Bundesliga

Wollscheid: "Ich muss mich neu beweisen"

Nürnberg: Der Innenverteidiger im Interview

Wollscheid: "Ich muss mich neu beweisen"

Optimistisch und selbstbewusst: Club-Verteidiger Philipp Wollscheid.

Optimistisch und selbstbewusst: Club-Verteidiger Philipp Wollscheid. Getty Images

kicker: Sie starten die Saison bei Aufsteiger Hertha. Prickelt es schon, Herr Wollscheid?

Philipp Wollscheid: Ganz klar, ja. Das ist ein attraktiver, aber nicht unbedingt der leichteste Gegner. Die haben eine schlagkräftige Truppe. Das wird ein sehr interessantes Spiel vor einer geilen Kulisse.

Trainersteckbrief Hecking
Hecking

Hecking Dieter

Spielersteckbrief Wollscheid
Wollscheid

Wollscheid Philipp

1. FC Nürnberg - Vereinsdaten
1. FC Nürnberg

Gründungsdatum

04.05.1900

Vereinsfarben

Rot-Weiß

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kicker: Vor einem Jahr gingen Sie als Innenverteidiger Nummer vier in die Saison, Sie spielten in der zweiten Mannschaft in der Regionalliga. Nun gelten Sie als Nummer eins. Kommt Ihnen das manchmal wie ein Traum vor?

Wollscheid: Zunächst mal sind die Positionen nicht in Stein gemeißelt, auch ich muss mich neu beweisen. Aber klar, ich weiß, dass sich meine Situation grundlegend geändert hat, und das ist sehr schön.

kicker: Raphael Schäfer bezeichnete Sie als größte Überraschung im Kader, vor allem wegen Ihrer unglaublichen Konstanz auf hohem Niveau. Hat Sie das auch überrascht?

Wollscheid: Überrascht hat mich die Menge der Einsätze, damit konnte ich nicht rechnen. Wie es dann in der Rückrunde lief, war natürlich optimal. Das Vertrauen in meine Leistung hatte ich von Anfang an.

kicker: Das müssen Sie erklären.

Wollscheid: Weil ich im Training gesehen habe, dass ich mithalten kann. Das habe ich in den Spielen dann bestätigt, auch wenn noch nicht alles optimal war. Ich kann mich sicher noch in allen Bereichen stabilisieren und verbessern.

kicker: Andreas Wolf, Ihr bisheriger Partner in der Innenverteidigung, verlässt den Club. Ein herber Verlust?

Wollscheid: Andy war ein sehr guter Typ als Spielführer, auch außerhalb des Platzes hat man das gemerkt. Schade, aber so ist das im Fußball, irgendwann trennen sich die Wege.

kicker: Nun dürften Sie ein Gespann mit Per Nilsson bilden.

Wollscheid: Wir sind auf dieser Position jedenfalls sehr gut besetzt, da braucht sich der Trainer keine Sorgen zu machen. Mit Pelle habe ich bislang zweimal zusammengespielt, im Training sowieso, da sehe ich kein Problem. Und noch mal: Es ist nicht in Stein gemeißelt, wer spielt.

kicker: Es heißt, das zweite Jahr sei oft das schwerere. Dem Durchbruch muss die Bestätigung folgen. Haben Sie Bedenken?

"Die Sache mit dem zweiten Jahr ist der falsche Ansatz."

Wollscheid: Nein, gar nicht. Ich konzentriere mich auf die Dinge, die ich kann und will mich überall verbessern. Ich bin der Meinung, dass man dann auch ordentlich spielt. Die Sache mit dem zweiten Jahr ist der falsche Ansatz. Da hätte ich auch nach meinem ersten Bundesligaspiel sagen können, dass das zweite das schwerste wird. Den Druck kann man aufbauen, ich mache es nicht.

kicker: Mit Wolf, Gündogan, Ekici und Schieber sind immerhin vier Leistungsträger gegangen. Wie sehen Sie den Club für die neue Spielzeit aufgestellt?

Wollscheid: Schwer einzuschätzen. Ich habe aber volles Vertrauen, dass wir eine schlagkräftige Truppe zusammenbekommen und bin optimistisch. Hoffentlich auch unsere Fans, die bekanntermaßen eher pessimistisch veranlagt sind.

kicker: Worin gründet dieser Optimismus?

Wollscheid: Den sollte man haben, wenn man erfolgreich sein will. Vergangenes Jahr haben uns nach den Abgängen von Ottl und anderen auch viele den Abstieg prophezeit, mit Namen wie Ekici oder Schieber konnten die wenigsten etwas anfangen. Und wie ist es gelaufen? Sehr gut.

kicker: Deutschland reitet auf der Jugendwelle, Spieler wie Mario Götze sorgen schon mit 18 Jahren für Furore. Sie haben "erst" mit 22 den Durchbruch geschafft. Sind Sie ein Spätstarter?

Wollscheid: Wenn man so will, schon. Ein Götze spielt in einem Alter Bundesliga, da war ich weit weg davon. Mit 18 habe ich noch bei einem kleinen Oberligisten gespielt.

kicker: Dafür ging es zuletzt steil nach oben.

Wollscheid: Und es zeigt, dass Qualität keine Frage des Alters sein muss, auch wenn es mit zunehmendem Alter schwerer wird. Aber nehmen Sie einen Oliver Barth aus Freiburg, der hat mit 30 in der Bundesliga debütiert und macht seine Sache sehr gut. Das sind Ausnahmen, das lehrt, dass Karrieren nicht einfach auf dem Reißbrett entworfen werden können.

kicker: Der Club hat seine Option gezogen und Ihren Vertrag bis 2014 verlängert. Andererseits ist es ein offenes Geheimnis, dass Leverkusen Sie 2012 verpflichten möchte. Wie planen Sie?

Wollscheid: Was in einem Jahr ist, damit beschäftige ich mich genauso wenig wie mit dem übernächsten Spiel. Was zählt, sind Nürnberg und die neue Saison.

kicker: Sie gelten als sehr selbstkritisch ...

Wollscheid: ... und das ist ein Grund, warum ich es nach oben geschafft habe. Es ist meine Grundeinstellung, sich mit dem Erreichten nicht zufriedenzugeben. Man sollte es nicht übertreiben, aber es bringt mir auch nichts, wenn ich zurückblicke und mich feiern lasse. Mein linker Fuß und meine Athletik müssen beispielsweise besser werden. Damit darf man nie aufhören, auch mit 35 nicht. Fragen Sie Timmy Simons.

kicker: Wann wird die Nationalelf zum Thema?

Wollscheid: Damit brauche ich mich nicht zu beschäftigen. Was soll ich mir den Kopf darüber zerbrechen?

kicker: Immerhin sind Sie in der Rangliste des kicker auf Platz zwei bei den Innenverteidigern platziert worden.

Wollscheid: Das habe ich auch als große Ehre empfunden und hat mich gefreut. Grundsätzlich traue ich mir etwas zu und verfüge über ein gesundes Selbstvertrauen. Ich muss mich nicht verstecken.

Frank Linkesch