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"Kunstrasen ist komplett anders"

Interview mit Bundestrainer Joachim Löw

"Kunstrasen ist komplett anders"

Bundestrainer Joachim Löw

Zuversichtlich: Bundestrainer Joachim Löw. imago

Wie bewerten Sie mit dem Abstand von einigen Tagen das Trainingslager der Nationalmannschaft und den Auftritt gegen Aserbaidschan, Herr Löw?

Joachim Löw: Es waren intensive zehn Tage, in denen wir wichtige Erkenntnisse gewonnen haben. Warum gegen Aserbaidschan nach der frühen Führung das Spiel so aus der Hand gegeben wurde, ist für mich aber noch immer unverständlich. Gut war, dass die Mannschaft nach den berechtigten Pfiffen zur Pause in der zweiten Halbzeit ins Spiel zurückgefunden hat.

Muss diese Leistung nicht eher Sorgen machen für den Qualifikations-Gipfel in Russland?

Löw: Nein, ich bin weder nervös noch ängstlich, weil ich weiß, dass wir gerüstet sind. Wir haben hundertprozentiges Vertrauen in die Spieler, die dabei waren. Und ich weiß, dass wir in der Lage sind, uns zu steigern, wenn wir das müssen. Das Spiel gegen Russland findet auf ganz anderem Niveau statt als die letzten Länderspiele.

Wie meinen Sie das?

Löw: Russland muss nach vorn spielen, das wird uns Räume eröffnen. Ich erwarte ein schnelles, dynamisches und fußballerisch sehr gutes Spiel. Wir sind dazu in der Lage, da habe ich keine Zweifel.

Chefscout Urs Siegenthaler hat die Russen gegen Liechtenstein und in Wales beobachtet. Was sind seine Erkenntnisse?

Löw: Die wird er uns in der nächsten Woche mitteilen, wenn wir uns in Frankfurt treffen. Dann werden wir Stärken und Schwächen der Russen bis ins Detail erörtern und eine Filmanalyse für die Mannschaft zusammenstellen. Grundsätzlich ist es so, dass die Russen individuelle und mannschaftliche Qualität besitzten. Sie sind mit uns auf Augenhöhe.

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Welche Rolle spielt in diesem Duell der Kunstrasen in Moskau?

Löw: Im Grunde genommen entsteht auf Kunstrasen ein komplett anderes Spiel. Die Bälle springen anders, es entwickeln sich ungewohnte Situationen. Weil wir alle wenig Erfahrung mit Kunstrasen haben, muss ich noch herausfinden, wie man sich am schnellsten darauf einstellt. Vielleicht suche ich noch den Austausch mit Huub Stevens, der mit Red Bull Salzburg ja permanent auf Kunstrasen spielt.

Miroslav Klose klagte über mangelnde Fitness, hat am Wochenende nicht gespielt, sondern absolviert ein gezieltes Aufbauprogramm. War das Ihre Empfehlung?

Löw: Kloses subjektives Empfinden der mangelnden Fitness wurde durch die Ergebnisse unseres Ausdauertests objektiv bestätigt, auch deshalb sind solche Tests für die Spieler wertvoll. Es war wichtig, dass er mit Louis van Gaal eine Absprache getroffen hat, wie seine Grundlagen verbessert werden können. Er braucht ein gezieltes Training, um wieder stabil zu werden. Schließlich sind es bis zur Winterpause noch drei Monate.

Haben Sie schon neue Nachrichten über den Gesundheitszustand von Robert Enke?

Löw: Nein, die normalen Tests waren völlig unauffällig. Die Ergebnisse der Blutuntersuchung vom Hamburger Tropeninstitut werden für Anfang dieser Woche erwartet.

Sie haben vergangene Woche erklärt, es bleibe bei der Einteilung, dass Enke in Russland im Tor steht. Gilt das noch immer?

Löw: Ob er spielen wird, hängt davon ab, wie er sich fühlt, wann er wieder ins Training einsteigen kann. Wenn er erst eine Woche vor der Abreise nach Russland das Training aufnimmt, wird er in Moskau eher nicht spielen. Denn um optimale Leistung bringen zu können, braucht man neben körperlicher Fitness auch den Rhythmus regelmäßiger Einsätze.

Sie haben gegen Südafrika und Aserbaidschan jeweils mit einem 4-2-3-1-System operiert. Wird dies auch die Taktik gegen Russland?

Löw: Die beiden Spiele waren auch deshalb wichtig, weil ich gesehen habe, dass wir in diesem System spielen können und damit eine taktische Flexibilität besitzen. Wir haben auch im 4-4-2 hervorragende Spiele gegen hochkarätige Gegner gemacht, ich erinnere da nur an das 2:1 in Tschechien.

Welches System bevorzugen Sie in Moskau?

Löw: Die Tendez geht dahin, einen offensiven durch einen defensiveren Spieler zu ersetzen. In Russland brauchen wir mehr Spieler, die ihre Stärken in der Balleroberung haben.

Gegen Aserbaidschan haben Sie Philipp Lahm von der rechten auf die linke Abwehrseite versetzt. Ein Wechsel mit Signalwirkung für die Zukunft?

Löw: Der Wechsel war zunächst einmal aktuell bedingt. Marcel Schäfer war in Hannover nicht so gut wie gewohnt, über links hatten wir deshalb große Schwierigkeiten. Ob Lahm in Moskau links oder rechts verteidigt, kann ich im Moment nicht sagen. Er ist auf beiden Seiten hundertprozentig verlässlich. Vielleicht hängt die Entscheidung auch davon ab, ob Beck auf rechts oder Schäfer auf links in der Vorbereitung den besseren Eindruck macht.

Interview: Oliver Hartmann