U 21

Freiburgs Yannik Keitel auf den Spuren von Ginter, Baumann & Co.

Ein Porträt des erstmals für die U 21 berufenen Freiburgers

Keitel auf den Spuren von Ginter, Baumann, Günter und Co.

Freut sich auf die U 21: Freiburgs Yannik Keitel.

Freut sich auf die U 21: Freiburgs Yannik Keitel. imago images

Auf der größtmöglichen und spektakulärsten Bundesliga-Bühne ist er schon aufgetreten. Am 29. Februar 2020 darf Keitel mit den Freiburger Profis nach Dortmund reisen. Er steht im Spieltagskader von Christian Streich, nachdem er sieben Tage zuvor mit der U 23 des SC noch 0:3 beim FC Homburg verloren hat - vor 971 Zuschauern. Viermal zuvor saß der Nachwuchsmann fürs zentrale Mittelfeld in der Bundesliga schon auf der Bank und auch das Wintertrainingslager durfte er mit den Profis absolvieren. Mit einem Einsatz im mit 81.365 Menschen ausverkauften Dortmunder Fußballtempel rechnet er trotzdem nicht wirklich.

"Janik Haberer musste zur Pause verletzt in der Kabine bleiben. Ich war draußen mit den anderen Jungs und habe mich locker warm gemacht, plötzlich kam unser Co-Trainer Flo Bruns raus und meinte, Yannik, du kommst rein. Wie, ich komme rein? Ich konnte es erst gar nicht fassen", erinnert sich Keitel im Gespräch mit dem kicker. Er sitzt entspannt auf einem Sofa im Freiburger Mannschaftshotel während des diesjährigen Sommertrainingslagers und lässt diese Schlüsselmomente Revue passieren: "Dann ging es Schlag auf Schlag, viel Zeit zum nervös werden war nicht, kurz darauf ging das Spiel weiter."

Auf der Doppelsechs mit Nicolas Höfler versucht Keitel vor allem "Wege zuzustellen" gegen die in Sachen Ballbesitz dominierenden BVB-Stars. Seine direkten Kontrahenten: Axel Witsel und Emre Can. "Nicht die leichtesten Gegenspieler", sagt Keitel mit einem Grinsen. Im Spiel hält er sich aber nicht ehrfürchtig zurück, kommt gegen Can einmal zu spät und steigt dem Nationalspieler heftig auf den Fuß. Der schaut erst böse, akzeptiert nach dem Abpfiff aber die Entschuldigung des Youngsters. Der SC hat 0:1 verloren, Keitel sich wie die Kollegen tapfer geschlagen (kicker-Note 3,5).

Trotz der Niederlage ist es ein "überwältigendes Ereignis" für den jungen 1,86-Meter-Mann. Nach der späten Rückkehr am Samstagabend in den Breisgau schaut er noch bei der diamantenen Hochzeitsfeier der stolzen Großeltern vorbei, einschlafen kann er in dieser Nacht nicht mehr - "es war einfach ein Überfluss der Reize und Informationen".

Erster Profivertrag Mitte April

Bald danach folgen Corona-Krise, Lockdown und Bundesliga-Pause. Trotzdem gibt es Mitte April für Keitel einen großen Anlass zum Feiern. Er unterschreibt seinen ersten Profivertrag - in dem Verein, der ihn ausgebildet hat. Keitel wächst 30 Autokilometer von Freiburg entfernt in einer von deutschen Familien geprägten Nachbarschaft auf französischem Boden auf. Den Kindergarten und später die Grundschule besucht er jedoch im deutschen Breisach, direkt auf der anderen Rheinseite. Beim örtlichen SV beginnt er auch mit dem Fußballspielen. Zu einem der frühestmöglichen Zeitpunkte, im Alter von elf Jahren, wechselt er 2011 in die Freiburger Fußballschule, die renommierte Nachwuchsakademie des Sport-Clubs.

Gerade der Werdegang von Matze Ginter ist Wahnsinn, davon träumt man dann schon.

Yannik Keitel

Fast immer zählt er zu den Besten seines Jahrgangs, mit 15 bekommt er seinen ersten langfristigen Jugendvertrag. Um weiterzukommen orientiert sich Keitel an den ein Jahr älteren, blickt aber natürlich auch zu den prominenten Absolventen der Fußballschule auf. "Gerade der Werdegang von Matze Ginter ist Wahnsinn, davon träumt man dann schon." Der 29-fache Gladbacher Nationalspieler hat wie Keitel mit elf Jahren in der Jugend des SC angefangen, ist dort unter Streich Profi geworden und hat dann seinen erfolgreichen Weg mit WM-Titel, Olympia-Silber, DFB-Pokal- und Confed-Cup-Sieg eingeschlagen. Auch der derzeit von Joachim Löw nominierte Hoffenheimer Keeper Oliver Baumann spielte im Alter von zehn bis 24 Jahren für den Sport-Club.

"Krass": Zweimal Startelf nach dem Re-Start

Mit einem anderen Jugendidol, dem neuen Profi-Kapitän Christian Günter, der seit 2007 das SC-Trikot trägt, spielt Keitel seit einigen Monaten zusammen. Nach dem Re-Start erteilt ihm Streich am vorletzten und letzten Spieltag, beim 1:3 in München und 4:0 gegen Schalke, sogar noch zweimal das Startelfmandat. Drei Bundesliga-Einsätze, für Keitel immer noch kaum zu fassen: "Es kommt mir immer mal in den Kopf. Dann denke ich: krass. So richtig realisiert man es trotzdem nicht. Es ist auf jeden Fall ein Traum in Erfüllung gegangen. Gerade das erste Spiel in Dortmund noch vor Zuschauern war der Wahnsinn."

Mainas Pech ist Keitels Glück

Als Keitel, dessen großer Ehrgeiz in den vergangenen Jahren auch immer mal in aus Überbelastung resultierenden Verletzungspausen mündete, vergangene Woche mit dem kicker in Schruns zusammensitzt, zieht er dieses Zwischenfazit für 2020: "Für mich persönlich war das Jahr bisher trotz Corona extrem schön, auch wenn ein kleiner Schatten drauf liegt, weil man eben auch an die Menschen denkt, die von der Krise hart getroffen wurden." Die Pandemie ist natürlich noch längst nicht überstanden, trotzdem wurde Einser-Abiturient Keitel am gestrigen Sonntag die nächste große Ehre zuteil. Für den verletzten Linton Maina (Hannover) nominierte U-21-Bundestrainer Stefan Kuntz die Freiburger Nummer 36 nach.

"Ich will Stammspieler werden"

Wegen Personalproblemen im Mittelfeldzentrum trainiert Keitel am Dienstag und Mittwoch zunächst noch in Freiburg, soll laut Kuntz nach einem zusätzlichen Corona-Test beim Spiel am Donnerstag in Wiesbaden gegen Moldau den Spieltagsablauf kennenlernen, um der U 21 ab Freitag komplett zur Verfügung zu stehen. Beim wichtigen EM-Qualifikationsspiel am Dienstag kommender Woche bei Tabellenführer Belgien - das Hinspiel ging in Freiburg 2:3 verloren - dürfte er für den DFB-Coach dann eine wertvolle Option darstellen. "Er hat sich in den letzten Monaten sehr gut entwickelt", lobt Kuntz. Die aktuellen U-21-Jahrgänge 1998/1999 sind nicht gerade mit viel Wettkampfpraxis gesegnet, der 2000er Keitel hingegen hat derzeit beim SC als dynamischer Box-to-Box-Spieler sogar gute Aussichten auf einen Startelfplatz zu Rundenbeginn. Beim Härtetest am Samstag in St. Gallen (3:1) hinterließ er beispielsweise einen guten Eindruck.

"Ich will Stammspieler werden diese Saison. Das ist ein großes Ziel, aber ich bin ein Fan davon, sich hohe Ziele zu setzen", sagt Keitel auf den Verein bezogen. Zur U 21 wird er aber auch nicht ohne Ambitionen reisen. Und auch dort mangelt es nicht an Freiburger Vorbildern. Ginter, Baumann und Günter liefen allesamt für die älteste Juniorenauswahl auf, die unter Kuntz auch bei den jüngsten Erfolgen auf SC-Profis bauen konnte. 2017 holten Haberer und Maximilian Philipp den EM-Titel, 2019 wurden Turnier-Torschützenkönig Luca Waldschmidt und Robin Koch EM-Zweiter.

Carsten Schröter-Lorenz