Mehr Sport

Holzdeppe: "Als Tourist fliege ich nicht nach Rio"

Noch keine Entscheidung über EM-Start im Juli

Holzdeppe: "Als Tourist fliege ich nicht nach Rio"

Comeback bei der deutschen Meisterschaft: Raphael Holzdeppe will nicht nur dort hoch hinaus.

Comeback bei der deutschen Meisterschaft: Raphael Holzdeppe will nicht nur dort hoch hinaus. imago

kicker: Herr Holzdeppe, Sie wollten am vergangenen Sonntag in Zweibrücken in die Freiluftsaison einsteigen, haben dann aber kurzfristig zurückgezogen. Warum?

Raphael Holzdeppe: Mein Körper hat sich einfach müde angefühlt, die Beinmuskulatur war hart - da wollten wir kein Risiko eingehen. Lieber auf Nummer sicher.

kicker: Ist Ihr Wettkampf bei den deutschen Meisterschaften am Sonntag in Kassel in Gefahr?

Holzdeppe: Nein, nein, überhaupt nicht.

kicker: Sie haben nach einer schweren Sprunggelenk-Verletzung Ende Februar lange pausieren müssen. Eine neue Erfahrung, die Sie verändert hat?

Holzdeppe: Verändert nicht. Aber es war meine bisher schwerste Verletzung. Sonst hatte ich höchstens mal einen Muskelfaserriss, der war nach drei Wochen erledigt. Aber drei Monate - das war tatsächlich neu für mich. Eine echte Herausforderung. Und momentan bin ich einfach nur froh, dass ich das Ganze überstanden habe.

kicker: Springt die Angst oder eine gewisse Unsicherheit mit?

Holzdeppe: Klar ist das am Anfang schwer, aus dem Reha-Prozess ins normale Training zurückzukehren. Man hört extrem in seinen Körper rein: Merke ich was, tut noch was weh? Aber die Bedenken haben sich zerstreut, als ich gespürt habe, es ist alles fest, alles belastbar - wie es mir der Doc auch prophezeit hatte. Dann habe ich doch relativ schnell wieder normal trainieren können, ohne groß nachzudenken.

kicker: Reicht die Zeit, um gegebenenfalls in Rio konkurrenzfähig zu sein? Nach Olympia-Bronze in London und WM-Gold 2013 kann dabei sein nicht Ihr Anspruch sein.

Unter normalen Umständen, denke ich, habe ich immer noch eine gute Chance.

Raphael Holzdeppe über seinen Olympia-Gold-Traum

Holzdeppe: Als Tourist fliege ich nicht nach Rio! Ich möchte nicht nur die Qualifikation überstehen, sondern um die Medaillen mitkämpfen. Ob mein Ziel vom Anfang dieses Jahres - mir den Traum vom Gold zu erfüllen - noch realistisch ist, hängt auch davon ab, wie die Konkurrenz in den kommenden Wochen springt. Wenn die weiter hinter den Erwartungen bleiben, spielt mir das natürlich in die Karten. Wenn’s jetzt aber plötzlich explodiert und drei Leute die sechs Meter springen... Aber unter normalen Umständen, denke ich, habe ich immer noch eine gute Chance.

kicker: Hilft die gute Form aus dem Winter?

Holzdeppe: Absolut. Ich merke, dass sie relativ schnell zurückkommt, selbst jetzt nach den wenigen normalen Trainingswochen. Und noch sind es gut zwei Monate bis zum olympischen Stabhochsprung...

kicker: Sie sagen, die Konkurrenz bleibt derzeit hinter den Erwartungen zurück.

Holzdeppe: Es gibt ein, zwei... Der Amerikaner Sam Kendricks hat schon im Winter mit 5,90 Meter überzeugt und steht jetzt mit persönlicher Bestleistung von 5,92 Metern an der Weltspitze. Dann Shawnacy Barber mit 5,91 - aber ansonsten... Ich weiß noch: 2013 habe ich einen Wettkampf in Rom mit 5,91 Metern gewonnen, und Björn Otto war mit 5,80 gerade Vierter - ein Bombenwettkampf, der für die ganze Saison sprach. Aber natürlich habe ich nichts dagegen, wenn die anderen nicht höher springen. (grinst)

kicker: Auch aus deutscher Sicht hakt es. Nur Tobias Scherbath hat bisher die Olympianorm von 5,70 Meter. Günstig für Sie mit Blick auf die DM?

Holzdeppe: Natürlich passt mir das ganz gut. Zumal vielleicht gerade noch zwei andere infrage kommen, die in Kassel die 5,70 überspringen.

kicker: An wen denken Sie?

Holzdeppe: Karsten Dilla hat schon 5,60 stehen und traut sich die 5,70 zu - das glaube ich ihm auch. Carlo Paech ist Deutscher Hallenmeister geworden, hat aber seinen Saisoneinstieg auch verschoben. Und Hendrik Gruber hatte mit 5,61 angefangen, hängt jetzt aber dieser Höhe ein bisschen hinterher. Man weiß es einfach nicht genau...

kicker: Der Deutsche Meister mit Olympianorm ist direkt für Rio qualifiziert.

Holzdeppe: Richtig. Stand heute, könnte es für mich eventuell reichen, in Kassel einfach die Norm zu springen. Das nimmt mir etwas Druck, aber allzu sicher fühlen darf man sich nie.

kicker: Welchen Stellenwert hat für Sie die EM im Juli in Amsterdam?

Holzdeppe: Vor der Verletzung hatte ich definitiv mit der EM geplant. Jetzt mache ich es abhängig von den "Deutschen". Springe ich mindestens 5,70 und fühle mich gut, werde ich bei der EM antreten. Denn ganz Europa liegt derzeit um 5,70 dicht beieinander, man kann damit theoretisch eine Medaille gewinnen. Die Chance würde ich mir nicht entgehen lassen. Sind wir aber der Meinung, ich brauche noch Trainingseinheiten oder kleinere Wettkämpfe statt einer internationalen Meisterschaft, dann wird alles dem großen Ziel Olympia untergeordnet.

Es gibt für mich keine Grenze nach oben.

Raphael Holzdeppe über sein Lebensmotto

kicker: Sie haben sich vor Ihrer Verletzung ein neues Tattoo auf dem rechten Arm zugelegt: "There are no Limits" - "Es gibt keine Grenzen". Hat das jetzt eine neue Bedeutung?

Holzdeppe: Meine Interpretation bleibt eigentlich die gleiche. Man soll sich selber nicht limitieren. Okay, mein Körper hat mir jetzt vielleicht eine Grenze aufgezeigt, aber ich habe mich ja nicht falsch verhalten, bin einfach dumm umgeknickt. Das kann passieren. Auf meinem Weg zurück ist alles möglich. Auch bei Olympia haben 5,70 Meter schon zu Bronze gereicht, wie für Denys Jurtschenko 2008. Zwar ist damit zu rechnen, dass man 5,80 bis 5,90 springen muss, aber eine Meisterschaft ist immer speziell. Nur nicht den Kopf in den Sand stecken und denken, man kann nichts mehr reißen. Nach jedem Tief kommt auch wieder ein Hoch, man muss nur dafür arbeiten und daran glauben. Es gibt für mich keine Grenze nach oben - das ist auch mein Lebensmotto.

Interview: Sabine Vögele