Europa League

Bayer Leverkusen nach der Niederlage in Zürich: Ein Horrorfilm in Endlosschleife

2:3 in Zürich unterstreicht nochmal alle Leverkusener Defizite

Bayer 04: Ein Horrorfilm in Endlosschleife

In der Krise: Bayer Leverkusen.

In der Krise: Bayer Leverkusen. imago

Und dann kommt auch noch Pech dazu... In der vierten Minute der Nachspielzeit schien es so, als hätte Sven Bender nach einem Eckball den Abend gerade nochmal so gerettet. Doch sein Kopfballtreffer wurde nicht anerkannt. Wegen eines vermeintlichen Foulspiels seines Zwillingsbruders Lars. Doch jeder, der die Leverkusener Pleite im Züricher Letzigrund auf diese Fehlentscheidung reduzierten wollte, musste dafür schon nahezu alles ignorieren, was vorher in dieser Partie geschehen war.

"Im Moment machen wir alles falsch, was wir nur falsch machen können", erklärte Mittelfeldspieler Kai Havertz nach der Partie, die mit Ausnahme der ersten 15 Minuten nach der Halbzeit eine kompakte Zusammenfassung der Leverkusener Unzulänglichkeiten auf allen Ebenen in dieser Saison darstellte. Der Ursprung allen Unglücks lag bereits vor dem Anpfiff, als Heiko Herrlich zwar elf Akteure für die Startelf benannte, die man mehr oder weniger so erwarten durfte, bei deren Rollenverteilung er allerdings alles andere als optimal lag.

Europa League - Gruppenphase, 3. Spieltag
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Spielersteckbrief L. Bender
L. Bender

Bender Lars

Trainersteckbrief Herrlich
Herrlich

Herrlich Heiko

So nominierte der Trainer Kapitän Lars Bender zur Stabilisierung der rechten Defensivseite als Rechtsverteidiger. Ein grundsätzlich naheliegender Zug - den man allerdings nur vollführen kann, wenn man im defensiven Mittelfeld eine in etwa gleichwertige Alternative zur Verfügung hat. Die Idee, nach dem Ausfall von Charles Aranguiz und Julian Baumgartlinger freiwillig auch noch Lars Bender von der Doppelsechs abzuziehen, erschien so abenteuerlich wie das Resultat auf dem Platz.

Dragovic und Kohr: Nicht nur spielerisch eine Offenbarung

Dort stellte Herrlich neben Dominik Kohr nämlich Innenverteidiger Aleksandar Dragovic ins defensive Mittelfeld, der dort völlig auf verlorenem Posten stand, da ihm auch defensiv auf der ungewohnten Position das richtige Timing fehlte. Und so bewegte sich der Österreicher oft im luftleeren Raum. Die Folge: Das Zentrum fiel nicht nur (angesichts der beschränkten fußballerischen Möglichkeiten der Doppelsechs wenig überraschend) spielerisch fast komplett aus, sondern es bekam auch keinerlei Zugriff auf Zürichs Taktgeber Antonio Marchesano und Toni Domgjoni.

Die Schweizer nutzen dies dazu, sich wiederholt durch die Mitte durchzuspielen. Dass der FCZ erst seine vierte Chance zur Führung nutzte, war noch die erfreulichste Erkenntnis aus der ersten Hälfte, in der einzig Torhüter Lukas Hradecky den Ansprüchen in Gänze genügte. "Es war zum wiederholten Mal in dieser Saison, dass wir eine Halbzeit ein wirklich schwaches Bild abgeben. In der zweiten Halbzeit können wir uns nichts vorwerfen. Aber am Ende zählen 90 Minuten. Da war es einfach nicht gut genug", stellte Innenverteidiger Sven Bender fest.

Heute hatte ich ein paar Böcke drin.

Abwehrchef Sven Bender

Zur Halbzeit korrigierte Herrlich seinen offensichtlichen Fehler, allerdings nicht ohne sich direkt wieder ein gewaltiges Problem einzuhandeln. Der Trainer erlöste Dragovic und auch Mittelstürmer Isaac Kiese Thelin, der bislang nicht den Nachweis geliefert hat, Bayer 04 wirklich weiterhelfen zu können. Während Kevin Volland den Schweden ersetzte und für etwas Schwung sorgte, kam Rechtsverteidiger Mitchell Weiser für Dragovic, so dass Lars Bender in die Doppelsechs rücken konnte. Dadurch wurde Bayer im Zentrum stärker, aber auf der rechten Seite defensiv extrem anfällig.

So konnte die Werkself selbst das nahezu ideale Momentum durch Karim Bellarabis Doppelschlag kurz nach der Pause zur Leverkusener 2:1-Führung nicht nutzen. Denn Weiser offenbarte sowohl beim zweiten als auch beim dritten Treffer der Schweizer erneut seine Defensivprobleme, die nirgendwo mehr aufgefangen werden in einer Mannschaft, die in vielen Situationen keinen echten Druck auf den Gegner ausübt und nun schon 22 Gegentreffer in elf Partien in der Liga und in der Europa League kassiert hat.

So hat Herrlich keine Zukunft

Bayer 04 präsentierte sich mal wieder nur als miserable Kopie eines Spitzenteams: Defensiv war die Herrlich-Elf anfällig, was aber nicht allein am indisponierten Abwehrchef Sven Bender lag, der mit den Worten "Heute hatte ich ein paar Böcke drin", "Schimpft auf mich", "Wichtig ist, dass wir die Köpfe oben lassen und weitermachen" alle Schuld auf sich nehmen wollte. Offensiv agierte Leverkusen ohne klaren Ansatz und erschreckend uninspiriert. Das Spiel der Schweizer wirkte dagegen deutlich strukturierter und gefährlicher. Und dass für Zürich ausgerechnet Rechtsverteidiger-Talent Kevin Rüegg und der energische Linksverteidiger Pa Modou den ersten beziehungsweise dritten Treffer direkt vorbereiteten und ihre Rolle auch insgesamt deutlich besser ausfüllten als ihre Leverkusener Pendants, unterstrich nochmal die Leverkusener Defizite auf den defensiven Außenpositionen.

Die Bayer-Verantwortlichen müssen sich wie in einem Horrorfilm vorkommen, der in einer Endlosschleife läuft, allerdings auch bei seiner x-ten Wiederholung nicht an Schrecken verliert, sondern sogar noch gruseliger wird. Ob man nun das 0:0 in Freiburg, als man nur eine Torchance besaß, das folgende 2:2 gegen Hannover 96, als man über eine halbe Stunde in Überzahl spielte, oder eben jetzt das 2:3 in Zürich als die schlimmste Darbietung ansieht, ist Geschmackssache. Für jede Wahl gibt es beste Argumente.

Der Trend ist alarmierend. So hat Herrlich, den Sven Bender ("Er stellt uns gut ein, mir tut es sehr leid, dass wir es nicht schaffen, das umzusetzen") und Kai Havertz nach der Pleite in Schutz nahmen, in Leverkusen keine Zukunft. Die Bayer-Bosse brachen am Donnerstagabend schon kurz nach Spielende mit der Mannschaft zum Flughafen auf - ohne Stellungnahme. Antworten auf die Krise haben sich nicht parat. Der Horrorfilm läuft weiter.

Stephan von Nocks

Bilder zur Partie FC Zürich - Bayer 04 Leverkusen