kicker

Japan hat am Zuckerhut Großes vor

WM-Teilnehmer Japan im WM-Check

Japan hat am Zuckerhut Großes vor

Japans ganzer Stolz: Keisuke Honda (li.) und Shinji Kagawa repräsentierten Weltklasse im Mittelfeld.

Japans ganzer Stolz: Keisuke Honda (li.) und Shinji Kagawa repräsentierten Weltklasse im Mittelfeld. Getty Images

Obwohl die Auswahl der Asiaten mit Legionären aus Deutschland, England, Italien und anderen europäischen Ligen gespickt ist, ist sie dennoch weiterhin für viele ein Buch mit sieben Siegeln. Eine kurze Vorstellung eines interessanten WM-Teilnehmers.

Der Torwart

Japans Nummer Eins heißt Eiji Kawashima und daran wird sich wohl auch bei der WM in Brasilien nichts ändern. Kawashima ist ein Torhüter, der oft mit Glanzparaden auffällt, dem aber auch immer wieder eklatante Fehler unterlaufen - zuletzt geschehen im Freundschaftsspiel gegen Belgien als er unnötig herauslief und das 0:1 bei den bis dahin überlegenen Japanern verschuldete. Auch bei Freistößen erweist er sich hin und wieder als unsicher.

Japan - Die letzten Spiele
Syrien Syrien (H)
5
:
0
Myanmar Myanmar (A)
0
:
5
Spielersteckbrief Honda
Honda

Honda Keisuke

Weltmeisterschaft - Vorrunde, 1. Spieltag
mehr Infos
Weltmeisterschaft - Tabelle - Gruppe C
Pl. Verein Punkte
1
Kolumbien Kolumbien
3
2
Elfenbeinküste Elfenbeinküste
3
3
Japan Japan
0
Trainersteckbrief Zaccheroni
Zaccheroni

Zaccheroni Alberto

Japan - Vereinsdaten
Japan

Gründungsdatum

01.01.1921

mehr Infos

Zwar hat er mit Shuichi Gonda (FC Tokyo) und Shusaku Nishikawa (Sanfrecce Hiroshima) zwei starke Konkurrenten aus der japanischen J-League. Doch beim italienischen Trainer Alberto Zaccheroni genießen generell die Europa-Legionäre größeres Vertrauen. Kawashimas Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Zudem verfügt er über viel internationale Erfahrung. Durch Europa-League-Einsätze mit Standard Lüttich und seine hohe Länderspielzahl ist Kawashima gesetzt.

Die Abwehr

Selbst der beste Torhüter benötigt eine solide Defensive, um seinen Kasten sauber zu halten. Sieht man sich die Außenpositionen an, dann trifft man dort auf einige aus der Bundesliga bekannte Gesichter. Auf der rechten Seite ist Atsuto Uchida von Schalke 04 gesetzt, spürt aber in seinem Nacken den Atem von Hannovers Hiroki Sakai. Beide lieben es, sich in den Angriff miteinzuschalten.

Die linke Seite gehört Asiens Fußballer des Jahres, Yuto Nagatomo von Inter Mailand, dessen Vertreter Gotoku Sakai aus Stuttgart ist. Japans Außenverteidiger stehen sehr hoch und sind mit ihrer Schnelligkeit und ihren präzisen Flanken dem Gegner stets ein Dorn im Auge. Speziell Nagatomo scheut keinen Zweikampf und ist einer der lauffreudigsten und -stärksten Akteure im Team der "Samurai Blue".

Während die Seiten Japans Stärke sind, fehlt es in der Mitte an Spielern von internationalem Format. Die Ausnahme bildet dabei lediglich Maya Yoshida vom FC Southampton. Mit seinen 189 Zentimetern Körpergröße und robuster Statur ist er alles andere als der "typische Japaner" und gerade deswegen wie geschaffen für diese Position. Allerdings unterlaufen Yoshida - wie fast allen anderen in der Defensivreihe - gelegentlich Leichtsinnsfehler, die auf internationaler Bühne teuer zu stehen kommen. So geschehen beim Confed-Cup gegen Italien, als ein missglückter Abwehrversuch bei Giaccherini landete und dessen Flanke dann unglücklich von Uchida ins eigene Netz abgefälscht wurde.

Yoshidas Partner, auch aus Mangel an Alternativen, ist der erfahrene Yasuyuki Konno (Gamba Osaka, 78 Länderspiele), der mit 178 Zentimetern nicht gerade Gardemaß aufweist. Der 30-Jährige ist kein gelernter Innenverteidiger, wurde erst vor wenigen Jahren von der "Sechser"-Position ins defensive Zentrum beordert. Fiele einer der beiden aus, wäre die - ohnehin schon aufgrund ihrer offensiven Ausrichtung wackelige - Defensive deutlich geschwächt.

Das Mittelfeld

Das offensive Mittelfeld ist das Prunkstück der "Samurai Blue". Auf keiner anderen Position ist das Team des aus Italien stammenden Nationalcoachs Alberto Zaccheroni so gut aufgestellt. Neben dem Ex-Dortmunder Shinji Kagawa (Manchester United), dem Neu-Mailänder Keisuke Honda und Shinji Okazaki (1. FSV Mainz 05) lauern auf der Bank Spieler wie Hiroshi Kiyotake (1. FC Nürnberg) oder Takashi Inui (Eintracht Frankfurt). Das defensive Mittelfeld wird angeführt von Kapitän Makoto Hasebe (1. FC Nürnberg) und Yasuhito Endo (Gamba Osaka). Letzter fungiert als Schaltzentrale und hat oft das Auge für seine Mitspieler. Als Back-ups stehen Herthas Antreiber Hajime Hosogai und der international umworbene Hotaru Yamaguchi (Cerezo Osaka) bereit.

Die Stärke des japanischen Mittelfelds sind schnelle und einfallsreiche Kombinationen, mit denen die gegnerische Abwehrreihe im Nu ausgehebelt werden kann. Die entscheidenden Männer hierfür sind die kreativen Köpfe im Team: Endo, Kagawa und Honda. Sie sind das Herz der Mannschaft. Ihre Aufgabe ist es, die Bälle geschickt zu verteilen. Obwohl Honda und Kagawa beide einen starken Drang zum Tor aufweisen, haben sie trotzdem oft das Auge für den besser postierten Mitspieler. Für Okazaki, der in dieser Bundesliga-Hinrunde mit acht Toren auf sich aufmerksam gemacht hat, besteht die Aufgabe darin, die gegnerische Defensive zu beackern und neben der einzigen Spitze über außen kommend zu vollstrecken. Und das macht er seit jeher sehr gut - Okazaki ist mit 36 Treffern in 73 Spielen der aktuell torgefährlichste aktive Nationalspieler aus dem Land der aufgehenden Sonne.

Der Sturm

Auch der Angriff kann sich inzwischen sehen lassen. Zunächst hatte Zaccheroni monatelang in Nibelungentreue an den oftmals glücklos agierenden Stürmern Mike Havenaar (Vitesse Arnheim) und Ryoichi Maeda (Jubilo Iwata) festgehalten, doch nun bieten sich dem Italiener klare Alternativen an. Neben Yoichiro Kakitani (Cerezo Osaka), dem mit 21 Treffern drittbesten Torschützen der J-League, hat vor allem Yuya Osako (Kashima Antlers, 19 Tore), dem ebenfalls ein Wechsel nach Europa zugetraut wird, gute Karten auf den begehrten Platz in der Spitze.

Kakitani wurde mit drei Treffern beim Ostasien-Cup 2013 (in seinen ersten zwei Länderspielen) bester Schütze und führte das Team zusammen mit Osako (2 Tore), der gemeinsam mit Kakitani in der A-Nationalelf debütierte, zum Titel. Beide sind Spieler, die vor allem Gefahr ausstrahlen, wenn sie ihre Schnelligkeit ausspielen können und besitzen neben starken technischen Fähigkeiten auch den Killer-Instinkt vor dem Tor, was auch schon die Niederlande und Belgien zu spüren bekommen haben. Der aus den Niederlanden stammende Havenaar und Maeda haben dagegen ihre Stärken im Kopfballspiel, wären also weiterhin eine gute Alternative für Standardsituationen, lassen aber Schnelligkeit und Technik vermissen.

Der Trainer

Der Italiener Alberto Zaccheroni, 1999 Trainer des Jahres in seiner Heimat, schwingt seit 2010 das Zepter in der japanischen Nationalmannschaft und übernahm den Posten des Chef-Coachs nach der WM in Südafrika. Er ist ein Fußballehrer, der im Land der aufgehenden Sonner polarisiert: Die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn. Bis vor kurzem musste er nach dem misslungenen Confed-Cup (drei Niederlagen), dem Debakel gegen Uruguay (2:4) und den Niederlagen gegen Serbien und Weißrussland trotz des Gewinns des Asien-Cups um seinen Job bangen. Doch die erfolgreiche Europa-Reise im November sicherte ihm seine WM-Teilnahme, das Vertrauen in ihn ist wieder gewachsen. Zaccheroni rotiert ungern, vertraut seit Jahren mit wenigen Ausnahmen immer den gleichen Akteuren und präferiert das System 4-2-3-1.

Die Mannschaft

Mannschaftliche Geschlossenheit lautet das Motto und diese demonstriert Nippon nicht nur während der 90 Minuten auf dem Platz. Disziplin und der Wille zum Erfolg sowie eine gute Mischung aus Erfahrung und Jugend machen diese Mannschaft aus. Köpfe des Teams sind dabei der divenhafte Honda und Kagawa, der nach seit seinem Wechsel von Dortmund zu Manchester United nach seiner Form sucht. Und da wäre noch der bereits etwas in die Jahre gekommene Spielmacher Endo (33), dessen Fehlen sich in der Vergangenheit schon mehrfach negativ bemerkbar hat.

Im Jahr 2011 gewann die Mannschaft den Asien-Cup, ließ 2013 den Sieg im Ostasien-Cup folgen und peilt bei der WM 2014 Großes an. Allerdings sind vor allem gegen Teams aus Europa und Südamerika bislang - abgesehen von den bereits erwähnten Duellen gegen die Niederlande (2:2) und Belgien (2:3) - keine guten Ergebnisse erzielt worden. Auch deshalb üben sich die meisten Beteiligten aus Respekt vor der Konkurrenz in Zurückhaltung, hoffen aber insgeheim, im kommenden Jahr den Erfolg von 2010 (Achtelfinale) noch übertreffen zu können.

Die Aussichten

Die einheimischen Medien titelten kurz nach der Auslosung am 6. Dezember, Japan habe mit Kolumbien, der Elfenbeinküste und Griechenland eine "Todesgruppe" erwischt. Das dürfte allerdings ein wenig übertrieben sein.

Allerdings ist es Tatsache, dass sich die Zaccheroni-Truppe oft schwer tut. Vor den beiden Achtungserfolgen gegen die Niederlande und das hoch gehandelte Belgien setzte es gegen Serbien (0:2) und Weißrussland (0:1) schmerzliche Niederlagen. Potenzial ist bei den Spielern aus dem Land der aufgehenden Sonne zwar mehr als genug vorhanden. Doch zugleich ist die Truppe eine Wundertüte, die je nach Tagesform jeden schlagen, aber genauso auch gegen jeden verlieren kann. Zieht man die Leistung im Confed-Cup, als Japan unglücklich mit 3:4 nach 2:0-Führung gegen Italien verlor, in Betracht - oder auch die Spiele gegen Oranje und Belgien, kann man von Kagawa und Co. viel erwarten.

Doch es fällt auf, dass gerade im Zweikampfverhalten noch immense Defizite vorhanden sind und individuelle Fehler leider keine Seltenheit sind. Daher bereiten ihnen vor allem Gegner mit physischer Spielweise Kopfschmerzen. Die Elfenbeinküste mit Spielertypen wie Didier Drogba und Yaya Touré dürfte Japans Defensive ebenso vor erhebliche Probleme stellen wie Kolumbien mit Falcao und die generell als Kollektiv engagiert zu Werke gehenden Griechen. Sollte es Japan nicht gelingen, den Ball vom eigenen Tor fernzuhalten, wird es schwer, in dieser Gruppe zu bestehen. Dennoch ist Japan durchaus zuzutrauen, die Gruppenphase zu überstehen.

Kim Dämpfling