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Basketball in Nürnberg: "Wenn der Hausmeister das Licht ausmacht"

Ralph Junges Projekt, die Korbjäger in der Noris nach vorn zu bringen

Basketball in Nürnberg: "Wenn der Hausmeister das Licht ausmacht"

Führt seit Jahren junge deutsche Talente an den Profi-Basketball heran: Ralph Junge.

Führt seit Jahren junge deutsche Talente an den Profi-Basketball heran: Ralph Junge. imago

Zwischen 2005 und 2007 gab es schon einmal Bundesliga-Basketball in Nürnberg. Doch die Sellbytel Baskets mussten Insolvenz anmelden, erlitten in der überdimensionierten Arena Schiffbruch und strichen 2008 die Segel. Inzwischen gibt es den Nürnberg Falcons BC, der jedoch ebenfalls auf unruhige Zeiten zurückblickt. Seit 2014 hat Ralph Junge das Ruder in der Hand, nach dem Rückzug des einzigen Gesellschafters im vergangenen Sommer stand auch sein ambitioniertes Projekt vor dem Aus. Junge fing bei Null an und sicherte den Fortbestand des Profi-Basketballs als Trainer und Geschäftsführer. Auch im zweiten Spieljahr setzt der 48-Jährige auf den Nachwuchs. Und das hat eine Vorgeschichte.

Denn Junge war 1998 Gründer der Basketball-Akademie an der schwäbischen Urspringschule, deren Herren-Mannschaft Ehingen Urspring er bis in die zweithöchste deutsche Spielklasse (ProA) führte. Zum ersten Heimspiel gegen den fränkischen Nachbarn Baunach kamen etwas mehr als 800 Zuschauer in die Halle am Berliner Platz.

"... mal mehr als fünf Gästefans"

kicker: Herr Junge, was fehlt dem Nürnberger Basketball, um eine konstant vierstellige Zuschauerzahl zu erreichen?

Junge: Was fehlt war, dass zu so einem Derby auch mal mehr als fünf Gästefans kommen. Das war schon erbärmlich. Dummerweise war Auftakt zur Fürther Kirchweih (eines der größten Volksfeste in der Region, d.Red.) und es fehlt zudem noch etwas das Verständnis dafür, auf welchem Niveau hier Basketball gespielt wird. Es ist neben Fußball die einzige Weltsportart, das sind Vollprofis, wir bieten ein ehrliches Konzept und bauen auf den Nachwuchs.

kicker: Wie sieht das aus?

Junge: Als ich vor drei Jahren hierher kam, habe ich den 14-jährigen Matthew Meredith ins ProA-Training geholt, da wusste der Junge noch gar nicht, was los ist. Im letzten Heimspiel war er Stammspieler und einer unserer Leistungsträger. Aktuell haben wir im 12er-Kader sechs aktuelle und ehemalige Jugend-Nationalspieler zwischen 17 und 20 Jahren, die zwar noch nicht so weit sind, ein Team an die Spitze der 2. Liga zu führen. Aber in zwei Jahren werden sie soweit sein.

kicker: Klingt charmant.

"Zuschauer und Sponsoren können hier einen Weg mitgehen"

Junge: Ja, und auf diesem Weg werden wir auch langsam wieder ein Gesicht bekommen im deutschen Basketball. Das ist in Nürnberg noch nicht so angekommen. Aber ich behaupte, in unserer Halle laufen künftige Erstliga-Spieler herum. Die Zuschauer können einen Weg mitgehen, eine Entwicklung sehen, kein fertiges Produkt. Weil wir eben nicht das Budget haben, das Crailsheim oder Vechta zur Verfügung steht. Das gilt auch für Sponsoren, die sich nicht in ein gemachtes Nest setzen, sondern ein Projekt begleiten.

kicker: Stichwort Projekt. War das ein Grund, nach vielen Jahren an der Urspringschule in Nürnberg einzusteigen? Auch dort waren Sie mit ihrer Basketball-Akademie Projektentwickler. Warum Nürnberg?

Ralph Junge im kicker-Interview

Junge: Ich fand Nürnberg interessant, weil es hier noch Spielraum gab. Es gab zwar hier eine "Söldnertruppe", aber im Leistungsbereich sonst gar nichts. Bei über einer Million Menschen in der Region. Das hat mich gereizt.

kicker: 2016 folgte der große Knall, der einzige Geldgeber zog sich zurück. Was hat sich seither getan? Welche Ziele gibt es nach Platz 12 in der vergangenen Saison? Sind die Play-offs drin?

Junge: Das ist das Wunschziel. Wir sind durchaus ehrgeizig. Wenn man mehr Spiele gewinnt als verliert, kommt man in die Play-offs, wenn man dann nochmal mehr gewinnt als verliert, ist man aufgestiegen (lacht). Nein, man muss realistisch sein. Wir wollen den Jungen Spielzeit geben, die uns in der Zukunft tragen. So früh wie möglich zehn Siege für den Klassenerhalt, bei 14 ist man oft schon in den Play-offs. Da ist nicht viel dazwischen.

Junge musste quasi als Alleinunterhalter den Laden im vergangenen Jahr zusammenhalten und auf die Schnelle eine Mannschaft zusammenbasteln, die auch noch konkurrenzfähig sein sollte. Als "pures Chaos" beschreibt er die Zustände damals. Doch die Erfahrungen aus der Urspringzeit halfen ihm. Ein Jahr danach gelang es, einige kleinere und mittlere Sponsoren zu gewinnen und auch die neuen Auflagen der Liga zu stemmen. Für die Realisierung seiner Visionen blieb erst einmal kaum Zeit.

Junge: Das zusätzliche Geld hätten wir gerne nicht nur in LED-Banden oder Livestream gesteckt. In Mitarbeiter sehr wohl, aber mir wären auch ein paar andere Dinge eingefallen. Wir müssen unsere Sponsorenlandschaft einfach noch breiter aufstellen. Als unser Hauptsponsor ausfiel, fehlten 90 Prozent im Etat. Das war schon hart, weil du erstmal nicht aufbauen kannst. Jetzt sind wir in einer Phase, in der Sponsoren etwas geben, aber erst einmal abwarten.

kicker: Bleibt es auf Sicht bei der Alleinunterhalterrolle des Ralph Junge als Trainer und Geschäftsführer?

Junge: Das ist gerade schwierig zu sagen, perspektivisch muss es sich ändern. Wir haben jetzt einen tollen Co-Trainer und im Jugendbereich den Trainerstab neu und gut aufgestellt. Da tut sich einiges. Die Profimannschaft und die Geschäftsführung mache immer noch ich, viele Leute wollen das Gespräch noch mit mir führen, aber in spätestens zwei Jahren wird ein Aufgabenbereich wegfallen. Das ist sonst zeitlich gar nicht machbar.

Junge und die Falcons

Junge und die Falcons nach der klaren Heimniederlage gegen Kirchheim. imago

Der Traum vom Sport-Business-Campus

kicker: Was schwebt Ihnen vor, wenn Zeit ist, über das Tagesgeschäft hinausdenken zu können?

Junge: Es gibt da ein Dauerthema. Nürnberg hat vier Erstligisten, aber keine Strukturen für Leistungssport - mal knallhart formuliert. Ein Sport-Business-Campus, den man gemeinsam macht und dann noch Individualsportler hinzuholt, das wäre eine Vision.

Junge erzählt von der ehemaligen deutschen Bobpilotin Sandra Kiriasis, die in Nürnberg lebte und unter den strukturellen Schwächen litt. Training bei der LAC Quelle Fürth auf der Laufbahn, Treppenläufe in der Nürnberger Ostendstraße, weil es da "irgendwo geeignete Stufen" gab, dann "irgendwo zur Reha, irgendwo was essen, Ruhephasen an der Ampel". Kein Einzelfall, weiß Junge, der auch mit seinem Basketballteam darunter leidet.

Junge: Meine Vision: Man hat für das Übergreifende wie Ernährung, Reha, Athletiktraining, Ruhephasen und Studium einen gemeinsamen Campus. Das wäre unglaublich befruchtend für die Sportler. Von Profivereinen geführt, von Kader- und Individualsportlern genutzt. Diese Vision zu entwickeln, wird zurzeit noch oft von der Alltagsarbeit unterbrochen. Deshalb muss ich eine der beiden Aufgaben abgeben, um den Visionen nachgehen zu können.

Die Hallensituation in Nürnberg

kicker: Bleibt die Halle am Berliner Platz der Spielort? Sie ist ja nicht gerade modern, aber die Arena ist zu groß und es gibt nichts Geeignetes dazwischen.

Junge: Wir müssen erst einmal selbst stabil sein. Dann kehrt das Thema Halle auf die Agenda zurück. Es geht nicht nur um Handball und Basketball. Es gibt auch beispielsweise die Zweitliga-Volleyballer nebenan in Schwaig, die vielleicht zwei-, dreimal im Jahr in einer schönen Halle spielen wollen. Man bräuchte natürlich zwei oder drei Ankermieter, für die die Arena zu groß ist. Es gab schon gewisse Gespräche, so weit ist das nicht weg.

kicker: Wie sind die Trainingsbedingungen?

Junge: Das ist unser aktuelles Problem. Es gibt in Nürnberg weder eine Halle mit Parkettboden noch eine Halle, in die wir vormittags reinkönnen. Man ist immer eingezwängt oder unflexibel. Wenn einer meiner Spieler noch 100 Würfe nehmen will, dann sperrt der Hausmeister die Halle zu oder das Licht geht aus. Der nächste Schritt wäre eine gute Hallenlösung.

kicker: Wie hilft die Kommune mit?

Junge: Da ginge auf alle Fälle mehr. Beim Thema Trainingshalle sind wir dabei, es alleine zu lösen. Zum Thema Spielhalle laufen Gespräche, die nicht nur die Stadt Nürnberg betreffen. Da gibt es ja noch einen Ort im Westen (Fürth, d.Red.), das muss auch nicht schlecht sein dort. Da gibt es auch Ideen. Kommt darauf an, was die Stadt Nürnberg und lokale Investoren wollen.

Junge verweist darauf, dass die staubigen Turnhallen in der ProA immer weniger werden. Die Klubs spielen in der Regel in kleinen bis mittelgroßen Arenen mit einer Kapazität von 2000 aufwärts. Köln ist mit der Lanxess-Arena (18.000) gezwungenermaßen eine Ausnahme. Ein neues Zuhause wäre für die Falcons ein Quantensprung. Junge verweist auf die norddeutsche Kleinstadt Vechta.

"In Vechta haben sie sehr intelligent gebaut"

Junge: Die haben wirklich in einer Schulturnhalle gespielt. Dann haben sie sehr intelligent gebaut - für weniger als sechs Millionen Euro - und mussten nach dem Aufstieg diese Superhalle direkt erweitern. Wenn Vechta das Niveau hält, müssen sie sicher bald auf 5000 bis 6000 aufstocken.

kicker: Gesetzt den Fall, es gäbe diese Halle schon. Würde Nürnberg zügig aufsteigen? Und ist die ProA auf Sicht wirtschaftlich darstellbar?

Junge: Ob wir schnell aufsteigen würden, kann ich nicht sagen. Da machen andere Vereine auch gute Arbeit. Die ProA ließe sich sicher auch dauerhaft darstellen und ist auch in sympathischer Form machbar. Aber mit einer neuen Halle würden wir die Zuschauerzahl sicherlich verdoppeln und eine neue Dimension erreichen. Das würde uns immens helfen. Alleine ein Beschluss würde helfen. Und es muss kein Hochglanzprodukt sein. In Vechta ist Superstimmung für ein völlig überschaubares Budget entstanden. Das wäre kein Hexenwerk.

kicker: Wie können die Nürnberger Basketballer auch ohne neue Halle einen Schritt weitergehen?

Junge: Durch seriöse sportliche Leistung, durch unsere erstklassigen Talente, durch die Tatsache, dass es trotzdem ein Event ist, was hier stattfindet. Der Hallensprecher reißt mit, man ist näher am Produkt dran als in der Arena. Man muss nur die Hemmschwelle überwinden und mal hingehen. Zumal man Profisport für bezahlbares Geld sieht. Und man hat die Chance, den Profi zu sehen, der ist anfassbar. Das wird ab einer gewissen Größe schwierig.

kicker: Bleibt es beim schwierigen Spagat, aufsteigen zu wollen und dafür auch ausländische Profis zu holen und deutschen Spielern Einsatzzeit und Verantwortung übertragen?

Junge: Ich denke, das muss unten anfangen mit der Förderung deutscher Talente. Es reicht ja nicht zu sagen: Du bist Deutscher, jetzt spielst du. Wir müssen als Vereine mehr vorgeben, nicht mit jedem Trainerwechsel die Philosophie ändern. Unsere lautet, junge Spieler aus der Region einzubinden. Kleine Städte wie Bamberg oder Crailsheim müssen immer rekrutieren, oft ein ganzes Bundesland abgrasen. Nürnberg oder Berlin können aus einem großen Pool schöpfen. Warum muss man den Sack aufmachen, zwölf Profis reinschütten und hoffen, dass es gutgeht. Die Frankfurt Skyliners machen es vor, die setzen auf deutsche Talente.

Der deutsche Meister Bamberg kann eher nicht den Nachwuchs fördern, der Erfolg in der Euroleague zählt. Und den Sprung dorthin schafft ein 19-Jähriger in der Regel nicht. Junge findet Zwischenschritte besser. Junge: Zu oft gehen Spieler zu früh zu hoch, anstatt sich hochzuspielen, was der härtere Weg ist. Robin Benzing und Per Günter haben erst einmal in der ProA 14, 15 Punkte im Schnitt gemacht. Dann sind sie in der BBL zum 12. oder 13. gewechselt und haben dort gelernt, "Tore zu schießen". Auch ein Dennis Schröder oder Daniel Theis. Viele gehen zu früh nach oben und werden Rollenspieler, landen dann wieder in der ProA und sind selbst da nicht gut genug, weil sie nicht in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen, Akzente zu setzen. Geduld ist manchmal gefragt. Man kann den Schritt auch mit 23 oder 24 machen.

Vielleicht bald in Fürth?

kicker: Das ist Werbung für Ihre Spielklasse ...

Junge: Die ProA ist eine gute Liga, die Aufsteiger, die den Kader zusammengehalten haben, haben gut gespielt in der BBL. Vechta, das komplett umgekrempelt hat, ist gleich wieder abgestiegen. Die ProA hat sich angenähert. Auf den großen Positionen ist der Niveauunterschied noch da, auf den Guard-Positionen eher klein.

kicker: Geduld ist gefragt in Nürnberg. Wo können die Falcons in fünf Jahren stehen? Werden sie vor dem 1. FCN erstklassig sein?

Junge: Also ich würde es dem Club wünschen, dass er es vor uns schafft (lacht). Wir müssen noch sehr viele Hausaufgaben machen. Wenn wir die Basis zusammenhalten können, können wir in einigen Jahren BBL spielen. Noch müssen wir Demut und Bescheidenheit haben, die Strukturen verbessern, den Weg der Nachwuchsförderung weitergehen. Aber da passiert sehr viel Positives. Wenn wir uns punktuell verstärken, können wir in zwei drei Jahren wieder sehr, sehr konkurrenzfähig sein.

kicker: Und vielleicht bald in Fürth vor 3500 Zuschauern spielen?

Junge: Wenn es der Zusammenführung dient (lacht). Die Nürnberger fahren ja auch nach Fürth zur Kirchweih. Warum nicht zum Basketball.

Im ersten Teil des kicker-Interviews sprach Ralph Junge über die Themen Euroleague, Nationalteam und die Generation nach Dennis Schröder.

Interview: Andi Holzmann/Daniel Klee

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