmöglichen: Diese Zuschauerin präsentiert das Motto der Las Vegas Golden Knights. imago

Aus Las Vegas berichtet Christian Rupp

Die Zocker-Metropole in der Wüste Nevadas ist dem Eishockey-Fieber komplett verfallen: Klub und Fans sorgen für die beste Show in der Liga. Zwischen den gigantischen Hotel-Bauten "New York New York", "Park MGM" und "Aria" steht sie, die "Festung". So nennt Vegas seine Heimspielstätte. Von außen hat die T-Mobile Arena allerdings nichts Mittelalterliches an sich: Das gold-braune Schmuckkästchen wurde erst im April 2016 fertiggestellt und ist eine der jüngsten und modernsten NHL-Spielstätten.

Schon auf dem Weg dorthin ist das Logo der Golden Knights allgegenwärtig. Der goldene Ritterhelm mit dem V-förmigen Visier ist überall in der Stadt prominent platziert: Auf zahlreichen LED-Wänden der Hotels, auf Fahnen in Geschäften und auf den zahlreichen T-Shirts, Kappen und Trikots, die die Fans schon Stunden vor Spielbeginn trotz knapp 40 Grad Außentemperatur mit Stolz durch die Stadt tragen. Als ein schwieriger Markt für Eishockey war "Sin City" in der Wüste Nevadas eingeschätzt worden - vor Ort scheint die Identifikation mit der ersten Profi-Sportmannschaft im lange verpönten Zocker-Paradies aber riesengroß zu sein.

Fanmeile, Fanmarsch und kreative Verkleidungen

Die gläsernen Pforten der "Festung" öffnen sich erst anderthalb Stunden vor dem Puck-Drop. Auf dem weitläufigem Vorplatz der Arena steigt die Party derweil schon lange: Auf einer von drei Showbühnen, die später auch zum Public Viewing genutzt wird, gibt Hip-Hop-Musiker Lil John ein kleines Konzert. Immer wieder wird die wartende Masse mit Schlachtrufen ("Go Knights Go!") eingepeitscht. Dann gehen die Türen auf. In die Arena strömen euphorische Fans mit originellen Verkleidungen. Ein Mann trägt einen selbstgebastelten goldenen Rauschebart, ein weiterer einen Ritterhelm. Eine Frau hat ein funkelndes Kleid an, das nur aus schwarz-goldenen Pailletten besteht. Die Kreativität scheint keine Grenzen zu kennen.

Die ersten Zuschauer stürmen direkt Richtung Eisfläche, um ihren Stars beim Aufwärmprogramm möglichst nahe zu sein. "Es war wunderbar. Schon beim Warmup war es voll. Mein Herz schlug von Anfang an höher, so viel steht fest", sagte Vegas-Verteidiger Shea Theodore. Ein weiteres wiederkehrendes Element ist der Fan-Marsch durch den Umlauf der Arena. Angeführt wird dieser von den beiden Maskottchen "Chance", einer Wüsten-Echse, sowie dem Goldenen Ritter, es folgt mit der "Knight Line" eine Trommlergruppe sowie einige Cheerleader. Entdeckt der Korso eine Person im gegnerischen Trikot, hallt es "Shame!" (deutsch: "Schande!") durch die Gemäuer - in Anlehnung an die TV-Serie "Game Of Thrones".

Die Unterhaltung vor der Unterhaltung

Genau dieses Mittelalter-Thema wird auch in der Arena aufgegriffen: Auf dem Event-Level oberhalb des Oberrangs wurde eine Fassade einer Ritterburg aufgebaut. Diese dient während des Spiels als Bühne. In den seitlich angebrachten Türmen sitzen der Stadion-DJ und der Orgelspieler, die für die musikalische Untermalung sorgen. Sobald die Golden Knights das Eis betreten, sei es zum Warm-up, bei Spielbeginn oder nach den Drittelpausen, dröhnt "John Wick Mode" von "La Castle Vania" aus den monströsen Lautsprecher-Magazinen und lässt die komplette Arena vibrieren. "Ich bekomme selbst jedes Mal Gänsehaut", so der DJ.

Der Auftritt der Golden Knights wird zu jeder Zeit perfekt inszeniert. Alleine die Pre-Game-Show samt Schwertkampf des Goldenen Ritters gegen die Invasoren aus Washington, ist sehenswert. "Die Lichtshow habe ich nicht gesehen, da waren wir noch in der Kabine", berichtete Stürmer Alex Tuch. "Ich habe aber gehört, dass es unglaublich war. Alle meine Freunde und auch meine Familie haben es geliebt. Es ist überragend und unterhaltsam. Es ist die Unterhaltung vor der Unterhaltung. Das ist typisch Las Vegas: einfach cool." Es folgt die Pop-Band "Imagine Dragons" mit einem Live-Auftritt. Dann wird die US-Hymne geschmettert. Und schlussendlich wird tatsächlich auch noch Eishockey gespielt.

Vollbesetzte "Festung": Das Unterhaltungsprogramm in der Heimspiel-Arena der Golden Knights läuft auf vollen Touren. imago

Über 100 Dezibel

Unterhaltung pur heißt es dann auch während des Spiels: Zum einen pflegt Vegas einen sehr unterhaltsamen, weil aggressiven, schnellen und physischen Spielstil. Zum anderen wird jede Spielunterbrechung genutzt, um das Publikum mit lustigen Video-Sequenzen oder extra engagierten Entertainern in Ekstase zu versetzten. Somit ist es permanent laut in der "Festung" - teilweise mit bis zu über 100 Dezibel. Fällt ein Knights-Stürmer in die gegnerische Zone ein, hebt es viele Fans schon aus den Sitzen. Der Torschrei ist ohrenbetäubend.

"Die Zuschauer sind laut und verrückt, das fühlen wir auch auf dem Eis", meint Tuch. "Jedes Spiel ist total verrückt", schließt sich Verteidiger Colin Miller an. Nebenmann Luca Sbisa schwärmt auch von "den lautesten Fans, die uns immer unterstützten, egal, was passiert", sieht sich aber trotzdem vor eine Herausforderung gestellt: "Zum Teil ist es sogar schwierig zu spielen, weil es so laut ist. Man hört gar nicht, was dein Verteidiger-Partner sagt." Und trotzdem klappt das Zusammenspiel - sogar so gut, dass Vegas einen Sieg aus den ersten beiden Heimspielen im Stanley-Cup-Finale entführte. Nach diesem wurden wie bei einem kollektiven Sauna-Aufguss die Play-off-Towels geschwungen. Das sind weiße Handtücher, die vorab auf jedem Platz bereitliegen. Sie haben eine goldene Aufschrift: "Welcome To Impossible."

Entertainment überall: Die Vegas Golden Knights