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"Ich war glücklich, dass es scharf ist"

Sportfoto des Jahres 2021: Fotograf Sebastian Widmann im Interview

"Ich war glücklich, dass es scharf ist"

Das Sportfoto des Jahres 2021: Robert Lewandowski trifft per Fallrückzieher.

Das Sportfoto des Jahres 2021: Robert Lewandowski trifft per Fallrückzieher. Getty Images

Herr Widmann, herzlichen Glückwunsch zum Hauptpreis! Wie war’s, als Sie davon erfahren haben?

Als der Anruf kam, konnte ich es zuerst gar nicht glauben. Es war unwirklich. Einen 3. Platz im Fußball, vielleicht. Aber den Hauptpreis? Ich musste mich erst mal hinsetzen, um das zu begreifen.

Wann und wo ist denn das Sieger-Foto entstanden?

Am 23. November hatte mich die Agentur Getty Images nach Kiew geschickt, wo die Bayern im vorletzten Gruppenspiel der Champions League bei Dynamo antreten mussten. Das Spiel an sich war nicht mehr so wichtig, weil die Münchner schon vorzeitig die K.-o.-Phase erreicht hatten. Sie gewannen am Ende mit 2:1.

Vor dem Anpfiff waren die Bedingungen extrem schwierig, um Bilder zu bekommen, wo nicht nur Schneeflocken scharf sind...

Sebastian Widmann

Wie war die Atmosphäre? Es wirkt auf dem Foto eher ungemütlich.

Ich kam ins Olympia-Stadion, und es hatte kurz vorher angefangen, richtig zu schneien. Das Spielfeld musste erst mal geräumt werden, in der Getty-Zentrale in London fragte man sich, ob das Spiel überhaupt stattfinden würde. Vor dem Anpfiff waren die Bedingungen extrem schwierig, um Bilder zu bekommen, wo nicht nur Schneeflocken scharf sind...

Es drohte die nächste Corona-Welle. Doch man sieht besetzte Tribünen.

Es war zunächst nicht klar, ob Zuschauer zugelassen sind, und wenn ja, wie viele. Geschätzt war das Stadion etwa halb voll. Trotzdem war die Stimmung gut.

Und wie waren Ihre Arbeitsbedingungen?

Ich kam am Stadion an, meine Temperatur wurde gemessen, ich habe meine Akkreditierung bekommen, mein Fotografen-Leibchen geholt, bin dann raus und habe meine Technik überprüft - alles natürlich mit Maske, aber die trage ich seit fast zwei Jahren ohnehin.

Hatten Sie einen speziellen Auftrag oder persönlichen Plan, was Sie fotografieren wollten?

Für mich war klar, dass ich die Bayern im Angriff mache. Es soll nicht arrogant klingen, aber Bayern ist nun mal Bayern. Die Leute schauen eher auf die Münchner als auf Kiew, egal, ob diese gewinnen oder verlieren.

Wo ist Ihre Position?

(lacht) Ich habe den Ratschlag meines Professors von vor 20 Jahren beherzigt: Setz dich nicht dahin, wo alle sitzen. Das heißt, ich habe mich nicht auf der Trainerseite positioniert, sondern auf der anderen. Die Bayern machten ihr Spiel - dann kam es zu dieser Szene...

Wenn der Fokus verrutscht, vielleicht wird dann eine Schneeflocke im Vordergrund scharf. So ist es einfach eine schöne Aktion.

Sebastian Widmann

... das Tor von Robert Lewandowski zum 1:0.

Genau. Und ehrlich gesagt, war ich bei dem Schneetreiben einfach nur glücklich, dass ich das Bild hatte und dass es scharf war.

Dass Lewandowski so frei zum Fallrückzieher kommt - erstaunlich.

Links neben ihm standen Spieler, aber dank meines Blickwinkels ist er hier komplett alleine. Und dann noch mit offenen Schuhbändern... Die englische Sun hat dieses Detail noch extra vergrößert.

Was ist für Sie das Besondere an diesem Bild?

Zum einen natürlich, dass Robert Lewandowski perfekt in der Luft liegt und gerade den Ball getroffen hat. Dann die gut sichtbaren offenen Schnürsenkel, die Schneeflocken - ja, und dass es eben scharf ist. Wenn der Fokus verrutscht, vielleicht wird dann eine Schneeflocke im Vordergrund scharf. So ist es einfach eine schöne Aktion.

Interview: Sabine Vögele

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