Basketball

Mehr als ein Hauch von Bonn: Wie Paris den Eurocup aufmischt

Größter Sieg der Vereinsgeschichte winkt

Mehr als ein Hauch von Bonn: Wie Paris den Eurocup aufmischt

Kurz vor der Euroleague-Qualifikation: Head Coach Tuomas Iisalo.

Kurz vor der Euroleague-Qualifikation: Head Coach Tuomas Iisalo. IMAGO/PanoramiC

Es ist wohl nicht ganz das Finale geworden, das sich die Macher der Euroleague, unter deren Dach der "zweitklassige" Eurocup angesiedelt ist, gewünscht hätten. Im Bestreben, ihre Standorte in den größten Metropolen Europas zu haben, hätten sich die Verantwortlichen sicherlich das Halbfinale zwischen den London Lions und Paris Basketball gewünscht - der Sieger wäre nämlich in die Euroleague aufgestiegen. So schaffte aber nur das Team aus der französischen Hauptstadt den Sprung ins Finale, wo es gegen seine Landsleute aus Bourg-en-Bresse um den Eurocup-Titel und die Aufnahme in die beste Basketballliga Europas geht. Dass Paris Basketball, trainiert vom ehemaligen BBL-Coach Tuomas Iisalo, als Favorit in das innerfranzösische Duell geht, steht außer Frage. Nur eines von 21 Spielen haben die Hauptstädter verloren.

Es könnte der vorläufige Höhepunkt einer rasanten Entwicklung des erst 2017 gegründeten Klubs sein. Erst durch diverse Kooperationen und vor allem durch das grenzenlose Wohlwollen der Stadtpolitik hat der Retortenverein an Kraft und Potenzial gewonnen. Als Aushängeschild der französischen und insbesondere der Pariser Basketballkultur sollte der Verein für Integration und Zusammenhalt stehen. Stärke und Gemeinschaft durch Sport, ein modernes, hippes Projekt, das vielleicht auch in den Banlieues seine Wirkung entfalten wird.

eurocup - finale

Doch bei aller Sozialromantik war von Anfang an klar: Der Verein sollte perspektivisch dem AS Monaco die Nummer eins in Frankreich streitig machen und darüber hinaus lieber heute als morgen in die Euroleague aufsteigen, an die großen Geldtöpfe gelangen und im Konzert der Großen auf Augenhöhe mit Real Madrid oder dem FC Barcelona mitspielen.

Mit David Kahn gewannen die Franzosen einen erfahrenen Mitstreiter und Anteilseigner, der in der NBA bei den Indiana Pacers und den Minnesota Timberwolves als General Manager gearbeitet hatte. Dank seiner Kontakte entwickelte sich die Organisation schnell und baute ihre Basis aus. Anfang der 2020er Jahre geriet das Projekt kurzzeitig ins Stocken, sportlich ging es nicht so steil bergauf wie erhofft, die Corona-Pandemie tat ihr Übriges. Kahn und seine Mitstreiter mussten finanziell in Vorleistung gehen, auch weil sich der Verein schon früh den einen oder anderen Top-Transfer leistete. Doch spätestens mit dem Aufstieg in die höchste französische Spielklasse 2021 standen und stehen Paris alle Türen offen. Adidas ist mittlerweile Ausrüster und Sponsor und hat die Mannschaft in den nationalen Shops und Hotspots der Metropole präsent gemacht.

In der Debütsaison landete das ambitionierte Projekt allerdings nur auf Rang 15 und entging damit dem Abstieg einigermaßen knapp. Ein Jahr später fehlte dem Klub dann nur noch ein Sieg für die Teilnahme an den nationalen Play-offs.

Die nationalen Play-offs sind in Aussicht

Diese hat Paris in der laufenden Saison endlich in Aussicht. Mit dem Gewinn des Ligapokals wurde die erste Trophäe eingeheimst - nun winkt der Eurocup-Titel. Der Aufschwung in dieser Saison hat vor allem mit einer Verpflichtung im Sommer zu tun: Die Pariser verpflichteten Tuomas Iisalo, der mit den Telekom Baskets Bonn die Champions League gewonnen und die Rheinländer nach einer Fabelsaison fast zum Meistertitel geführt hatte.

TJ Shorts

Immer voller Einsatz: TJ Shorts. Getty Images

Dass Iisalos intensives Spiel getreu dem Bonner Motto "Eine schnelle Entscheidung ist besser als eine richtige Entscheidung" auf Anhieb griff, lag auch daran, dass der Finne seinen Center T.J. Shorts mit an die Seine brachte - wie schon 2021, als beide den Weg von Crailsheim nach Bonn fanden.

Und das halbe Bonner Team folgte: Sebastian Herrera, Tyson Ward, Collin Malcolm, Michael Kessens und DBB-Center Leon Kratzer wechselten ebenfalls nach Paris. Paris, das deshalb gelegentlich als "Bonner Farmteam" verspottet wurde, trumpfte fortan in allen Wettbewerben auf. In der nationalen Pro A rangiert Iisalos Team inzwischen auf Platz zwei - noch hinter AS Monaco, aber schon vor ASVEL Villeurbanne, das lange als Nummer zwei gehandelt wurde. Im Eurocup waren Iisalos Mannen mit einer Ausnahme im November (63:68 gegen Besiktas) nicht zu stoppen.

Auch in Frankreich hat sich Shorts zum absoluten Leistungsträger entwickelt. Der nur 1,75 Meter große Guard erzielt in der Liga durchschnittlich 15,3 Punkte und 6,8 Assists. Im Eurocup sind es sogar 17,9 und 7,5. Nach den Siegen gegen London wurde er zum Halbfinal-MVP gewählt.

Iisalo, der auf dem Parkett nicht weniger ehrgeizig ist als Stratege und wie dieser nur noch zwei Siege von der ersehnten Euroleague-Teilnahme entfernt ist, wurde sogar zum Eurocup-Trainer des Jahres gewählt - weil er, wie es offiziell hieß, "den aufregendsten Basketball im Wettbewerb" spielen lasse.

Mit dem Finale soll noch lange nicht Schluss sein. Und nur zu gerne würden der Trainer, sein Team und der ganze Verein auch in der kommenden Saison mit ähnlichen Vorschusslorbeeren bedacht werden. Dann allerdings eine Etage höher, in der Euroleague.

pau