Champions League

Hinkel im Interview: "Ronaldos Debüt? Ich habe ihm etwas den Zahn gezogen"

Ex-VfB-Profi über den ersten Auftritt des kommenden CL-Rekordspielers

Hinkel im Interview: "Ronaldos Debüt? Ich habe ihm etwas den Zahn gezogen"

Verteidigte gegen Cristiano Ronaldo bei dessen CL-Debüt: Andreas Hinkel.

Verteidigte gegen Cristiano Ronaldo bei dessen CL-Debüt: Andreas Hinkel. picture-alliance

Herr Hinkel, was kommt Ihnen als Erstes in den Sinn, wenn Sie an den 1. Oktober 2003 denken?

Puh… Das sind so viele Dinge. Da will ich mich gar nicht auf eine Sache beschränken. Das war einfach ein rundum perfekter Tag mit so vielen Eindrücken.

Zum ersten Mal fand im damaligen Gottlieb-Daimler-Stadion ein Champions-League-Spiel statt, der VfB hatte zum Auftakt 1:2 bei den Rangers in Glasgow verloren. An was für eine Atmosphäre können Sie sich erinnern?

An eine unbeschreibliche, elektrisierende Atmosphäre. Die war für Stuttgart vielleicht sogar ein Stück weit ungewöhnlich. Man hat ja früher immer über die Tartanbahn geredet, die es seit dem Umbau nicht mehr gibt. Aber in diesem Spiel war die Stimmung unglaublich - trotz Tartanbahn. In diesem Spiel ist sogar der Schwabe aus sich rausgekommen, das ganze Stadion. Das waren nicht nur unsere treuen Fans in der Cannstatter Kurve, sogar die Gegengerade und Haupttribüne. Alle haben mitgefiebert.

Und der Gegner hieß ausgerechnet Manchester United.

Das war eine Mannschaft… nicht vergleichbar mit den letzten Jahren, da sind ManCity und Liverpool ja schon ein wenig vorbeigezogen. Aber früher mit den ganzen Stars und Sir Alex Ferguson als Trainer. Der Verein hat einfach gestrahlt.

Ich wusste, was da auf mich zukommt.

Hinkel über das Duell mit Cristiano Ronaldo

Sie begannen wie gewohnt rechts in der Viererkette neben Fernando Meira, Marcelo Bordon und Philipp Lahm. Und auf der linken Außenbahn von ManUnited gab ein gewisser Cristiano Ronaldo sein Debüt in der Champions League.

Ich erinnere mich wohl.

Den ausführlichen Spielbericht zum 2:1-Sieg des VfB Stuttgart gegen Manchester United lesen Sie hier.

Der Weltstar war damals noch ein recht schmächtiger 18-Jähriger, den United gerade erst aus Lissabon verpflichtet hatte. Was für einen Eindruck machte er auf Sie?

Einen guten! Und man muss ja auch sagen, dass er zwar noch ein bisschen anders aussah, aber trotzdem viel Geld gekostet hat (19 Millionen Euro, d. Red.) und als kommender Superstar angepriesen wurde.

Haben Sie sich speziell auf ihn vorbereitet?

Ich wusste, was da auf mich zukommt. Jeder kannte ihn. Ich war auch erst 21 und bis in die Haarspitzen motiviert, weil über Ronaldo schon einiges geschrieben wurde. Da wollte ich mich beweisen.

"Stuttgart spielte gegen den Favoriten von Beginn an munter mit", schrieb der kicker damals. War gegen Ryan Giggs, Paul Scholes, Ruud van Nistelrooy und Co. keine Ehrfurcht vorhanden?

Die "Jungen Wilden" des VfB Stuttgart

Jubel über den Doppelschlag gegen ManUnited: Die "Jungen Wilden" des VfB Stuttgart. imago/Sportfoto Rudel

Wir hatten überhaupt keine Angst. Zwischen Fans, Umfeld und Mannschaft bestand zu dieser Zeit eine gewisse Einheit, da sind alle in eine Richtung gegangen. Wir waren in der Bundesliga Tabellenführer, es herrschte eine richtige Euphorie um die "Jungen Wilden". Dementsprechend war die Brust trotz der Niederlage in Glasgow relativ breit.

Nach der Pause trafen Imre Szabics und Kevin Kuranyi binnen drei Minuten zum 2:0, kurz darauf zog Cristiano Ronaldo relativ leicht fallend einen Elfmeter. Was ist Ihnen sonst an seinem Spiel aufgefallen?

Auf den Flügelpositionen hat man es meistens mit speziellen Spielerprofilen zu tun. Also solche, die immer noch für das gewisse Etwas stehen. Bei Ronaldo war es der brutale Antritt, die Technik und der Zug zum Tor.

Und wie haben Sie sich geschlagen?

Ich war zwar auch ein schneller Spieler, aber ich wusste, dass ich bei Ronaldo sofort bei der Ballannahme an ihm dran sein musste. Und wenn er den Ball hatte, musste ich meinen Körper gut einsetzen, mit einer gewissen Aggressivität spielen. Das war nie unfair, auch wenn er einmal von mir ein bisschen abgedrängt wurde. Ich glaube, ich habe ihm schon etwas den Zahn gezogen. Zu der Zeit war ich übrigens auch in Kontakt mit Manchester United.

Nach dem gewonnenen Duell mit CR7?

Sir Alex Ferguson hat danach mit mir gesprochen, aber ich habe letztlich meinen Vertrag in Stuttgart verlängert. Aber es war schon so, dass ich auf mich aufmerksam gemacht habe. Wohl auch wegen des Spiels gegen Ronaldo.

War in irgendeiner Form absehbar, dass da der kommende CL-Rekordspieler und fünfmalige Weltfußballer auf dem Platz stand?

Dass er Riesenpotenzial hatte, ja. Aber der Rest lässt sich natürlich gar nicht vorhersagen. Es gab auch in der Vergangenheit so viele Spieler, denen man viel mehr zugetraut hat. Deshalb kann man schon seinen Hut ziehen vor Ronaldos Karriere und was für ein Vollprofi er immer geblieben ist. Er passt einfach sehr gut zu diesem Status als Superstar.

Wissen Sie eigentlich, welche Note der kicker Ihnen damals gab?

Das weiß ich nicht.

Eine glatte 3.

Echt, eine 3? (lacht laut)

Zu wenig?

Viel zu wenig! Ich habe zu der Zeit immer mal wieder solche Noten bekommen, mit denen ich nicht ganz einverstanden war. Da muss ich nochmal mit dem zuständigen Kollegen sprechen! (lacht)

Im Rückspiel war CR7 nicht mehr dabei. Dann vielleicht doch eher 3+.

Mindestens - vielleicht kann man das ja rückwirkend noch ändern.

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