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"Tägliche Arbeit ist wichtiger als Tradition"

Diskussion der Akademie für Fußballkultur

"Tägliche Arbeit ist wichtiger als Tradition"

Diskussionsrunde: Gruszecki, Koch, Jakob, Sprink und Meyer.

Diskussionsrunde: Gruszecki, Koch, Jakob, Sprink und Meyer. kicker

"Tradition versus Retorte", "Verein kontra Konstrukt", "Geld gegen Leidenschaft" oder "die Anti-Kommerz-Debatte". Nach seinem rasanten Aufstieg steht RB Leipzig stellvertretend im Fokus einer Diskussion um den Ausverkauf des Fußballs und um eine Verzerrung des Wettbewerbs. Doch auch die sogenannten Werksklubs Wolfsburg und Leverkusen oder Modelle wie in Hoffenheim und Ingolstadt werden heftig kritisiert. In der öffentlichen Darstellung wird die Entwicklung bisweilen zum Fußball-Kulturkampf stilisiert.

Dr. Rainer Koch, Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes und Vizepräsident des DFB, Meinolf Sprink, Direktion Kommunikation/Medien Bayer 04 Leverkusen, Jan Henrik Gruszecki, unter anderem Sprecher des "12:12"-Protests und eingefleischter BVB-Fan sowie Hans Meyer, Vorstandsmitglied von Borussia Mönchengladbach und früherer Bundesligatrainer diskutierten im Marmorsaal des Nürnberger Presseclubs kontrovers unter der Leitung von Moderator Jörg Jakob vom kicker-sportmagazin.

Am Dienstagabend hatte Gruszecki mit seiner kritischen Haltung gegenüber Klubs wie Leipzig und dem seiner Ansicht nach "parasitären Verhalten" von Red Bull-Besitzer Dietrich Mateschitz, der sich nur aus Marketinggründen in den Fußball eingekauft habe, schon zahlenmäßig einen schweren Stand. Koch und Sprink widersprachen dem Anhänger von Traditionsvereinen und seinen Thesen. Für Meyer ist "tägliche Arbeit viel, viel wichtiger als irgendeine Tradition". Er weiß, dass die Gladbacher Erfolgsgeschichte der vergangenen Jahre ohne viel wirtschaftlichen Sachverstand nicht möglich gewesen wäre. Er sieht zwar auch die Wettbewerbsverzerrung durch unterschiedliche finanzielle Ausstattung. Aber die Borussia bedient sich eben in Freiburg und holt von dort Max Kruse, wenn man Marco Reus für viel Geld nach Dortmund ziehen lassen muss. Überhaupt gebe es Fußball ohne Kommerz nur in einer Traumwelt, aber nicht in der Marktwirtschaft.

Mitgliederstruktur führt zu Argwohn

Dass die Mitgliederstruktur bei RB Leipzig mit nur 14 zugelassenen, stimmberechtigten Mitgliedern "zu Argwohn" führt, weiß Koch, der diese Situation von Verbandsseite kritisch "begleiten" und mit Mateschitz "reden" will. Doch sind für ihn die Chancen, die für den Fußball entstehen, wenn sich Profifußball in Sachsen etabliert, weit größer. Wichtig sei vor allem, nachhaltig zu arbeiten. Das gilt laut Sprink in besonderem Maße für Hoffenheim. Dietmar Hopp setzt sich dort nicht nur für die Jugendarbeit im Fußball, sondern auch für Eishockey oder Handball ein. Dies sei für die Region enorm wichtig. Sprink steht zudem zum Image als Werksklub, wenn über Bayer Leverkusen gesprochen wird. Er kann mit dem Begriff "Traditionsklub" wenig anfangen und verweist auf das Gründungdatum 1904, als Mitarbeiter des Chemie-Riesen den Klub gründeten. Auch wenn man nie in Dortmunder oder Münchner Dimensionen vorstoßen könne, spiele auch Bayer in der Region eine enorm wichtige Rolle.

Den FC Ingolstadt verteidigte Koch, auch wenn die Zuschauerzahlen der "Schanzer" doch sehr bescheiden sind. Es müsse möglich sein, auch in kleinen Städten erfolgreich und damit in der Bundesliga Fußball spielen zu können, so der Funktionär.

Sprink sieht einen "Evolutionsprozess", der eine "neue Hackordnung" im Fußball herausbildet. Dass es bei Gewinnern auch Verlierer geben muss, weiß er natürlich auch, ohne sich konkret zu Werder Bremen, dem VfB Stuttgart oder dem Hamburger SV äußern zu wollen.

awa