Amateure

Kaum Angst vor Ansteckung: DFB-Umfrage liefert verblüffendes Ergebnis

Keller und Koch wünschen sich mehr Vertrauen und Mut von der Politik

Kaum Angst vor Ansteckung: DFB-Umfrage liefert verblüffendes Ergebnis

Richteten deutliche Appelle an die Politik: Rainer Koch (li.) und Fritz Keller.

Richteten deutliche Appelle an die Politik: Rainer Koch (li.) und Fritz Keller. imago images

In diesen komplizierten Tagen geht es ja viel um Angst und Vorsicht und Kontrolle auf der einen Seite sowie Mut und Hoffnung und Vertrauen auf der anderen. Wie ist der richtige Umgang mit der Krise in ihrem zweiten Jahr? Was ist sinnvoller: ein längerer Lockdown - oder lieber lockern? Diese Fragen stellen sich für alle Bereiche des Lebens, natürlich auch für den Sport, natürlich auch für den Fußball. Darf man neben den Profis nun auch die Kinder und Amateure wieder trainieren lassen und bald auch wieder spielen? Reichen die Hygienekonzepte dafür aus? Oder ist alles viel zu gefährlich und der Laden bleibt lieber zugesperrt, wie seit vier Monaten?

Der DFB hat sich auf die Suche nach Antworten auf diese spannenden Fragen begeben. Deshalb hat der Verband die Fußballinteressierten im Land aufgerufen, ihre Meinung kundzutun. 101.710 haben innerhalb von neun Tagen im Februar mitgemacht. 83 Prozent sind männlich, 17 Prozent weiblich, 185 Teilnehmer divers. Die Jugend (14 bis 24 Jahre) ist mit 29 Prozent stark vertreten. 40 Prozent spielen selbst, 20 Prozent sind Trainer, je 14 Prozent Vereinsmitarbeiter oder Eltern.

Soweit die Rahmenbedingungen. Die Ergebnisse sind verblüffend eindeutig: Die Sehnsucht nach der Rückkehr auf den Platz ist gewaltig. Keine Überraschung. Das Vertrauen in die Vereine und ihre Konzepte ist groß. Auch keine Überraschung. Trotzdem bemerkenswert. Die Angst, sich auf dem Fußballplatz mit Covid-19 anzustecken, ist: sehr gering! Hier ist sie, die Überraschung.

Es ist der Zeitpunkt gekommen, an dem der Amateursport seine Stimme laut und hörbar erheben muss.

Rainer Koch

DFB-Präsident Fritz Keller und Vize Rainer Koch haben die Ergebnisse der Umfrage am Montag während einer Video-Pressekonferenz vorgestellt. "Unsere Fußballerinnen und Fußballer wollen zurück auf den Platz", betont Keller gleich zu Beginn und klingt recht staatsmännisch, "die Sehnsucht nach dem Fußball in den Vereinen ist riesig." Koch äußert sich kämpferischer: "Es ist der Zeitpunkt gekommen, an dem der Amateursport seine Stimme laut und hörbar erheben muss. Der Amateursport lebt, er lebt noch immer und zeigt sein ausgeprägtes Kämpferherz." Später ergänzt er zwei weitere Botschaften: "Vor uns muss niemand Angst haben. Die Menschen wollen nicht länger eingesperrt sein."

98 Prozent der Umfrageteilnehmer vermissen den Amateurfußball. Das Gemeinschaftsgefühl in ihrem Klub und im Team wird sogar noch mehr vermisst (71%) als das Fußballspiel selbst (68%). Zurückkehren auf den Sportplatz wollen fast alle, sobald es wieder erlaubt sein wird: 96% der Spieler*innen, 94% der Vereinsmitarbeiter*innen, 94% der Trainer*innen, 93% der Schiedsrichter*innen und sogar 97% der Eltern von Fußball spielenden Mädels und Jungs haben dies bejaht. Die Eltern nehmen generell eine bemerkenswerte Rolle ein. Just in der Gruppe, die sich besonders um den Schutz ihrer Kids sorgt, ist die Furcht vor einer Ansteckung beim Sport sehr gering. 92% verneinte die Frage, ob sie Angst hätten, dass sich ihr Nachwuchs im Training oder Spiel mit dem Corona-Virus infizieren könnte. Das war so nicht zu erwarten. Auf die Frage an alle Teilnehmer, wer diese Angst spüre, antworteten 11% mit Ja und 81% mit Nein.

Keller fordert mehr Corona-Tests bei den Amateuren

"Fußball, an der frischen Luft gespielt, trägt wenig zu Infektionen bei, das wissen wir, es wurde in mehreren Studien nachgewiesen", betont Keller. Er fordert mehr Corona-Tests und bietet an, dass der DFB mit seiner Infrastruktur die Politik hier unterstützen könnte: "In jedem Verein gibt es Menschen mit medizinischen Kenntnissen. Sie können mit den Schnelltests umgehen. So können wir helfen, dass Kinder wieder ohne Risiko auch in die Schule können. Der organisierte Fußball kann, wenn er darf, zur Normalisierung beitragen." Auch DFB-Apps könnten eingesetzt werden, zum Beispiel bei der Kontaktverfolgung. "Wir bitten um das Vertrauen für unsere Leute, die sehr verantwortungsvoll mit ihrem Hobby umgehen", erklärt der DFB-Boss, "die Hygienekonzepte werden permanent verbessert und verändert. Wir können wieder auf den Platz gehen, das ist gesichert."

Momentan herrscht in den meisten Vereinen noch eine große Unsicherheit. Je nach Inzidenzwert in den Städten oder Landkreisen darf ab diesem Montag zwar wieder trainiert werden, doch viele Plätze bleiben trotzdem erst mal zu. Und über allem schwebt die Frage: Wie lange bleibt es bei der Freigabe, wenn die Zahlen wieder steigen sollten? Keller und Koch werben um eine Art Grundsatzvertrauen der Politik an den Sport, betonen aber beide, sich an alle Regeln und Vorgaben halten zu wollen.

Koch erinnert an 2020

"Ich verstehe die Ängste und Sorgen der Politiker vor diesem fürchterlichen Virus, die haben unsere Mitglieder auch", sagt Koch, "aber wir können Vertrauen in Anspruch nehmen, wir haben 2020 gezeigt, dass wir vorsichtig sind." Mehr noch: "Wir glauben, dass wir die jungen Menschen vor Massenansammlungen abhalten können. Wir haben dazu die richtigen Angebote. Kinder halten es zu Hause nicht mehr aus. Was ist uns lieber: Dass sie organisiert unter Anleitung im Verein trainieren oder ohne Aufsicht in der freien Natur?" Seine Antwort versteht sich von selbst, und so wird er für einen kurzen Moment dann doch politisch: "Die Inzidenz ist nicht die einzige Währung, auf die es ankommt. Ein erhöhter Wert ist nicht zurückzuführen auf gemeinsames Sporttreiben. Im Gegenteil: Sport trägt zum Erhalt der Gesundheit bei."

Etwa 100.000 Menschen unterstützen diese These und haben ihre Stimme abgegeben. Jetzt fragt sich jeder von ihnen, was sie in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten wert sein wird.

Bernd Salamon