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Jaissle im Interview: "Ich beschäftige mich überhaupt nicht mit einem Abschied"

Der Salzburg-Trainer im kicker-Gespräch

Jaissle im Interview: "Ich beschäftige mich überhaupt nicht mit einem Abschied"

Matthias Jaissle holte mit Salzburg den zehnten Meistertitel in Folge.

Matthias Jaissle holte mit Salzburg den zehnten Meistertitel in Folge. GEPA pictures

Herr Jaissle, nach dem fixierten Meistertitel haben Sie die "zahlreichen Widrigkeiten" erwähnt, die es für Salzburg in dieser Saison zu überwinden galt. Was haben Sie außer dem Verletzungspech noch damit gemeint?

In der Tat war es eine Saison mit einigen Widrigkeiten. Vielleicht ist meine Aussage auch ein bisschen missverständlich rübergekommen. Ich habe vor allem das unglaubliche Verletzungspech, aber auch das Cup-Aus (gegen Sturm Graz im Viertelfinale, Anm.) gemeint. Wir hatten einen großen Umbruch mit der historisch jüngsten Mannschaft in dieser Saison. Es war nicht selbstverständlich, wie die Jungs das gemeistert haben. Demnach ist der Titel noch höher einzuordnen als im Vorjahr. Mich macht es extrem stolz, was wir in dieser Saison geleistet haben.

Trotz einer nahezu makellosen Bundesligasaison mit nur einer Niederlage gab es zwischenzeitlich auch an Ihrer Person Kritik. Können bzw. konnten Sie diese nachvollziehen?

Der Klub hat extrem hohe Ansprüche. Das hat er sich über die Jahre hinweg mit all den Erfolgen auch erarbeitet. Es ist daher nachvollziehbar, dass es einmal kritische Stimmen gibt - dafür reicht bereits wenig aus. Wichtig ist, dass man solche Phasen meistert, die Dinge intern gut einordnet und den Fokus bei sich behält. Das ist uns wirklich sehr gut gelungen und war sicher auch ein Schlüssel zum Erfolg.

Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung haben Sie erwähnt, dass es für Sie im zweiten Jahr wichtig war, Ihrer Linie auch bei Kritik treu zu bleiben. Was haben Sie damit genau gemeint?

Ich wollte unserer Spielweise sowie meiner Art als Trainer und Mensch einfach treu bleiben. Das war für mich in diesem Jahr das größte Learning. Daher ordne ich diese Saison deutlich höher ein, weil es mehrere kritische Phasen gab. Wir haben es geschafft, als Verein, Mannschaft und Trainerteam bei uns zu bleiben und den Fokus auf das Wesentliche zu richten. Das hat uns zum Titel geführt.

Gab es eine Phase, in der Sie am Gewinn der Meisterschaft zweifelten?

Nein, die gab es nie. Ich habe den Fokus auf die tägliche Arbeit gerichtet und wollte die Jungs bestmöglich unterstützen. Wir haben versucht, uns nicht ablenken zu lassen. Das war ganz, ganz wichtig.

Wir spielen bislang die drittbeste Saison der Vereinsgeschichte. Ohne die Punktehalbierung hätten wir zehn Punkte Vorsprung auf Sturm.

Matthias Jaissle über das Meisterschaftsrennen

Sie sind der jüngste Trainer in der österreichischen Bundesliga, der den Meistertitel erfolgreich verteidigte. Was bedeutet Ihnen ein Rekord wie dieser?

Ich glaube, dass ich es im vorangegangen und auch in diesem Jahr ganz gut geschafft habe, mich nicht an diesen Dingen zu messen. Es sind insgesamt wieder einige Rekorde gefallen, die wir als Mannschaft geschafft haben. Ich bin einfach unglaublich stolz und mich freut es für die Jungs und den Verein, dass wir es geschafft haben, gegen starke Konkurrenten aus Graz und Linz den zehnten Titel in Folge an Land zu ziehen.

Mit Sturm wurde Salzburg in der Liga erstmals seit langer Zeit ein Verein wieder so richtig gefährlich. Sehen Sie in den Steirern einen dauerhaften Konkurrenten?

Ich kann definitiv sagen, dass sie seit längerer Zeit hervorragende Arbeit leisten. Daher war es in diesem Jahr eng - das lag vor allem an Sturm Graz! Denn unser Punkteschnitt ist wirklich hervorragend. Wir spielen bislang die drittbeste Saison der Vereinsgeschichte. Ohne die Punktehalbierung hätten wir zehn Punkte Vorsprung auf Sturm. Ich will ihnen aber ein großes Kompliment aussprechen, weil sie es in dieser Saison hervorragend gemacht haben. Es war ein cooles Rennen bis zum Schluss.

Erstmals seit 2018 holte Salzburg nicht das Double, auch in der Champions League war im Gegensatz zur Vorsaison nach der Gruppenphase Schluss. Welches Fazit ziehen Sie nach dieser Spielzeit?

Unser Ziel war, im neuen Jahr international noch dabei zu sein. Das haben wir auch geschafft. Es war also eine starke Saison. Wir haben unser größtes Ziel mit dem Meistertitel erfüllt. Das steht hier über allem. Ich möchte auch noch einmal betonen, dass wir international wieder für Furore gesorgt haben. Wir hatten die jüngste Mannschaft des Wettbewerbs und unserer Vereinsgeschichte. Wir hatten coole Partien und haben auch große Mannschaften geschlagen. Wir sind in der Gruppenphase an der AC Milan, die später im Halbfinale war, gescheitert. Wir haben aber sowohl gegen Milan als auch gegen Chelsea gepunktet. Und in der Europa League sind wir nach einem Sieg im Hinspiel gegen den jetzigen Finalisten AS Rom ausgeschieden. Das waren also auch international schon richtige starke Vorstellungen. Und wir waren uns im Klub auch immer bewusst, dass man im Cup gegen einen starken Gegner ausscheiden kann.

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Sie haben die Spiele gegen Milan und Rom angesprochen. Wie viel fehlt Salzburg noch, um solche Vereine zu eliminieren?

Das waren auch in diesem Jahr wieder Details und Kleinigkeiten. Es ist eine Wahnsinnsgeschichte, dass wir das in Salzburg schaffen. Wenn man sich unsere Rahmenbedingungen ansieht und die jenen internationaler Größen wie AS Rom mit José Mourinho und die AC Milan mit Stefano Pioli gegenüberstellt, ist das normalerweise nicht vergleichbar. Ich hoffe, das sehen Sie auch so (lacht). Wir tun gut daran, wenn wir unsere Erwartungen und Ansprüche realistisch einordnen. Das ist eben auch die Kunst - intern schaffen wir das hier sehr gut. Natürlich wird von außen immer mal wieder eine Erwartungshaltung geschürt, was aber nicht in unseren Händen liegt. Das sehe ich auch eher als Kompliment für die Arbeit der vergangenen Jahre. International hatten wir in diesem Jahr wieder hervorragende Auftritte.

Während sich viele Mannschaften auf die Schiedsrichter und den VAR einschossen, hielt sich Salzburg in dieser Hinsicht auffallend zurück. Warum?

Grundsätzlich liegt das an der Ausrichtung des Vereins und Trainers. Denn meistens werde ja ich danach gefragt. Ich habe mir einfach früh angewöhnt, Schiedsrichterentscheidungen nicht zu kommentieren. Ich ziehe den Hut vor diesem Job. Das ist unglaublich herausfordernd. Ich möchte nicht tauschen. Daher habe ich jede Menge Respekt vor den Schiedsrichtern.

Wie beurteilen Sie die Leistungen der Unparteiischen in dieser Saison?

Sie haben bereits in Ihrer vorangegangen Frage erwähnt, dass wir uns nicht groß zu Schiedsrichterleistungen äußern. Das möchte ich auch an dieser Stelle nicht tun. Der Job ist eine riesige Herausforderung. Ich bin mir auch sicher, dass die Schiedsrichter bestrebt sind, unabhängig von ihren Leistungen immer besser zu werden. Egal, ob das die Technik oder die Kommunikation auf dem Platz ist. Deswegen sind sie ja auch auf höchstem Niveau tätig. Sie haben wie auch die Trainer und Mannschaften das Ziel, sich permanent zu verbessern.

Ich habe hier Vertrag, bin nicht auf der Flucht und fühle mich in Salzburg sehr wohl.

Matthias Jaissle über einen möglichen Abschied aus Salzburg

Sie wurden zuletzt mit einem Wechsel zu Frankfurt, Sunderland und Monaco in Verbindung gebracht. Wie sehr beschäftigen Sie sich mit einem möglichen Abschied aus Salzburg?

Ich habe in den vergangenen Wochen immer wieder betont, dass ich mich überhaupt nicht damit beschäftige. Das sind Gerüchte, die ich grundsätzlich nur schwer beeinflussen kann. Ich habe hier in Salzburg Vertrag und fühle mich sehr wohl. Ich bin immer wieder erstaunt und bewundere die Hartnäckigkeit, wie oft ich dazu befragt werde (lacht). Ich hoffe aber auf Ihr Verständnis, dass ich mir da selbst treu bleibe und solche Spekulationen weiterhin nicht kommentieren möchte. 

Dann frage ich direkt: Werden Sie in der kommenden Saison noch Trainer von Red Bull Salzburg sein?

Auch da wiederhole ich mich gebetsmühlenartig: Ich habe hier Vertrag, bin nicht auf der Flucht und fühle mich in Salzburg sehr wohl.

Sie haben immer wieder betont, dass ein Karriereplan für Sie keinen Sinn macht. Dennoch: Gibt es für Sie eine Mannschaft bzw. eine Liga, von der Sie träumen?

Nein, denn das wäre ja eine Art Plan. Es ist klar, dass jeder Mensch Träume hat. Aber ich habe mir abgewöhnt, im Fußball Pläne zu schmieden. Auch diesbezüglich werde ich mir treu bleiben.

Können Sie sich ein Engagement in der deutschen Bundesliga vorstellen?

Da könnten Sie jetzt alle Ligen abklopfen und ich müsste zu jedem Land etwas sagen. Es wird sich weisen, was die Zukunft bringt. Wie gesagt: Ich bin keiner, der einen Karriereplan verfolgt oder große Zukunftspläne schmiedet

Am Wochenende steht das Heimspiel gegen Klagenfurt auf dem Programm. Wie schaffen Sie es, die Motivation innerhalb der Mannschaft trotz der bereits fixierten Meisterschaft aufrecht zu erhalten?

Wir wollen uns vor heimsicher Kulisse mit drei Punkten verabschieden und die Spannung hochhalten - auch aus Respekt vor den anderen Mannschaften, die teilweise noch um das internationale Geschäft spielen. Von dem her bin ich guter Dinge, dass wir es jetzt noch zweimal schaffen, unseren Fußball auf den Platz zu bringen.

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