Bundesliga

Mainz-Trainer Lichte: "Klopp als Vorbild, das wäre vermessen"

Wie der neue Cheftrainer die Probleme angehen will

Mainz-Trainer Lichte: "Klopp als Vorbild, das wäre vermessen"

Eine neue Tür hat sich geöffnet: Jan-Moritz Lichte ist neuer Cheftrainer bei Mainz 05.

Eine neue Tür hat sich geöffnet: Jan-Moritz Lichte ist neuer Cheftrainer bei Mainz 05. imago images

Als Assistent von Sandro Schwarz und Achim Beierlorzer kennt Jan-Moritz Lichte die Mainzer Mannschaft aus dem Effeff. Das hat eine entscheidende Rolle gespielt, um den Fußballlehrer zum Cheftrainer zu befördern. Die finanzielle Situation aufgrund der Corona-Pandemie und die Tatsache, dass Mainz 05 nach Schwarz und Beierlorzer nun den dritten Cheftrainer bezahlen muss, habe dabei keine Rolle gespielt, versichert Sportvorstand Rouven Schröder. Beim ersten Auftritt als Cheftrainer auf dem Podium von Mainz 05 sprach Lichte über...

...die Aufgabe: "Ich sehe sie als sehr schwierig an. Was der Verein die letzten anderthalb Wochen erlebt hat, war nicht das, was ein Verein erleben möchte. Es ist eine gewisse Ruhe, die für Mainz 05 ganz wichtig ist, verloren gegangen. Die Aufgabe ist anspruchsvoll. Ich weiß, dass in meinem Staff ganz viele Leute mit ganz viel Qualität sind, das ist für mich das Faustpfand. Ich habe Personen um mich herum, auf die ich mich verlassen kann. Sie wissen, wie wir zusammen die Mannschaft anpacken müssen, damit wir als Mannschaft wieder Grundtugenden haben, die sich der Verein, die Fans und die Mitglieder wünschen. Das ist für mich der erste Schritt."

...das schlechte Image der Mannschaft: "Sie hat es sich selbst zuzuschreiben, dass sie jetzt als schwierig gilt. Der Streik war etwas, womit wir nicht rechnen konnten und auch nicht rechnen wollten. Er hatte seine Gründe. In meiner neuen Funktion will ich nach vorne blicken. Ich möchte alle so nehmen, wie sie sind. Das habe ich den Spielern heute Morgen gesagt. Ich erwarte von ihnen, dass sie mit ihren positiven und negativen Charaktereigenschaften, wie wir sie alle haben, in der Kabine und auf dem Platz sind, und das Beste reinwerfen, was sie haben. Den Druck haben sie sich auch selbst gemacht durch die Situation, wie wir sie hatten."

...den ersten Arbeitstag: "Zunächst hat Rouven Schröder der Mannschaft die Situation dargestellt, dann habe ich ihr mitgeteilt, was ich im täglichen Umgang, der Trainingsarbeit erwarte und an welchen Dingen ich sie messen werde."

Am Ende glaube ich, ich bin ein ganz netter Kerl. Wenn das andere über mich sagen, dann bin ich eigentlich sehr zufrieden.

Jan-Moritz Lichte

...den eigenen Charakter: "Es ist immer schöner, wenn Fragen danach andere beantworten. Am Ende glaube ich, ich bin ein ganz netter Kerl. Wenn das andere über mich sagen, dann bin ich eigentlich sehr zufrieden."

...die Dauer der Mission: "Ich kann mir prinzipiell eine Dauerlösung vorstellen, aber das ist nichts, worüber ich mir aktuell Gedanken mache. Diese gehen eher dahin, wie wir die Mannschaft auf Union Berlin gut vorbereiten. In der Länderspielpause können wir uns dann vielleicht weitere Aspekte erarbeiten. Ich bin gut beraten, es Schritt für Schritt anzugehen, die Dinge zu beeinflussen, die ich jetzt beeinflussen kann."

...den Karriereschritt: "Ich habe mich immer wohlgefühlt und mit tollen Cheftrainern zusammengearbeitet, von denen ich viel gelernt habe. Ich habe schon früh für mich gesagt, wenn ich es mit meiner Vita schaffe, mit Fußball meinen Lebensunterhalt zu verdienen, dann ist das ein Traum. Fußball ist eine Sache, die ich unheimlich gerne und von Kindheitsbeinen an mache. Das ist auch jetzt noch so. Der Co-Trainer-Posten hat tolle Aufgabenfelder, man kann vieles einbringen und ich habe es immer gerne gemacht. Jetzt ist die Situation da, in der ein Verein aktiv fragt, ob ich mir es als Cheftrainer vorstellen kann - und ich kann es mir vorstellen. Die veränderte Rolle wird auch dazu führen, dass man andere Charaktereigenschaften in den Vordergrund stellt. Ich bin der Meinung, dass ich Spieler kritisch betrachten und Auseinandersetzungen mit ihnen führen kann, die ich als Co-Trainer nicht geführt habe. Ich werde sie mit aller Klarheit führen."

...Vorbilder: "Als kleiner Fußballer hätte ich ein paar Idole nennen können, als Trainer finde ich es schwierig. Ich glaube, dass jeder Trainer auf seinem Charakter aufbauend so ist, wie er ist. Wenn wir uns 'Kloppo' anschauen, dann wäre es vermessen zu sagen, er ist für mich ein Vorbild. Das wäre ja etwas, was man glaubt erreichen zu können. 'Kloppo' hat dieser Stadt und diesem Verein so unfassbar viel gegeben, wahrscheinlich würden sich alle wünschen, dass er wieder da wäre. Ich wäre der Erste, der sagen würde 'gib mir meinen alten Vertrag' zurück, wenn Jürgen Klopp erklären würde, er habe genug von Liverpool und er käme wieder nach Mainz. Das schaue ich mir gerne aus der zweiten Reihe an."

...das Attribut Taktikguru: "Ich bin Fußballtrainer, und natürlich mache mich mir Gedanken über taktische Dinge, genau wie andere auch. Aber die Idee muss immer von der Mannschaft umgesetzt werden. Für mich kommt jetzt erst einmal das Thema Basis, Leidenschaft, Hingabe, um auch dem Verein das zu geben, was er braucht. Das wird immer nur in Verbindung mit einer taktischen Idee funktionieren. Du brauchst ein taktisches Konzept, in dem du alles geben kannst."

...bevorstehende Veränderungen: "Manche Dinge macht man anders, weil man eine andere Person ist, ich kommuniziere anders. Ich werde es so machen, wie ich bin. Wir müssen eine Basis mit der Mannschaft finden, um das umzusetzen, was ich mit meinem Team erarbeiten werde. Wir müssen es schaffen, weniger Gegentore zu bekommen. Wenn wir unseren Schnitt der vergangenen Jahre nicht senken, werden wir wenige Spiele gewinnen. Wir müssen eine defensive Struktur entwickeln, die es uns ermöglicht, ein Spiel zu gewinnen, wenn wir ein, zwei Tore schießen. Dabei müssen alle mitmachen, und dieses gemeinsame Verteidigen ist vielleicht auch etwas, was manchmal gefehlt hat. Der Plan ist, auch im Umschaltspiel bessere Situationen zu schaffen und vielleicht einmal ein einfaches Tor zu schießen. Das wäre für mich der erste Schritt."

...die Versetzung von Szalai in die 2. Mannschaft, der deswegen vor das Arbeitsgericht zieht (Termin am 8. Oktober): "Das ist nicht mein Thema für diese Woche. Wir haben in der vergangenen Woche die Entscheidung gemeinschaftlich getroffen, und diese hat Bestand."

Aufgezeichnet von Michael Ebert

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