kicker

Mercedes-AMG GT Roadster: Platz an der Sonne

Der offene Zweisitzer ist bis zu 316 km/h schnell

Mercedes-AMG GT Roadster: Platz an der Sonne

Mercedes-AMG GT Roadster: Hinter dem Panamericana-Grill verbirgt sich das Kühlsystem "Airpanel".

Mercedes-AMG GT Roadster: Hinter dem Panamericana-Grill verbirgt sich das Kühlsystem "Airpanel". Hersteller

In Arizona ist es schon im März heiß - sehr heiß: 35 Grad, Sonne satt, ein tiefblauer Himmel, dem die Saguaro-Kakteen säulenhoch entgegenwachsen. Perfektes Roadster-Wetter also. Doch nicht nur deshalb ist die Gegend im Westen der USA als Bühne für die Fahrvorstellung des brandneuen AMG GT Roadsters auserkoren worden. Die Vereinigten Staaten zählen zu den wichtigsten Absatzmärkten des offenen Zweisitzers, gleich nach Deutschland und noch vor dem UK (United Kingdom), deutlich verregneteren Weltgegenden also.

Auf den perfekt modellierten Straßen rund um Phoenix betreibt der GT Roadster ebenso eifrig wie effektiv Eigenwerbung. Aus Pick-ups und Motorhomes richten sich Smartphones zuhauf auf die in knallgelbem "Solarbeam" eingefärbten Renner, die unterhalb der Gürtellinie der Trucks dahincruisen. Ja, sittsam cruisen, nicht fegen oder fetzen, obwohl die Sportler aus dem schwäbischen Affalterbach natürlich wesentlich mehr draufhätten als die auf US-Highways bestenfalls erlaubten 112 km/h. Doch dazu später.

Mercedes-AMG GT Roadster

Auffallen garantiert: Der GT Roadster in knallgelber "Solarbeam"-Einfärbung. Hersteller

Der brandneue Roadster ergänzt die Familie des AMG GT, zu der außerdem die Coupés GT, GTS, GT R und der rennsportliche GT3 gehören. Der GT ist das zweite von AMG in Eigenregie hergestellte Modell, nach dem Supersportler SLS, der als spektakulär flügeltüriges Coupé, als Roadster und als elektrifizierter Starkstromer "Electric Drive" aufgetreten ist.

Lange Motorhaube, kurzes Heck

Sowohl offen wie geschlossen bietet der GT Roadster einen überaus verlockenden Anblick. Breit und satt steht er da, lauert auf den großen Auftritt. Klassisch die Proportionierung aus langer Motorhaube und kurzem, durchtrainierten Heck; im Gesicht trägt der Open-Air-Zweisitzer den äußerst dekorativen Panamericana-Kühlergrill, dessen 15 senkrechte, verchromte Streben jenem legendären Mercedes-Benz 300 SL Tribut zollen, der bei der Straßenrallye der Carrera Panamericana im Jahr 1952 einen Doppelsieg eingefahren hat. Dahinter ist das aktive Luftregelsystem "Airpanel" tätig, dessen Lamellen bedarfsgerecht und blitzschnell öffnen bzw. schließen, um den Wärmetauschern das nötige Maß an Kühlluft zuzufächeln. Sofern keine Gefahr der Überhitzung besteht, bleiben die Lamellen geschlossen, um den Luftwiderstand zu reduzieren.

Das Cockpit ist ein Sehnsuchtsort für Roadster-Fans. Die Vielzahl an Schaltern und Knöpfen dürfte Innenraum-Puristen zwar Falten des Unmuts auf die Stirn malen, einem Roadster, der ja auch immer ein bisschen retro sein darf, stehen sie indes gut - ebenso wie die klassische Instrumentierung, die analogen statt digitalen Prinzipien folgt. Ein Head-up-Display gibt es übrigens nicht, hierfür ist der Platz hinter der Windschutzscheibe zu knapp. Verhältnismäßig weit zurückgesetzt findet sich der Wählhebel für die 7-G-Speedshift-Automatik; für kleiner gewachsene Zeitgenossen, die eine vorgerückte Sitzposition einnehmen, ist es nicht ganz easy, von dort zuzugreifen.

Mercedes AMG GT-Roadster

Wohlproportioniert: Lange Motorhaube, zurückgesetzte Fahrerkabine, muskulöses, kurzes Heck - und dazu ein Stoffverdeck. Hersteller

Dreilagiges Stoffverdeck

An kühleren – oder zu heißen – Tagen schließt sich ein dreilagiges Verdeck über den beiden Insassen, es ist in den Farben Rot, Schwarz und Beige erhältlich. Binnen elf Sekunden faltet sich das Softtop im Heckbereich zusammen bzw. wieder aus, das funktioniert bis zu einer Geschwindigkeit von 50 km/h. Je nach Wetterlage kümmert sich eine Kombi aus Nackenfön und Sitzheizung oder Air Condition und Sitzkühlung (Aufpreis) darum, dass das Cockpit eine gemäßigte Klimazone bleibt.

AMG bietet den GT Roadster in zwei Versionen an, als AMG GT und als AMG GT C. Herzstück ist jeweils ein Vierliter-V8-Biturbo, der – wie es in Affalterbach Sitte ist – die handschriftliche Signatur seines persönlichen Monteurs trägt. Im GT leistet die Maschine 476 PS, im GT C setzt sie 557 PS frei. Über einen Startknopf wird das Kraftwerk zum Dienst gerufen, den es – wow! – mit einem volltönenden Grollen aus basstiefster Kehle antritt. Fahrer und Beifahrer dürfte der dezibelstarke Klangteppich entzücken, gut möglich allerdings, dass sich der Nachbar finster die Ohren zuhält.

Im GT C entsendet der Achtzylinder ein mächtiges Drehmoment von 680 Nm an die Hinterachse. In Kooperation mit dem üppigen PS-Potenzial ergeben sich angemessen respektable Fahrleistungen; in 3,7 Sekunden pulverisiert der GT C die Tempo-100-Marke, wird er von der Leine gelassen, rennt er bis zu 316 km/h schnell. Dies darf er freilich nur auf deutschen Autobahnen ungestraft tun, und auch da ist es nicht wirklich wünschenswert. "Um die Möglichkeiten ihres AMG tatsächlich auszuloten, gehen unsere Kunden verstärkt auf die abgesperrte Rennstrecke", sagt denn auch AMG-Chef Tobias Moers. Wenn es dort richtig zur Sache geht, hilft Zubehör wie der Datenlogger "Track Pace" (per App lässt sich die Fahrweise auf dem Circuit analysieren) oder die Keramik-Hochleistungs-Verbundbremsanlage weiter, die den Roadster besonders nachdrücklich zum Stand zwingt.

Mercedes-Benz AMG GT Roadster Cockpit

Sehnsuchtsort: Das an Schaltern nicht arme Cockpit des AMG GT Roadsters. Hersteller

Hinterachslenkung für den GT C

„AMG definiert sich nicht nur über hohe PS-Leistungen oder Höchstgeschwindigkeit", sagt Tobias Moers. Auch beim GT vergönnt die schiere Kraft Fahrerlebnisse, die über Tempobolzen hinausgehen. Der Roadster ist auch als relaxter Gleiter groß, mit dem es sich ebenso gemächlich wie genüsslich durch den Sommer cruisen lässt. Bestens beherrscht er freilich auch den Slalom über kurviges Geläuf, überaus präzise teilt sich die Lenkung mit, leichtfüßig steppt der Zweisitzer um die Kurven, wobei die optionale (und dem GT C vorbehaltene) Hinterachslenkung viel Gutes tut. Bis 100 km/h werden die Hinterräder in entgegengesetzter Richtung zu den Vorderrädern eingeschlagen, bei höherem Tempo lenken beide Achsen analog zueinander.

Der Platz an der Sonne im AMG GT Roadster ist erwartungsgemäß jenen vorbehalten, die – sagen wir's mal so – finanziell keine Not leiden. Der GT erfordert eine Investition von mindestens 129.180 Euro, der GT C von 160.650 Euro. Hinzu kommen die Versuchungen der knapp 50-seitigen Aufpreisliste. Allein die Karbon-Keramik-Bremsen kosten 8270 Euro, die Hinterachslenkung 2142 Euro, die AMG-Performance-Sitze 2320 Euro, und das Carbon-Paket Exterieur 4700 Euro. Da kann es einem ganz schön heiß werden – auch bei einer Außentemperatur unterhalb 35 Grad.

Ulla Ellmer Mercedes-AMG GT Roadster in Kürze:

Wann er kommt: Am 28. April

Wen er ins Visier nimmt: Audi R8 Spyder, Porsche 911 Cabrio, Jaguar F-Type Roadster

Was ihn antreibt: Vierliter-V8-Biturbo mit 476 oder 557 PS

Was er kostet: 129.180 Euro (GT Roadster) bzw. 160.650 Euro (GT C Roadster)

Was noch kommt: Ein viertüriges GT-Coupé, Debüt wahrscheinlich 2018

Mercedes-AMG GT Roadster: Schnell durch den Sommer