WM

Cody Gakpo: Der Mann, der van Gaal durcheinanderbringt

Oranje-Stürmer im Fokus von Europas Topklubs

Hauptrollen kann er: Wie Gakpo selbst van Gaal durcheinanderbringt

Ein neuer Star in Katar? Cody Gakpo hat bislang in jedem WM-Spiel getroffen.

Ein neuer Star in Katar? Cody Gakpo hat bislang in jedem WM-Spiel getroffen. picture alliance / ANP

Hauptrollen ist Cody Gakpo schon gewohnt. Noch kein einziges Profispiel hatte er absolviert, da spielte er bereits im Musikvideo eines bekannten niederländischen Rappers mit. Wobei: Großes schauspielerisches Talent war vermutlich nicht gefragt. Denn Gakpo spielte sich selbst.

Im gut dreiminütigen Clip sieht man den damaligen Nachwuchsspieler über Feldwege spurten, einen Sandsack malträtieren, um Hütchen dribbeln, dann wieder Feldweg. Arbeit, Arbeit, Arbeit. Gegen Ende des Videos schaut er dann zur PSV-Arena hinauf. 

16 war Gakpo damals, sieben Jahre ist der Auftritt also her. Oder doch erst fünf? "Cody ist ein sehr junger Spieler, erst 21 Jahre alt", sagte der sehr viel ältere Louis van Gaal, nachdem Gakpo im dritten niederländischen WM-Spiel sein drittes Tor - immer das 1:0 - erzielt hatte. Einige Fans rätselten, die Presse kicherte - der neue Shooting Star in Oranje ist nämlich schon 23. Und spielt im niederländischen Team in Katar bislang die Hauptrolle.

Vielleicht war van Gaal auch durcheinandergekommen, weil Top-Talente wie Gakpo mit 23 nur selten noch in den Niederlanden spielen. Nach den letzten Jahren wunderte es viele, dass der Offensivmann auch in dieser Saison noch für seinen Heimatklub PSV Eindhoven spielt - darunter übrigens Gakpo selbst. "Ich dachte eigentlich, dass ich zu Manchester United wechseln würde", offenbarte er gegenüber der "Times" nach dem Schließen des Transferfensters. Die Klubs konnten sich allerdings nicht einigen, United verpflichtete stattdessen Antony vom PSV-Rivalen Ajax Amsterdam. Anfragen von Leeds und Southampton blockte Gakpo offenbar selbst ab.

Wegen Gakpo musste Eindhovens Technischer Direktor gehen

"Das ist sehr schade für mich, weil Manchester United der größte Klub der Welt ist, aber auch schade für die PSV, weil ein Transfer zu Manchester United gut für den Verein gewesen wäre", zeigte sich der Offensivspieler enttäuscht. Schade war es am Ende auch für John de Jong. Weil er Gakpo entgegen der Anweisung des Aufsichtsrats nicht verkauft hatte, musste Eindhovens Technischer Direktor gehen. Die Personalie ist ein Politikum bei PSV.

Vielleicht auch, weil Gakpo das beste Aushängeschild ist, welches sich der Verein wünschen kann. In den Niederlanden steht die Nachwuchsabteilung im Schatten der legendären Ajax-Akademie, aber diesmal ist es die PSV, die das nächste Big Thing in Oranje hervorgebracht hat.

Eine Unterschrift mit der Spray-Dose

Gakpo ist in einem Arbeiterviertel Eindhovens aufgewachsen, schloss sich dem Verein im Alter von sechs Jahren an. Fast drei Viertel seines Lebens hat er bei der PSV verbracht. Auf seinem Twitter-Account findet sich noch ein Post aus dem Jahr 2011, in dem der elfjährige Cody schreibt: "ich darf bei psv bleiben YES". Bessere Werbung kann sich keine PR-Abteilung ausdenken. Zum letzten Heimspiel der Vorsaison brachten die PSV-Ultras ein großes Transparent mit einem fingierten Vertrag mit, unter das Gakpo mit einer Spray-Dose seine Unterschrift setzte.

Wirklich verlängern wird er seinen Vertrag wohl nicht mehr. Einen Winterwechsel schloss Sportdirektor Marcel Brands nach dem 2:1 bei Ajax Amsterdam zuletzt aus. "Nächstes Jahr wird er das Spiel gegen Ajax in Eindhoven bestreiten", versicherte er bei ESPN. Ob es aber sein letztes Auswärtsspiel gegen den Rivalen gewesen sein könnte? "Ja, das ist eine Möglichkeit."

21 Scorerpunkte in 14 Spielen

Neuen Medienberichten zufolge startet ManUnited aktuell einen zweiten Anlauf, wird sich nach den drei Gruppen-Toren in Katar - eines mit dem Kopf, eines mit links, eines mit rechts - aber wohl mit einer Preissteigerung auseinandersetzen müssen. Zumal Gakpo in der niederländischen Eredivisie seit der letzten Transferperiode nochmal einen draufgelegt hat. In 14 Spielen kommt er auf neun Tore und zwölf Vorlagen, ist damit nicht nur Erster der Torjägerliste, sondern auch Führender in der Assists-Statistik. Die Liga ist zu klein für den schlaksigen Stürmer.

"Er hat das Zeug ein internationaler Spitzenspieler zu werden", sagte Ex-Coach Roger Schmidt über das Eigengewächs, sein jetziger Coach Ruud van Nistelrooy findet, "dass er für einen jungen Spieler eine bemerkenswerte Einstellung hat".

Cody Gakpo, Ruud van Nistelrooy

Trainer und Führungsspieler: Ruud van Nistelrooy machte Cody Gakpo zum PSV-Kapitän. ANP via Getty Images

Van Nistelrooy muss es wissen. Bereits in der PSV-Jugend coachte er seinen heutigen Kapitän. "Er hat mir ein paar Tricks verraten, wie ich schießen und meine Chancen besser nutzen kann", erklärte Gakpo über diese Zeit. Einer davon: "Schieß tief und hart, nicht schön und hoch. Ein Tor ist ein Tor."

Den Rat hat er beherzigt - obwohl weder van Nistelrooy, noch Arjen Robben, mit dem Gakpo wegen seiner Spielweise oft verglichen wird, sein Kindheitsidol war - sondern ein ehemaliger Schalker. "Mein großes Vorbild war Jefferson Farfan", sagte Gakpo in "Voetbal International" über den Peruaner, der vor seinem Wechsel nach Gelsenkirchen vier Jahre für die PSV aufgelaufen war. "Ein sehr guter Außenspieler, unglaublich zielorientiert."

Wie ein Außenspieler, als der er ausgebildet wurde, sieht Gakpo eigentlich überhaupt nicht aus. 1,87 Meter groß, Schuhgröße 46, Phänotyp Lulatsch statt Tempodribbler. Das dachte sich wohl auch Louis van Gaal, der Gakpo in der Elftal nun im Zentrum einsetzt. "Er hat immer auf der linken Seite gespielt und wollte nicht in der Zentrale spielen", sagte van Gaal nach dem 2:0-Sieg über Katar, um auf Vangaalisch hinzuzufügen: "Aber bei mir muss er das. Jetzt denkt er, dass ich ein großartiger Trainer bin."

Immerhin denkt van Gaal wohl auch, dass Gakpo ein großartiger Spieler ist. Vor dem WM-Achtelfinale gegen die USA am Samstag (16 Uhr, LIVE! bei kicker) bezeichnete der Bondscoach ihn als "entscheidenden Spieler" mit Blick auf dessen Position und Qualitäten. Dabei kann er eine seiner größten Qualitäten durch die neue Positionierung seltener ausspielen.

Der "Reverse-Robben"

Quasi als "Reverse-Robben" liebt es Gakpo, von der linken Seite in die Mitte zu dribbeln und mit seinem starken rechten Fuß den Abschluss zu suchen. Bei dieser Aktion wolle er "versuchen, Thierry Henry zu kopieren", verriet er einmal. "Das habe ich sehr oft trainiert." Arbeit, Arbeit, Arbeit eben. Aber Arbeit, die sich auszahlt. Sein Tor gegen Katar erzielte er auf ähnliche Art und Weise. Von halblinks in die Mitte und dann ab ins rechte Eck. Tief und hart, nicht schön und hoch. Ein Tor ist ein Tor.

Michael Bächle

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