Eishockey

100 Jahre NHL: Achterbahn und Jagr-Schnitzel

Am 19. Dezember 1917 wurde erstmals in der NHL gespielt

100 Jahre NHL: Achterbahn und Jagr-Schnitzel

Ein Vierteljahrhundert NHL-Geschichte: Jaromir Jagr spielte einst sogar auf Schalke.

Ein Vierteljahrhundert NHL-Geschichte: Jaromir Jagr spielte einst sogar auf Schalke. imago

Die Emscher-Lippe-Halle im Gelsenkirchener Stadtteil Buer-Erle steht nicht gerade im Verdacht, zu den glanzvollsten Eishockey-Arenen der Welt gezählt zu werden. Selbst im Ruhrgebiet fristet sie, nur einen Steinwurf von der Veltins-Arena des FC Schalke 04 entfernt, sportlich eher ein Schattendasein. Fußball ist schließlich die Nummer 1 im Pott, ums Eck regiert Königsblau, das Spiel mit der schwarzen Hartgummischeibe ist, nun ja, geduldet. Doch an diesem Abend des 6. Januar 1995 schauen nicht nur die Fans des deutschen Zweitligisten Schalker Haie gebannt aufs Eis in der diesmal prall gefüllten Arena. Der Name des Stürmers, der angesichts der von Streitigkeiten über einen neuen Gehaltstarifvertrag pausierenden National Hockey League für genau eine Partie die Schlittschuhe gegen die Herne Miners schnürt: Jaromir Jagr. Ja genau, der Jaromir Jagr, dessen Frisur, in Deutschland als Vokuhila berühmt und berüchtigt, in seiner Heimat Tschechien nach ihm benannt ist.

Einer der Topstars der besten Liga der Welt, die er mit 1916 Scorer-Punkten (765 Tore, 1151 Assists) bis heute prägt wie kaum ein anderer. Okay, Wayne Gretzky ist "The Great One", der Unerreichte und auf ewig Unerreichbare, nicht nur wegen seiner 2857 Punkte. Aber Gretzky ist auch Vergangenheit. Und über ihn, der erst die Edmonton Oilers führte und dann als Symbolfigur der Erweiterungspläne der Liga tränenreich ins sonnige Kalifornien zu den LA Kings übersiedelte, ist nun wirklich alles geschrieben worden. Jagr feierte sein Debüt 1990 für die Pittsburgh Penguins - und ist im zarten Alter von 45 Jahren im Winter 2017 immer noch für die Calgary Flames dabei, gestaltete so mehr als ein Viertel der NHL-Geschichte zumeist aktiv mit.

Eine Geschichte, die in diesen Tagen 100 Jahre alt wird. Die nicht immer von Erfolg gekrönt war, aber zumindest immer Schlagzeilen produzierte. Gegründet am 22. November 1917 als kanadische Miniliga mit fünf Teams, erste Spiele am 19. Dezember 1917, mittlerweile expandiert auf insgesamt 31 Franchises in einem Hochglanz-Geschäftsmodell, das zur laufenden Saison sogar die Spielermetropole Las Vegas mitten in der Wüste Nevadas in ihr Portfolio aufgenommen hat.

Erste Regeln: Keine Helme und keine Rückpässe

1917 also, als Reaktion auf Streitigkeiten innerhalb der damals führenden National Hockey Association (der Stanley-Cup wird bereits seit 1883 ausgespielt), wurde die NHL ins Leben gerufen. Mit den Montreal Canadiens, Montreal Wanderers, Ottawa Senators, Quebec Bulldogs und Toronto Arenas. Noch ohne Stars&Stripes, dafür einfach nur: O Canada. Der Sport in dieser Liga, im französischsprachigen Teil des Landes übrigens LNH (Ligue nationale de hockey) genannt, war jedoch noch ein ganz anderer: Spieler wie Torhüter trugen keine Helme, und es durften bis 1929 auch nur Rückpässe gespielt werden. Immerhin gestattete man den Goalies von Anfang an, sich zu Abwehrzwecken auf die Knie fallen zu lassen und den Puck mit der Hand zu berühren. Konstant war in den Anfangsjahrzehnten der Wechsel. Vor allem in der Ligenstärke, die sich zwischen drei und zehn Mannschaften bewegte, ehe 1942 die erste goldene Ära anbrach. Stichwort: Original Six. Häufig als Geburtsstunde der NHL missgedeutet, etablierte sich ein Sextett, das auch heute noch die Traditionsteams und die größten Fangemeinden stellt. Mit den NHL-Urgesteinen aus Montreal, Toronto und Boston, mit den Chicago Blackhawks, den Detroit Red Wings und den New York Rangers. Insgesamt kommen die Original Six auf 64 Stanley-Cup-Siege, unangefochten und auf lange Zeit uneinholbar vorn liegen die Canadiens mit deren 24.

Krupp, Seidenberg, Kühnhackl: Drei deutsche Stanley-Cup-Sieger

Tom Kühnhackl

Stanley-Cup-Sieger 2017: Tom Kühnhackl. Getty Images

Den Cup darf das jeweilige Siegerteam nach Saisonabschluss 100 Tage behalten, reihum bekommen die Spieler in der Sommerpause die Gelegenheit, ihn in ihrer Heimat zu präsentieren - wie und wo auch immer. So machte der 1892 vom britischen Generalgouverneur Kanadas, Baron Stanley of Preston, gestiftete Pokal bereits eine Achterbahnfahrt mit, lernte die Vorzüge einer finnischen Sauna kennen, fuhr Gokart und diente als Taufbecken. Fünfmal fand er auch den Weg nach Deutschland, denn: Uwe Krupp triumphierte 1996 mit Colorado Avalanche und 2002 mit den Detroit Red Wings, Dennis Seidenberg 2011 mit den Boston Bruins, Tom Kühnhackl 2016 und 2017 mit den Pittsburgh Penguins. Als Rekordmann in Sachen Trophäe-in-die-Höhe-Stemmen findet sich derweil ein Henri Richard in den Annalen verewigt. Die Zahl seiner Triumphe als Spieler: elf! Neunmal gravierte man Scotty Bowman als siegreichen und somit erfolgreichsten Trainer ins Metall des Pokals, der im Laufe der Zeit immer größer wurde und mittlerweile eine Höhe von 90 Zentimetern und ein Gewicht von rund 20 Kilo erreicht hat.

Jägerschnitzel mit Pommes und Mayo: Jagr auf Schalke volksnah

Und Jaromir Jagr? Holte sich den Stanley Cup immerhin zweimal mit den Penguins. Als er an jenem 6. Januar 1995 im Revierderby für Schalke auflief, zeigte er sich übrigens nicht als die Diva, als die er häufig beschrieben wird. Statt der Suite im Maritim nahm er mit einer Liege in der Wohnung seines Kumpels Peter Fiala vorlieb, zu der Zeit Spielertrainer der Haie. Und auch die Prämienforderung des Topstars der besten Liga der Welt, der beim 20:3 gegen die Herne Miners einen Treffer erzielte und zehn weitere vorbereitete, war damals ganz Ruhrpott-like: ein Jägerschnitzel. Mit Pommes. Und Mayo.

Axel Heiber