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Hany Mukhtar im Interview: "… dann werde ich nach Katar rennen"

Der MLS-Topscorer über seine starke Saison, die Play-offs und die WM

Hany Mukhtar im Interview: "… dann werde ich nach Katar rennen"

Trumpft in der MLS groß auf: Hany Mukhtar.

Trumpft in der MLS groß auf: Hany Mukhtar. IMAGO/Icon Sportswire

Herr Mukhtar, was haben Landon Donovan, David Villa und Robbie Keane gemeinsam?

(überlegt) Entweder haben sie alle den Golden Boot gewonnen oder wurden MVP in der Liga.

Letzteres! Sie alle wurden als MVP der Major League Soccer ausgezeichnet. Ergänzt der Name Hany Mukhtar demnächst diese Liste?

Ich hoffe es! Ich werde auf jeden Fall alles dafür geben und denke, dass ich es in diesem Jahr verdient habe.

Sie führen die Torschützenliste mit 23 Treffern an, haben zudem sieben Assists und vier Scorerpunkte im Pokal gesammelt. Warum läuft es in diesem Jahr in Nashville noch besser als zuvor?

Major League Soccer

Ich habe meinen Stil verändert, komme jetzt eher als hängende Spitze zum Vorschein und nicht mehr als Spielmacher. Das liegt mir ganz gut. Ich bin sehr glücklich über meine Position im Team. Wenn man so viele Tore in einer Saison schießt, fördert das das Selbstvertrauen.

Ihr Coach Gary Smith sagte kürzlich, kein Spieler der MLS sei so wertvoll für sein Team wie Sie, "wirklich keiner". Was sagen Sie?

Das Kompliment nehme ich gerne an. Fußball ist ein Teamsport. Ich weiß, dass ich das ohne meine Mitspieler nicht schaffen würde. Ich habe aber gerade erst eine witzige Statistik gelesen.

Und zwar welche?

Und zwar an wie viel Prozent der Tore der torgefährlichste Spieler pro Team beteiligt ist.

Die Liste führen Sie an?

Ich bin an 60 Prozent unserer Tore direkt beteiligt. Wenn man so etwas liest, macht einen das enorm stolz. Das ist ein super Gefühl, so wichtig für seine Truppe zu sein. Aber es ist auch eine Verantwortung. Ich muss abliefern, dafür wurde ich geholt.

Sie kommen auf die mit Abstand meisten Torschüsse der Liga (120), ist das Spiel des Nashville SC auf Sie zugeschnitten?

Definitiv. Mein Abschluss war immer relativ gut. Jetzt als hängende Spitze steh ich nun mal näher zum Tor als vorher als Zehner.

Einen klassischen Özil gibt es doch gar nicht mehr.

Hany Mukhtar

Sie haben Ihre Position angesprochen. Man hat Sie in dieser Saison mal auf dem linken Flügel, mal im offensiven Mittelfeld gefunden und zuletzt vermehrt als hängende Spitze: Da passt es also am besten?

Es kommt mir schon zugute. Man muss aber auch sagen, dass es den klassischen Zehner ja eigentlich gar nicht mehr gibt. Das war auch ein Grund, warum ich in die MLS gekommen bin.

Inwiefern?

Damals bei Bröndby gab es einige Angebote, aber dass mich jemand als Spielmacher verpflichtet, war nicht das, was ich mir vorgestellt habe. Wenn man den Fußball beobachtet: Einen klassischen Özil gibt es doch gar nicht mehr. Mittlerweile will jeder auf der Außenbahn spielen oder als Stürmer oder als Achter. Der Fußball hat sich enorm entwickelt. Deshalb denke ich, dass mich dieser Wechsel auf die Stürmer-Position weitergebracht hat. Es war nicht einfach, aber ich habe viel mit unserem Co-Trainer zusammengearbeitet.

Video-Analysen zum Beispiel?

Genau. Sie werden es mir nicht glauben, aber er hat mir Videos von Jamie Vardy gezeigt. Ich war ein klassischer Zehner, und plötzlich zeigt er mir Videos von Vardy. "Zwischen uns sind Welten, wir sind doch ganz andere Spielertypen", habe ich ihm gesagt. Dann meinte er: "Der Spielertyp kannst du werden mit deinem Abschluss." Natürlich bin ich immer noch nicht annähernd wie Vardy, aber ich habe die Message verstanden.

Nashville hat als Vierter der Western Conference vier Punkte Vorsprung auf Platz sieben. Das wird zwei Spieltage vor Schluss für die Play-offs reichen, oder?

Wir haben gegen Houston ein ganz wichtiges Spiel vor uns. Wir wollen in die Play-offs kommen, aber noch wichtiger ist: Wir wollen ein Heimspiel haben. Die ersten Vier spielen das erste Play-off-Spiel zuhause. Dieses Jahr sind wir ja vorübergehend in die Western Conference gerutscht. Und es macht schon einen riesigen Unterschied, ob du vier oder fünf Stunden nach Los Angeles fliegen musst oder die zu dir kommen.

Beliebt bei den Fans: Mukhtar fühlt sich in Nashville wohl.

Beliebt bei den Fans: Mukhtar fühlt sich in Nashville wohl. IMAGO/ZUMA Wire

Moment mal: Sie wurden nur für ein Jahr in eine andere Conference gepackt?

Dieses Jahr kam Charlotte in der Eastern Conference dazu, nächstes Jahr St. Louis. Dann können wir wieder in den Osten und St. Louis in den Westen. Wir sind ja viel näher an Florida dran als an der Westcoast.

So viel dazu. Über allen thronen in der Liga der Los Angeles FC mit Gareth Bale und Co. sowie im Osten Philadelphia Union. Zählen Sie Ihr Team zum ernsten Herausforderer auf den MLS Cup?

Es ist ein alter Spruch, aber wahr: In einem Spiel kannst du jeden schlagen. Das finde ich ja so cool am System in den USA. L.A. kann noch so gut spielen in der Regular Season, das interessiert am Ende nicht so viele, wenn du in den Play-offs ausscheidest. Gerade mit unserer Art von Fußball können wir L.A. ärgern.

Was ist das für eine Art von Fußball?

Wir spielen Umschaltfußball, gehen nicht groß auf Ballbesitz. Wir lassen den Gegner meistens kommen und versuchen dann, ihm wehzutun. Wir lauern auf Konter. Und wir wollen das Ding gewinnen, ist doch ganz klar.

Die Play-offs beginnen am 15. Oktober und enden am 5. November mit dem MLS-Cup-Finale. Dann hätten Sie ja genau gerade Zeit, um direkt weiterzureisen nach Katar.

Das habe ich so oder so vor.

Als Urlauber?

(lacht) Meine Verlobte war noch nie in Dubai, Katar und so weiter, dann wollten wir das mit der WM verbinden. Mein Teamkollege (Walker Zimmerman, d. Red.) spielt bei der amerikanischen Nationalmannschaft, das würde ich mir anschauen.

Und wenn Hansi Flick Sie braucht?

Dann werde ich nach Katar rennen.

Mukthar im DFB-Team? "Träumen darf man"

Denken Sie, dass Sie, obwohl Sie "nur" in der MLS spielen, ein Kandidat für Flick sein könnten?

Ich war ja bis jetzt noch nie dabei. Wird es schwierig? Ja. Ist es ausgeschlossen? Definitiv nicht. Ich bin der Meinung, dass man jemanden dazunehmen kann, der eine überragende Saison gespielt hat, auch wenn es nur die MLS ist. Jemanden, der dazu noch viel Selbstvertrauen mitbringt; der viele Tore geschossen hat; der auch einen Assist geben kann.

Ein Stürmer wird in der Nationalmannschaft ja noch gesucht.

Genau. Wer weiß, was bis dahin noch passiert. Ausgeschlossen finde ich das nicht. Träumen darf man. Viele von den Jungs kenne ich ja noch.

2014 wurden Sie gemeinsam mit Joshua Kimmich und Julian Brandt U-19-Europameister, schossen im Finale gegen Portugal das goldene Tor - das könnte sich ja dann im diesjährigen Dezember ungefähr so in der A-Nationalmannschaft wiederholen.

Das wäre cool. (grinst)

Nach zweieinhalb starken Jahren haben Sie im April Ihren Vertrag in Nashville bis 2025 verlängert. War der Schritt zurück nach Europa keine Option?

Der war eine Option. Ich habe in meiner Karriere aber gelernt, dass man den Moment auch mal genießen muss. Ganz wichtig für uns Fußballer ist, dass man sich weiterentwickeln kann. Dadurch, dass die Liga sehr im Kommen ist und sehr interessant ist und interessanter wird mit der WM 2026, habe ich mich dafür entschieden, dieses Potenzial hier wahrzunehmen. Ich kann mich hier weiterentwickeln, das sieht man auch an meiner Saison. Ich habe hier nicht für das gute Geld und ein schönes Leben unterschrieben, das bin nicht ich. Fußball liegt mir viel zu sehr am Herzen.

Wird der Schritt zurück nach Europa denn nochmal eine Option?

Das würde ich nicht ausschließen. Ich bin 27, im besten Fußballalter und habe ausreichend Erfahrungen gesammelt. Aber es muss der passende Verein sein und der richtige Schritt.

Hertha zum Beispiel?

Hertha ist eine Herzensangelegenheit. Hertha ist mein Verein.

Über Berlin, Lissabon, Salzburg und Bröndby sind Sie in Nashville gelandet. Würden Sie diesen - sagen wir mal - krummen Weg genauso wieder gehen?

Die kurze Antwort ist: ja.

In Salzburg bin ich angekommen, habe im ersten Spiel gleich eine Vorlage gegeben, war der Superstar und wurde im nächsten Spiel nach 30 Minuten ausgewechselt.

Hany Mukhtar

Und die lange Antwort?

Ich habe sehr viel über mich gelernt. Ich bin dankbar für jede Erfahrung, ich habe auch jede gebraucht. Ich will einfach glücklich sein, dafür gebe ich jeden Tag Gas. Ich würde alles nochmal so machen, weil ich es damals für die richtige Entscheidung gehalten habe. Jede Delle macht einen stärker, denke ich.

Mit Delle meinen Sie die eher durchwachsenen Jahre in Salzburg und Lissabon?

In Salzburg bin ich angekommen, habe im ersten Spiel gleich eine Vorlage gegeben, war der Superstar und wurde im nächsten Spiel nach 30 Minuten ausgewechselt. Das sind Sachen, die man vielleicht auch braucht. Ich war ein Kind. Mittlerweile bin ich ein Mann und lebe meinen Traum. Da kann ich auch einfach mal sagen: Ich bin glücklich und dankbar.

Interview: Mario Krischel

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kicker-News vom 01.10.2023, 00:00 Uhr
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