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Alte Diesel: Abschied versüßt?

Verbraucher sollten nichts überstürzen

Alte Diesel: Abschied versüßt?

Diesel in der Diskussion: Viele Hersteller locken mit teils stattlichen Umstiegsprämien.

Diesel in der Diskussion: Viele Hersteller locken mit teils stattlichen Umstiegsprämien. ACE

VW und Audi schießen mit bis zu 10.000 Euro den Vogel ab, BMW hält sich mit 2000 Euro eher bedeckt: Dabei sind aber immer mehr Hersteller. Anscheinend spendabel öffnen sie ihre Kassen, um diejenigen zu belohnen, die "Tschüss alter Diesel" (Renault-Diktion) sagen, ihren Euro-1- bis Euro-4-Selbstzünder dem Schicksal der Verschrottung preisgeben und dafür auf einen Euro-6-Neuwagen umsteigen.

Während die Besitzer von Euro-5-Dieseln immerhin noch auf ein Software-Update, womöglich sogar auf die Hardware-Nachrüstung per SCR-Kat und AdBlue-Tank hoffen können, sieht es für die Selbstzünder der niedrigeren Schadstoffklassen, bei denen solche Maßnahmen nicht mehr möglich sind, zappenduster aus. Fahrverbote dürften sich in ihrem Fall kaum umgehen lassen. Betroffen sind laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) rund 6,5 Millionen Alt-Diesel.

Hinter die vermeintlich generöse Geste der Hersteller sind freilich ein paar Fragezeichen zu setzen. Speziell für VW ist das Auszahlen eines Umstiegsbonus zweifellos das kleinere Übel im Vergleich zu jener bedingungslosen Entschädigung, von der die Besitzer von "Schummel-Dieseln" in den USA profitieren. Während der Verkauf eines Neuwagens die Konzernkassen klingeln lässt, muss der Kunde das nötige Geld aber erst einmal aufbringen. 10.000 Euro – klingt verlockend, gilt aber nur dann, wenn man bei VW den Kaufvertrag für ein großes Touareg-SUV (ab 54.400 Euro) oder einen Multivan unterschreibt beziehungsweise sich bei Audi für einen A6, A7 oder Q7 entscheidet.

Rabatte gibt es oft auch so

BMW i3

BMW i3: Zur BMW-Prämie addieren sich 4.000 Euro staatlichen Elektro-Fördergelds, macht 6.000 Euro. Hersteller

Zudem gilt es zu bedenken, dass sich beim Händler mit etwas Verhandlungsgeschick ohnehin schon Rabatte herausschlagen lassen. Womöglich liegt ein solcher Nachlass unterm Strich sogar höher als die großmütig gewährte Abwrackprämie – und lässt den Alt-Diesel am Leben.

"Irritiert" zeigt sich der Auto Club Europa (ACE) über die Formulierung "Umweltprämie". Zuerst, kritisiert ACE-Chef Stefan Heimlich, "bauen die Autohersteller keine sauberen Autos, dann erklären sie, dass mit einem Software-Update aus dreckigen Autos saubere Autos werden und ein paar Tage später folgt eine Kaufoffensive für angeblich sauberere Fahrzeuge". Das passe nicht zusammen.

Jetzt schnell zum Autohändler?

Soll man als leidgeprüfter Besitzer eines Euro-1- bis Euro-4-Diesels jetzt also schleunigstens zum Autohändler eilen? Experten warnen vor übereiltem Handeln. "Wer seinen älteren Diesel umtauschen möchte", sagt Heimlich, "der sollte bis September 2017 abwarten, bis Fahrzeuge mit der neuen Abgasnorm Euro 6d auf den Markt kommen". Einen ähnlichen Rat hat vor ein paar Wochen bereits der ADAC erteilt. Hintergrund: 6d-Autos müssen nicht nur auf dem Prüfstand im Labor, sondern auch im richtigen Leben auf der Straße sauber sein. Das beschert ihnen eine Sicherheit vor Fahrverboten, die den anderen Euro-6-Dieseln derzeit niemand wirklich versprechen kann.

VW Touareg

VW Touareg: Wer einen Kaufvertrag für das große SUV unterschreibt, kassiert 10.000 Euro Umstiegsbonus. Hersteller

Der Automobil-Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen wiederum plädiert für einen staatlichen Gutschein in Höhe von 2.000 Euro, der aber nur dann ausbezahlt werden soll, wenn das Altauto verschrottet oder per Hardware – also mit SCR-Kat – nachgerüstet wird. Die Gegenfinanzierung könne erfolgen, indem die Besteuerung von Dieselkraftstoff auf das Niveau von Benzin angehoben wird. Gleichzeitig sollte die Kfz-Steuer für beide Antriebsarten gleichgeschaltet werden. Das würde Diesel-Besitzer sogar etwas entlasten. Was viele in der aufgeregten Diskussion nämlich vergessen: Vom Fiskus wird das Diesel-Auto stärker rangenommen als ein Benziner.

Umstiegsprämien im Überblick

Und so sehen die derzeit gewährten Abwrackprämien der Automobilhersteller aus:

Audi: 3.000 Euro (A1, Q2), 5.000 Euro (A3, TT), 8.500 Euro (A4), 10.000 Euro (A6, A7, Q7). Für ein Erdgas-Modell (G-Tron) packt man 1.500 Euro obendrauf.

BMW: 2.000 Euro beim Kauf eines neuen BMW mit einem CO2-Ausstoß von maximal 130 g/km. Inklusive staatlicher Förderprämie (4.000 Euro) errechnen sich für einen elektrischen i3 so 6.000 Euro Nachlass.

Daimler: Bis 2.000 Euro beim Kauf eines Euro-6-Diesels oder Plug-in-Hybriden. Nur 1.000 Euro gibt es für einen Smart Electric Drive.

Lexus: 3.000 Euro Bonus beim Kauf eines Hybridmodells plus 3.000 Euro Hybrid-Prämie.

Opel: 1.750 Euro (Karl), 3.000 Euro (Adam), 3.500 Euro (Corsa), 5.000 Euro (Astra), 4.000 Euro (Crossland X), 6.500 Euro (Zafira), 5.500 Euro (Mokka X), 5.000 Euro (Grandland X), 7.000 Euro (Insignia).

Porsche: 5.000 Euro. Gilt nur für viertürige Modelle, also für Macan, Cayenne und Panamera.

Renault: 2.000 Euro (Twingo), 5.000 Euro (Mégane), 7.000 Euro (Espace). Gilt nicht für den Kauf eines Elektroautos!

Seat: 1.750 Euro (Mii), 3.000 Euro (Ibiza, nur Benziner), 5.000 Euro (Leon, Toledo), 8.000 Euro (Alhambra). Zusätzlich 2.000 Euro Zukunftsprämie beim Kauf eines Erdgas-Autos (CNG).

Skoda: 1.750 Euro (Citigo), 3.000 Euro (Fabia), 3.500 Euro (Rapid), 4.000 Euro (Yeti), 5.000 Euro (Octavia, Superb). Zusätzlich 1.000 Euro CNG-Zukunftsprämie.

Toyota: 2.000 Euro beim Kauf eines Hybridmodells plus 2.000 Euro Hybrid-Prämie extra.

VW: 2.000 Euro (up!), 3.000 Euro (Polo), 5.000 Euro (Golf, Golf Sportsvan, Golf Variant, Tiguan, Tiguan Allspace, Beetle Cabrio), 6.000 Euro (Touran), 8.000 Euro (Passat, Arteon, Sharan), 10.000 Euro (Touareg, Multivan). Ergänzend gewährte Zukunftsprämien: 1.000 Euro (Erdgas CNG), 1.785 (Hybridmodell), 2.380 Euro (Elektroauto).

Voraussetzung ist in aller Regel, dass das Alt-Auto mindestens sechs Monate auf seinen aktuellen Besitzer zugelassen gewesen ist. Und: Die Abwrack-Aktion ist bis zum Jahresende beschränkt.

Ulla Ellmer