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Klettern ohne Kopftuch: Große Sorgen um iranische "Heldin" Rekabi

33-Jährige bei Rückkehr nach Teheran gefeiert

Klettern ohne Kopftuch: Große Sorgen um iranische "Heldin" Rekabi

Ohne Kopftuch bei den Asienmeisterschaften in Seoul: Die Iranerin Elnaz Rekabi.

Ohne Kopftuch bei den Asienmeisterschaften in Seoul: Die Iranerin Elnaz Rekabi. AFP via Getty Images

2007 betrat Elnaz Rekabi die internationale Bühne im Sportklettern, fünfzehn Jahre später lieferte die in Zandschan geborene Iranerin einen ihrer besten Auftritte ab. Bei den Asienmeisterschaften im Kombinationsformat aus Lead und Bouldern verpasste sie das Podium als Vierte nur knapp, bei den Weltmeisterschaften in Moskau im September 2021 holte sie im "alten" olympischen Kombinationsformat aus Speed, Bouldern und Lead die Bronzemedaille.

Doch nicht wegen ihrer sportlich beachtlichen Leistung stand Rekabi nach den Wettkämpfen im südkoreanischen Seoul im Rampenlicht, sondern weil sie im abschließenden Lead-Finale ohne das vom Iran für iranische Sportlerinnen vorgeschriebene Kopftuch die Wände hochkletterte. Im Boulder-Finale zwei Stunden zuvor hatte sie den Hijab noch getragen.

Angesichts der seit dem 13. September in Folge des Todes von Mahsa Amini andauernden Proteste im Iran gegen das Mullah-Regime und dessen rigide Kleidervorschriften für iranische Frauen wurde Rekabis Auftritt - die offenen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden - als klares Loyalitätsbekenntnis für die aufbegehrenden Menschen in ihrer Heimat interpretiert.

Die Reaktion seitens des Regimes ließ nicht lange auf sich warten: Rekabi wurde zurück in den Iran zitiert. Unter anderem berichtete die BBC von einer vorverlegten Rückreise aus Seoul nach Teheran und davon, dass Familie und Freunde zwischenzeitlich den Kontakt zu ihr verloren hätten. Des Weiteren heißt es, dass ihr Social-Media-Account sowie Email-Konto stillgelegt worden sein sollen. 

Entschuldigung Rekabis wirkt erzwungen

Zuvor wurde von einem Rekabi zugerechneten Instagram-Account eine Entschuldigung für ihr Verhalten verbreitet, wonach sie das Kopftuch nur "versehentlich" vergessen oder verloren haben soll. "Gott sei Dank bin ich in den Iran sicher und bei bester Gesundheit zurückgekehrt", hieß es dort. "Und ich entschuldige mich beim iranischen Volk für die Irritationen und Sorgen."

Die Sportlerin trat dann aber auch im iranische Fernsehen auf. Konkret erklärte sie die Situation im Lead-Finale in einem Interview des staatlichen Senders so: "Ich wurde plötzlich und unerwartet zum Wettkampf aufgerufen, als ich mich noch in der Umkleide befand. Ich war damit beschäftigt, meine Kletterschuhe anzuziehen und mein Equipment zusammenzupacken und habe so vergessen, mein Kopftuch zu tragen - was ich hätte tun sollen."

Elnaz Rekabi

Elnaz Rekabi bereitet sich auf einen Wettkampf vor, hier im Jahr 2019. picture alliance / ZUMAPRESS.com

Inwiefern die Statements von Rekabi der Wahrheit entsprechen, bleibt zweifelhaft. Es besteht der starke Verdacht, dass diese unter Druck der iranischen Regierung erzwungen worden sind. Neben der Tonalität der Erklärung lässt vor allem die Schilderung der spezifischen Wettkampfsituation wenig Raum für Zweifel, immerhin handelt es sich um eine erfahrene Kletterin, die seit Jahren an internationalen Wettkämpfen teilnimmt - und nun soll sie von Wettkampfaufruf überrascht worden sein und deshalb das Kopftuch vergessen haben?

Fakt ist: Die Finalistinnen wurden in Seoul ohne jede Hektik aufgerufen, Rekabi betrat die Bühne gemächlich und verbrachte fast eine weitere Minute, um sich die Route nochmals anzuschauen, ehe sie loslegte.

Empfang in Teheran als "Heldin"

Flughafen in Teheran

Eine große Menschenmenge erwartet Elnaz Rekabi, die "Heldin" des Widerstands, am Teheraner Flughafen. IMAGO/ZUMA Wire

Am Tag ihrer Einreise in den Iran am gestrigen Mittwoch fand ein Treffen zwischen dem Internationalem Olympischen Komitee (IOC), dem internationalen Sportkletter-Verband (IFSC) und dem Nationalen Olympischen Komitees des Iran statt. Dabei sollen das IOC und der IFSC "klare Hinweise" erhalten haben, dass Rekabi "keine Konsequenzen für ihr Verhalten befürchten muss und weiterhin mit dem iranischen Kletter-Team trainieren und an Wettkämpfen teilnehmen darf". Dies wolle das IOC in Abstimmung mit dem IFSC und dem iranischen OK in den kommenden Tagen und Wochen "genauestens verfolgen".

Als Rekabi am Teheraner Flughafen ankam, wurde sie von einer größeren Menschenmenge enthusiastisch empfangen und als "Heldin" des Widerstands gegen das Mullah-Regime bejubelt. Ihr Kopf war mit einer schwarzen Kappe und einem Hoodie bedeckt.

Inhaftierung droht

Ihr aktueller Verbleib ist unklar, ein iranisches Nachrichtenportal berichtet von einer drohenden Inhaftierung  in ein Gefängnis für politische Gefangene. Auf der Meldeliste für den letzten Weltcup in diesem Jahr im japanischen Morioka (20. bis 22. Oktober, Kombination Boulder & Lead) fehlt sie, es befindet sich darauf keine weibliche Athletin aus dem Iran. 

bst