kicker: Die Aufholjagd gegen Wattenscheid - nach einem zuvor sehr schwachen Spiel - wurde speziell in der Schlussphase von Pfiffen und laustarken Unmutsäußerungen begleitet. Die Stimmung scheint vergiftet. Macht Ihnen Fußball und Rot-Weiss Essen unter solchen Umständen noch Spaß, Herr Knappmann?
Knappmann: Wir sind erst einmal selbst dafür verantwortlich, dass nun eine solche Stimmung herrscht. Unsere Ergebnisse sind alles andere als berauschend. Darüber sind die Fans auf der Tribüne genauso enttäuscht wie wir und sie haben auch kein anderes Mittel, als sich in dieser Form Gehör zu verschaffen. Ich kann diese Unzufriedenheit im Umfeld schon verstehen.
Spielersteckbrief Knappmann
Regionalliga West - 10. Spieltag
Regionalliga West - Tabelle
Trainersteckbrief Wrobel
Rot-Weiss Essen - Vereinsdaten
Gründungsdatum
01.02.1907
Vereinsfarben
Rot-Weiß
kicker: Die eigenen Anhänger waren für Rot-Weiss in der Vergangenheit immer ein Faustpfand. Kapitän Vincent Wagner sprach sogar davon, dass die Mannschaft aktuell gegen und nicht mit dem "zwölften Mann" antritt!
Knappmann: Die Kritik direkt nach dem Spiel war schon harsch, es ging meiner Meinung nach aber noch nicht unter die Gürtellinie. Ich bin ohnehin weit davon entfernt, die Schuld bei den Fans zu suchen. Wir müssen zusehen, dass der Verein und die Fans sich nicht auseinanderdividieren. Im Training arbeiten wir jede Woche enorm hart. Doch dafür können wir uns nichts kaufen. Es bringt auch nichts, groß zu philosophieren, weil es ohnehin nur ein einfaches und banales Mittel gibt, um die Fans wieder auf unsere Seite zu bekommen: Uns helfen nur noch Siege. Sonst bekommen wir in Essen schwer Ruhe rein.
kicker: Trainer Waldemar Wrobel, bei vielen Fans im Mittelpunkt der Kritik, wirkte tief erschüttert. Steht die Mannschaft hinter ihm?
Knappmann: Voll und ganz. Wir haben gegen Wattenscheid schon zum dritten Mal in dieser Saison einen 0:2-Rückstand aufgeholt. Das sollte Indiz genug sein. Wie schon gesagt: Wir trainieren ausgezeichnet, bringen es bisher aber einfach nicht auf den Platz.
kicker: Sie haben bereits fünf Treffer erzielt, aber gegen Wattenscheid zum zweiten Mal in dieser Saison einen Elfmeter verschossen. Machen Sie sich auch selbst Vorwürfe?
Knappmann: Selbstverständlich. Vor allem, weil wir aktuell eine Mannschaft sind, die so etwas nicht so leicht wegstecken kann. In unserer Situation hängt alles am seidenen Faden. Ich bin zu RWE gekommen, um Verantwortung zu übernehmen und habe den Elfmeter leider in den Sand gesetzt. Darüber bin ich selbst maßlos enttäuscht.
Wir befinden uns in einer schwierigen Situation, dürfen uns jetzt aber auch nicht selbst zerfleischen.
Christian Knappmann
kicker: Kommen einige Ihrer Mitspieler mit den traditionell hohen Erwartungen bei RWE nicht klar?
Knappmann: Ich kann nur für mich sprechen, verspüre keine Angst oder negativen Druck. Meine Erfahrung aus der Zeit in Offenbach vor über zehn Jahren zeigt aber, dass Jungs im Alter von 18, 19 oder 20 Jahren so etwas teilweise schon stark belasten kann. Wir befinden uns in einer schwierigen Situation, dürfen uns jetzt aber auch nicht selbst zerfleischen.
kicker: Trotz mehrerer Systemumstellungen gab es in den ersten neun Partien bereits 15 Gegentreffer. Wo liegt das Kernproblem?
Knappmann: Ich bin kein Freund davon, einem bestimmten Mannschaftsteil den schwarzen Peter zuzuschieben. Wir sind kein zerstrittener Haufen. Ganz im Gegenteil! Wenn eine Mannschaft so oft einen Rückstand dreht, liegt es nicht an der Moral oder der Stimmung. Es ist daher weniger ein Problem der Qualität, sondern der Konstanz und der mentalen Stärke. Erst wenn wir zurückliegen, schmeißen wir den ganzen Ballast über Bord, spielen frei auf und bauen Druck auf. Solange es 0:0 steht, wirken wir blockiert. Für mich unerklärlich.
kicker: Mit dem Derby bei der U 23 des FC Schalke 04 (Samstag) und gegen Fortuna Köln (Mittwoch) warten nun zwei Teams aus dem oberen Tabellendrittel. Ist der Zug in Richtung der angepeilten "Top drei" für RWE schon vorher abgefahren?
Knappmann: Wir tun uns im Moment keinen Gefallen damit, den Abstand nach oben zu berechnen. In unserer Situation müssen wir Demut an den Tag legen und uns nicht in Sphären bewegen, die wir aktuell aufgrund unserer Leistungen nicht verdient haben.
Interview: Dominik Sander/ Ralf Debat
