Int. Fußball

Leicester City vor dem Abstieg: Wie konnte das passieren?

Am letzten Spieltag hilft nur noch ein kleines Wunder

Leicester City vor dem Abstieg: Wie konnte das passieren?

Wahrscheinlich doch nicht zu gut, um abzusteigen: James Maddison (li.) und Youri Tielemans.

Wahrscheinlich doch nicht zu gut, um abzusteigen: James Maddison (li.) und Youri Tielemans. IMAGO/PA Images

Gerade einmal zwei Jahre ist es her, dass Kasper Schmeichel und Wes Morgan in Wembley den FA Cup entgegennahmen, den Leicester City durch einen 1:0-Erfolg gegen Thomas Tuchels FC Chelsea erstmals in der Vereinsgeschichte gewonnen hatte. Ein Traumtor von Youri Tielemans hatte für den umjubelten Coup gesorgt. Die Qualifikation für die Champions League verspielten die Foxes an den beiden letzten Spieltagen mit Niederlagen gegen Chelsea und Tottenham zwar noch, wurden am Ende wie im Vorjahr "nur" Fünfter. Doch alles schien im Lot zu sein beim Überraschungsmeister von 2016, der 2022 noch im Halbfinale der Europa Conference League stand.

Ende Mai 2023 ist die Lage fast schon hoffnungslos. Vor dem letzten Spieltag hat Leicester sein Schicksal nicht mehr in eigener Hand. Nur wenn Everton zu Hause nicht gegen Bournemouth gewinnt, wären die Foxes noch zu retten. Und selbst dann müssten sie noch West Ham United schlagen, wovon man auch nicht ausgehen sollte. Seit die Premier League nach der WM in Katar den Betrieb wieder aufnahm, hat Leicester City von 22 Spielen zwei gewonnen.

Where did it all go wrong?

Eine große Rolle beim sportlichen Niedergang spielten die Finanzen. Der Klub hatte einiges an Geld in die Hand genommen, begonnen sich finanziell etwas zu strecken, um dauerhaft im oberen Premier-League-Segment mitspielen zu können. Leistungsträger wurden mit lukrativen Verträgen gehalten, neue Spieler für viel Geld verpflichtet, der Bau einen modernen Trainingszentrums begonnen. Auch das King Power Stadium sollte um 8000 Plätze erweitert werden.

Die Pandemie traf Leicester noch härter als andere Klubs

Genau in dieser Phase schlug die Pandemie zu. Diese traf Leicester City noch härter als andere Klubs. Denn "King Power", Firma der Besitzerfamilie Srivaddhanaprabha, war zu einem erheblichen Teil von der Tourismusindustrie abhängig. Die Folgen sind für den Klub immer noch zu spüren, Anfang April verkündete er Rekordverluste für 2021/22.

Der unverträgliche Mix aus steigenden Gehaltskosten und sinkenden Einnahmen hatte zur Folge, dass Leicester sich zunehmend unter den Zwängen des Financial Fairplay (FFP) befand. Diese waren zum Beispiel ein Grund dafür, Torhüter und Kapitän Kasper Schmeichel, einen der Topverdiener im Kader, abzugeben. Sportlich eine folgenschwere Entscheidung. Auf dem Transfermarkt war Leicester nur sehr sporadisch aktiv. Und wenn, leistete man sich auch noch teure Fehlgriffe, wie die Verpflichtung des früheren Bundesliga-Profis Jannik Vestergaard für fast 18 Millionen Euro.

Rodgers blieb zu lange

Als die von ihm geforderte Auffrischung des Kaders im Sommer ausblieb, machte Chefcoach Brendan Rodgers immer mehr den Eindruck, eigentlich lieber woanders zu sein. Die Bindung zu Teilen seines Kaders verlor er zunehmend. Anfang April trennten sich die Wege nach vier Jahren. Ein wachsender Teil der Anhängerschaft hatte Rodgers‘ Entlassung längst gefordert. Und die Trennung erfolgte, so schwer sie den Besitzern nach den erfolgreichen Vorjahren fiel, wohl tatsächlich zu spät. Nachfolger Dean Smith gelang es nicht mehr, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.

Den Zorn der Fans zogen sich auch die Spieler zu. Zu Recht. Denn für den Klassenerhalt hätte die Qualität des Kaders trotz zahlreicher Verletzungen, vor allem im Sorgenbereich Abwehr, eigentlich reichen müssen. Klassischer Fall von "zu gut, um abzusteigen". Doch irgendwann ließ sich die Abwärtsspirale nicht mehr stoppen, der Trend nicht mehr umdrehen. Leicester taumelte am Abstieg entgegen. "You’re not fit to wear the shirt", sangen die Anhänger beim desaströsen 3:5 beim FC Fulham Anfang Mai.

Ein krasser Umbruch steht bevor

Viele Spieler werden das blaue Trikot der Foxes 2023/24 in der Tat nicht mehr tragen. Leicester steht ein riesiger Umbruch bevor, selbst wenn der Klassenerhalt irgendwie noch gelänge. Die Verträge von sieben Spielern, darunter Tielemans und der frühere Freiburger Caglar Söyüncü, dem Rodgers die nötige Einstellung öffentlich abgesprochen hatte, laufen am Saisonende aus. Acht weitere Spieler, darunter Routinier Jamie Vardy, Spielmacher James Maddison oder Mittelfeldmotor Wilfred Ndidi, gehen ins letzte Vertragsjahr. Bei Abstieg sind viele nicht zu halten.

Im Falle des Abstiegs steht Leicester City trotz üppiger Fallschirmzahlungen der Liga vor einer Herkulesaufgabe. Der große Kaderumbau bietet zwar die Chance, die Gehaltskosten, die in dieser Saison zum Beispiel über denen von Newcastle United oder Aston Villa liegen, zu senken. Der Wiederaufstieg in die Premier League mit ihren TV-Millionen müsste jedoch schnellstmöglich gelingen. Sonst droht der Klub in eine noch größere finanzielle Schieflage zu geraten.

ski

Salah schon in den Top Ten: Die 20 erfolgreichsten Torjäger der Premier-League-Geschichte