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VW: Das neue Flaggschiff heißt Touareg

Dritte Generation kommt im Juni - Arbeitstier und Luxusliner

VW: Das neue Flaggschiff heißt Touareg

VW Touareg: Die dritte Generation des zum Flaggschiff avancierten SUVs fährt im Juni an den Start.

VW Touareg: Die dritte Generation des zum Flaggschiff avancierten SUVs fährt im Juni an den Start. Hersteller

Deutschland und seine SUVs – das ist ein ambivalentes Thema. Die einen verurteilen gerade die Exemplare der XXL-Kategorie als sozial inkompatible Spritschlucker, die anderen – und das sind viele – schätzen die geräumigen Fahrzeuge aufgrund ihrer praktischen Eigenschaften aber in hohem Maße.

Bei VW ist man sich bewusst, dass ein SUV sympathisch wirken sollte, nicht martialisch. Das nimmt Kritikern den Wind aus den Segeln, ganz abgesehen davon, dass die Marke nach den desaströsen Vorgängen der letzten Zeit sowieso um eine freundlichere Wahrnehmung wirbt. "Menschlicher" als der Vorgänger sehe der neue Touareg aus, betont Designer Frank Bürse daher, nicht wie "eine Schrankwand" und ohne "bösen Blick". Brüse spricht von "Floating" und davon, dass die Linienführung weniger technisch sei als beim Vorgänger. Dass sich die Chromeinfassung des stattlichen Kühlergrills seitlich zu den schmalen Scheinwerfern (optional als LED-Matrix) hochzieht, zeichnet der Front tatsächlich ein gewinnendes Lächeln ins Gesicht, ansonsten generieren die ausgestellten hinteren Kotflügel einen vertrauenerweckend breitschultrigen Auftritt. Wie schon beim Arteon erstreckt sich der Namenszug jetzt mittig und elegant übers Heck.

Der Touareg, der wie seine konzerninternen Brüder Audi Q8 Porsche Cayenne und Bentley Bentayga auf dem Modularen Längsbaukasten (MQL) des Hauses steht und im slowakischen Bratislava produziert wird, ist das neue Flaggschiff von VW. Ein Erbe, dem der Touareg auch die marketingtechnische Einordnung als "Limousine unter den SUVs" zu verdanken hat. Im Vergleich zum Vorgänger ist er etwas flacher, gleichzeitig aber breiter und vor allem länger geworden und streckt sich jetzt auf 4,88 Meter. Das schafft genügend Platz für die Passagiere und bietet die Voraussetzungen für mehr Kofferraum, hier ist das Volumen von 697 auf 810 Liter gewachsen. Die Aufpreisliste offeriert eine elektrisch ein- und ausfahrbare Laderaumabdeckung, um das Frachtgut vor neugierigen Blicken zu schützen.

VW Touareg Innovision Cockpit

Gegen Aufpreis: Das Innovision-Cockpit zieht sich über fast zwei Drittel des Armaturenträgers und ist personalisierbar. Hersteller

Um die Ansprüche der geneigten Kundschaft zufriedenzustellen, muss der Touareg den Spagat zwischen robustem Arbeitstier einerseits und langstreckentauglicher Reiselimousine andererseits schaffen. Letzteres gelingt zunächst mit einem Großraum-Interieur, das nicht durch die komplette Abwesenheit harten Kunststoffes glänzt, dessen vornehmer Wohlfühlkomfort mit optionalem Luxus wie pneumatischer Sitzmassagefunktion, Vierzonen-Klimaautomatik und 30-Farben-Ambientelicht aber erfolgreich den Anschluss an den der Hauptkonkurrenten BMW X5 und Mercedes GLE sucht.

Zentraler Blickfang ist das spektakuläre Innovision-Cockpit, das im Touareg Weltpremiere feiert und die gehypten Teslas locker alt aussehen lässt. Das glasüberbaute "Digital Cockpit" mit seinem 12-Zoll-Screen kennt man schon. Daran schließt sich jetzt aber rechts der riesige und fahrerorientierte 15-Zoll-Bildschirm des Top-Infotainmentsystems "Discover Premium" an. Beide Screens bilden eine optische Einheit und nehmen in der Breite fast zwei Drittel des Armaturenträgers ein. Die Kommandozentrale sei wie auf dem Smartphone "personalisierbar", erklärt HMI-Designerin Indra Kögler und wischt die diversen Kacheln flüssig an die Positionen, die sie haben möchte. Knöpfe und Schalter gibt es kaum noch. "Die Schlüsselfunktion der Lautstärkeregelung haben wir aber bewusst auch analog ausgeführt", sagt Indra Kögler, denn etwas Intuitiveres gebe es nicht – danke dafür. Ergänzend stellt VW ein ungewöhnlich großes und variierbares Head-up-Display bereit.

Allradlenkung für Agilität

Auch fahrtechnisch habe man den Fokus klar auf Komfort gelegt, erklärt Produktreferent Philipp Jung. Deshalb gibt es eine optionale Luftfederung mit elektronisch geregelten Dämpfern und einen aktiven Wankausgleich, deshalb sorgt die gleichfalls optionale Allradlenkung für Agilität und Wendigkeit, sie verkleinert den Wendekreis um einen Meter von 12,19 auf 11,19 Meter. Zum leichtfüßigeren Handling trägt auch die Gewichtsreduktion um bis zu 100 Kilo bei. Allradantrieb ist obligatorisch, klar; Hardcore-Offroadtechnik wie mechanische Sperre und Untersetzungsgetriebe wird indes nicht mehr angeboten, denn die Einbaurate habe bei mickrigen drei Prozent gelegen, heißt es.

Wie es sich für ein Flaggschiff gehört, ist das Arsenal an Assistenzsystemen umfänglich, die Nachtsichterkennung "Nightvision" mit Wärmebilderkennung gehört ebenso dazu wie der Stau- und Baustellenassistent, der bis Tempo 60 teilautomatisiert durch die Krisensituation verengter Fahrbahnen hilft oder der Trailer-Assist zum Rangieren mit Anhänger. 60 Prozent der Touareg-Kunden wollen den Boots-, Wohn- oder Pferdeanhänger durch die Lande schleppen und ordern das große SUV daher mit Anhängekupplung, die Anhängelast liegt bei fürstlichen 3,5 Tonnen.

VW Touareg III

Was der Touareg III kostet, ist noch nicht bekannt. Das aktuelle Modell gibt es ab 54.700 Euro. Hersteller

Kein autonomes Fahren nach Level 3

Autonomes Fahren nach Level 3 (wie das Audi-Flaggschiff A8 ) kann der Touareg nicht, zumindest aber wird man ihm noch die Fähigkeit zum ferngesteuerten Einparken (Remote Parking) anerziehen.

Zum Marktstart im Juni debütiert der Touareg vorerst mit zwei Dreiliter-V6-Dieseln, der eine leistet 170 kW/231 PS, der andere 210 kW/286 PS und 600 Nm Drehmoment, beide arbeiten mit AdBlue und erfüllen die Abgasnorm EU6 AG. Im Herbst folgt ein V6-Benziner mit 250 kW/340 PS (EU6 AJ). Als Krone der Schöpfung ist schließlich ein Vierliter-V8-Turbodiesel mit 310 kW/421 PS und 900 Nm Drehmoment vorgesehen. "Wir sind fest davon überzeugt, dass der perfekte Motor für dieses Auto der Diesel ist", sagt Baureihensprecher Martin Hube dazu. Das Nicht-Diesel-Land China wird schon mal einen Plug-in-Hybrid mit einer Systemleistung von 367 PS und einer elektrischen Reichweite von 50 km bekommen. Ob und wann ein solcher PHEV auch in Europa realisiert wird, ob man den Elektromotor dann mit einem Vier- oder einem Sechszylinder-TSI verbandelt, steht noch offen. Ein Mildhybrid und 48-Volt-Bordnetz ist nicht vorgesehen, wohl um den Anstands-Abstand zum entsprechend ausgestatteten Audi Q8 zu wahren.

Abstrahleffekt auf Golf und Polo

Dass VW ausgerechnet in Peking den Schleier vom Touareg III gezogen hat, ist kein Zufall. VW ist Marktführer in China, das Reich der Mitte ist auch der größte Markt für das SUV, nirgendwo sind die Kunden jünger, im Durchschnitt zählen sie 41 (Deutschland 55) Jahre. Was die Innovationen im neuen Flaggschiff anbelangt, so sprechen die Niedersachsen vom "Abstrahleffekt" auf kleinere Baureihen wie den Golf oder den Polo. Heißt: Über kurz oder lang sollen auch diejenigen davon profitieren, die sich nicht unbedingt für einen solch großen Hochbeiner begeistern. Deutschland und seine SUVs, das ist bekanntlich ein ambivalentes Thema.

Ulla Ellmer

Der Touareg beerbt den Phaeton