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Katars WM-Botschafter bezeichnet Schwulsein als "Schaden"

Was ist Faesers "Sicherheitsgarantie" wert?

Katars WM-Botschafter bezeichnet Schwulsein als "Schaden"

Eine der zentralen Fragen: Wie sicher können sich die Besucher der WM in Katar fühlen?

Eine der zentralen Fragen: Wie sicher können sich die Besucher der WM in Katar fühlen? picture alliance / Laci Perenyi

Die Freiheit der LGBTQI+-Gemeinschaft ist eines der großen Themen vor der Katar-WM. Die Aussagen eines lokalen Turnier-Botschafters lassen tief blicken - allen "Sicherheitsgarantien" zum Trotz.

Denn Khalid Salman sagte im Gespräch mit dem ZDF-Journalisten Jochen Breyer in Doha lächelnd: "Lass uns zum Beispiel über Schwule reden." Und dann bestätigt er in seiner Rolle als einer der offiziellen Botschafter des WM-Organisationskomitees das, was Fan- und Menschenrechtsorganisationen ohnehin schon auf den Plan gerufen hat. Schwulsein sei "haram", verboten, meint Salman, weil es ein "damage in the mind" sei, ein geistiger Schaden. In diesem Moment der ZDF-Dokumentation "Geheimsache Katar", die an diesem Dienstag ausgestrahlt wird (20.15 Uhr), bricht ein Pressesprecher das Gespräch ab.

LSVD erwartet Reisewarnung und fordert zum Boykott auf

Die Aussagen "über Schwule sind verstörend und dennoch keine Überraschung", teilte Alfonso Pantisano aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) am Dienstag mit. "Wenn das Organisationskomitee (...) queere Fans scheinbar willkommen heißen möchte und dann ein WM-Botschafter solch verstörende Bemerkung macht, beweist es die Bedrohung des Regimes gegenüber queeren Menschen." Der Verband erwarte vom Auswärtigen Amt eine Reisewarnung und schicke an alle Fans die Botschaft: "Boykottiert diese WM!"

Salman, 60 Jahre alt und Ex-Nationalspieler, wird auf der offiziellen Internetseite des Organisationskomitees als "Star" der Junioren-WM 1981 beschrieben. Ein Hattrick gegen Brasilien im Viertelfinale. "Ich habe Katar viele Jahre lang repräsentiert, und es ist ein stolzer Moment für mich, Botschafter zu werden", wird er zitiert. "Ich freue mich sehr, dabei zu sein, bei dem, was der größte Moment zu werden verspricht." Das Organisationskomitee antwortete am Dienstagvormittag nicht auf eine Anfrage zu den aktuellen Aussagen des "lokalen" WM-Botschafters - insgesamt gibt es davon zehn. Zu den "globalen" zählen frühere Weltstars wie der Brasilianer Cafu.

Homosexualität in Katar gesetzlich verboten

Laut Gesetz ist Homosexualität in Katar verboten und wird mit bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft. Offiziell beteuert der WM-Ausrichter - unterstützt von FIFA-Präsident Gianni Infantino -, jeder sei willkommen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser brachte von ihrem Besuch aus Katar eigenen Angaben zufolge eine "Sicherheitsgarantie" des Premierministers mit, dass sich alle Fans während des Turniers vom 20. November bis 18. Dezember "frei und ohne Angst bewegen" könnten.

Am Dienstag reagierte auch Faeser auf die Aussagen Salmans bestürzt. "Solche Aussagen sind schrecklich", betonte die auch für den Sport zuständige SPD-Politikerin: "Und das ist auch der Grund, warum wir daran arbeiten, die Dinge in Katar in Zukunft hoffentlich zu verbessern." Sie vertraue aber weiter auf die während ihrer Inspektionsreise in der Vorwoche abgegebene Garantie.

Hitzlspergers Hinweis für heterosexuelle Paare

"Wenn wir bei den Rechten von Homosexuellen davon reden, dass sich beispielsweise zwei Männer in der Öffentlichkeit ihre Zuneigung nicht zeigen dürfen, dürfen wir auch nicht unterschlagen, dass Mann und Frau das auch nicht dürfen", sagte Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger, beim Deutschen Fußball-Bund als Botschafter für Vielfalt beschäftigt, in einem "t-online.de"-Interview. "Es geht also nicht nur um Homosexualität, sondern Paare allgemein. Wenn das konsequent umgesetzt wird, werden auch heterosexuelle Paare Probleme bekommen. Nach aktuellen Vorstellungen ist das ein Problem."

1860 München

Fußballfans wie hier im Stadion von 1860 München fordern zum Boykott der Katar-WM auf. IMAGO/Sven Simon

Der 40-Jährige, der seine Homosexualität nach seiner aktiven Karriere öffentlich gemacht hatte, war zuletzt für eine ARD-Dokumentation erneut in Katar. "Wie ich es vor Ort erlebt habe, könnte es passieren, dass man dann ermahnt und einem mitgeteilt wird, dass es in der dortigen Kultur nicht erwünscht ist - aber man wird deswegen nicht sofort eingesperrt." Angst habe er nicht gehabt, "dass mir in Katar etwas passieren würde. Aber ich kann verstehen, dass Menschen äußerst vorsichtig sind und auf die Reise verzichten."

DFB bemüht sich um den richtigen Ton

Die Diskussionen um die Freiheit der LGBTQI+-Gemeinschaft während des Turniers, das dem Grundgedanken nach verbinden soll, begleitet den WM-Vorlauf seit Monaten. Die englische Abkürzung steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans-Menschen, intergeschlechtliche sowie queere Menschen. Das Sternchen ist Platzhalter für weitere Identitäten und Geschlechter. Salman spricht in der ZDF-Dokumentation Englisch und benutzt das Wort "gay", das auch mit "homosexuell" übersetzt wird. Aus dem Kontext wird klar, dass er Männer meint.

Beschäftigt hat die Situation auch längst die deutsche Nationalmannschaft, die kritisiert wurde, weil sie statt der symbolträchtigen Regenbogen-Kapitänsbinde eine mehrfarbige mit dem Schriftzug "One Love" einpackt. DFB-Präsident Bernd Neuendorf hatte Faeser bei deren Reise in der vergangenen Woche nach Doha begleitet. Die Verbandsspitze bemüht sich, den richtigen Ton zu treffen, muss sich dabei aber in diplomatischen Grenzen bewegen. Christian Rudolph von der 2021 vom DFB und dem LSVD eingerichteten "Kompetenz- und Anlaufstelle für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt" im Fußball wurde zuletzt viel deutlicher.

Welches Katar hat denn Nancy Faeser bitte gesehen? Dann kann sie sich auch gleich durch Nordkorea führen lassen.

Christian Rudolph (Kompetenz- und Anlaufstelle für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt)

"Das ist genau das, was wir nicht wollten", sagte Rudolph im Interview der "Frankfurter Rundschau" über die Faeser-Aussagen zu Sicherheitsgarantien. "Das haben wir in allen entsprechenden Gesprächsrunden zuvor hinterlegt, dass der Dialog zum jetzigen Zeitpunkt kurz vor der WM nichts mehr bringt (...). Wenn jetzt gesagt wird, dass die WM bedenkenlos für queere Menschen sei, ist das ein fatales Zeichen für die queere Community in Katar. Welches Katar hat denn Nancy Faeser bitte gesehen? Dann kann sie sich auch gleich durch Nordkorea führen lassen."

Katars Außenminister spricht von Arroganz und Rassismus

Salman sagt in der ZDF-Dokumentation: "Das Wichtigste ist doch, jeder wird akzeptieren, dass sie hierherkommen, aber sie werden unsere Regeln akzeptieren müssen." Er habe vor allem Probleme damit, wenn Kinder Schwule sähen. Denn diese würden dann etwas lernen, was nicht gut sei. In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Montag) hatte Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al Thani zuletzt die Kritik an Katar vorwiegend aus Europa als "sehr arrogant und sehr rassistisch" bezeichnet. Zugleich hatte er auf Reformen in seinem Land verwiesen, die auch nach der WM fortgesetzt würden.

aho, dpa