Bundesliga

Hans Sarpei im Interview: "Das wäre für Inter noch vernichtender gewesen"

Zehn Jahre nach Schalkes 5:2 bei Inter Mailand

Hans Sarpei im Interview: "Das wäre für Inter noch vernichtender gewesen"

Das war nicht übel: Hans Sarpei (rechts) und Kyriakos Papadopoulos nach der Partie in San Siro.

Das war nicht übel: Hans Sarpei (rechts) und Kyriakos Papadopoulos nach der Partie in San Siro. imago images

Herr Sarpei, heute vor zehn Jahren gewann Schalke bei Inter Mailand mit 5:2. Sie spielten 90 Minuten durch. Was schießt Ihnen spontan als Erstes durch den Kopf, wenn Sie an San Siro zurückdenken?

Hans Sarpei (44): Geiles Spiel! Wir haben damals alle überrascht. Ein Spiel, das man nie wieder vergisst.

Unvergessen ist auch die erste Minute. Was dachten Sie beim 0:1, als Manuel Neuers Rettungsaktion schon nach wenigen Sekunden in die Hose ging?

Scheiße - so früh ein Tor kassiert, und das auswärts. Aber durch unsere Mannschaft ist gleich ein Ruck gegangen. Wir sagten uns: 'Komm, jetzt erst recht. Jetzt müssen wir dagegenhalten.'

Es war nicht der letzte Rückschlag. Joel Matip schaffte zwar den Ausgleich, dann aber kassierten Sie nach gut einer halben Stunde das 1:2 von Diego Milito. Kurz vor der Pause gelang Edu das 2:2. Der Knackpunkt?

Dass wir nach dem Ausgleich das 1:2 kassiert haben, war blöd, aber kurz vor der Pause das 2:2 zu machen, war ganz, ganz wichtig, weil wir uns belohnt haben und uns in der Kabine gesagt haben: 'Die sind verwundbar, die können wir schlagen.' Wir hatten nochmal Mut, das 2:2 war ja auch schon ein gutes Ergebnis für uns. Es war nicht unbedingt ausschlaggebend, aber wir haben einfach die Tore zur richtigen Zeit gemacht. Das war auch für Inter schwer.

Im Spiel habe ich mich geärgert, dass wir nicht das 6:2 gemacht haben.

Hans Sarpei

In der 62. Minute sah Inters Cristian Chivu beim Stand von 4:2 Gelb-Rot. Wäre sogar ein noch höherer Sieg drin gewesen?

Ja, wir hatten Torchancen für das 6:2. Im Spiel habe ich mich auch geärgert, dass wir es nicht gemacht haben, weil das für Inter noch vernichtender gewesen wäre, sodass die Mailänder gar keine Hoffnung mehr gehabt hätten.

Das Rückspiel gewann Schalke mit 2:1. Hatten Sie davor Angst, dass es noch schiefgehen könnte?

Angst nicht. Wir wussten: Wir dürfen es nicht leicht angehen. Wir sind deswegen auch in das Rückspiel mit der Einstellung gegangen: Wir wollen zuhause gewinnen. Und das hat man, glaube ich, auch gesehen.

Schalkes Startelf bei Inter: Neuer, Edu, Sarpei, Matip, Hoewedes (hinten v.li.) - Papadopoulos, Uchida, Farfan, Jurado, Raul, Baumjohann (vorn v.li.).

Schalkes Startelf bei Inter: Neuer, Edu, Sarpei, Matip, Höwedes (hinten v.li.) - Papadopoulos, Uchida, Farfan, Jurado, Raul, Baumjohann (vorn v.li.). picture alliance

Sie waren einer der Gewinner des 5:2, aber Edu übertrumpfte mit seinem Doppelpack an diesem Abend selbst einen Raul. Wie haben Sie ihn wahrgenommen während Ihrer Schalker Zeit? Haben Sie noch Kontakt?

Leider habe ich keinen Kontakt mehr, er ist ja ein Weltenbummler. Er hatte damals viel Konkurrenz, aber er hat im Training immer Gas gegeben. Man könnte sagen: Er hat auf dieses Spiel hintrainiert. In dem Spiel hat bei ihm alles perfekt gepasst.

Bei der WM kickt man ja auch gegen keine Kreisliga-C-Mannschaften.

Einige hatten Sie schon abgeschrieben, unter Felix Magath waren Sie zwischenzeitlich sogar suspendiert. Dann standen Sie mit fast 35 Jahren in einem Viertel- und Halbfinalspiel der Champions League, im DFB-Pokal-Halbfinale gegen Bayern und im gewonnenen Finale gegen Duisburg jeweils in der Startelf. Hätten Sie sich damals selbst so einen Höhenflug noch zugetraut?

Schon, denn ich habe im Vorjahr noch die Weltmeisterschaft mit Ghana gespielt. Da kickt man ja auch gegen keine Kreisliga-C-Mannschaften. Dort habe ich auch meine Leistung gebracht und war immer in der Startelf. Deswegen war mir bewusst, dass ich das Niveau noch spielen und halten kann. Klar wird man nicht besser, wenn man die "3" davor hat, aber ich war sehr motiviert und konnte mich gut einschätzen.

Wie war der Cut von Magath hin zu Rangnick, der auch Trainer beim Inter-Spiel war?

Magath legte Wert auf Robustheit, Lauffreudigkeit und Rangnick auf Schnelligkeit - auch Handlungsschnelligkeit. Er hat versucht, der Mannschaft für jedes Spiel eine Taktik mitzugeben. Sie waren unterschiedlich, aber beide sehr, sehr gute Trainer.

Hans-Sarpei-Witze? Hans Sarpei fand es immer lustig

Während Ihrer Schalker Zeit wurden Sie mit Hilfe von Alexander Baumjohann auch zum Social-Media-Star. Chuck-Norris-Witze á la "Hans Sarpei darf während der Fahrt mit dem Busfahrer reden" oder "Hans Sarpei bekommt bei McDonald's einen Whopper" wurden salonfähig. Fanden Sie das immer lustig oder hat es irgendwann genervt?

Ich fand das immer lustig, ich habe ja auch selber mitgespielt und mit Alex auf Social Media solche Sprüche vorgelesen. Wir haben die Fans ja sogar angeheizt, sich noch mehr Sprüche auszudenken. Die Leute und die Fans haben das immer auf eine lustige Weise kommuniziert. Man muss sowas immer mit Humor angehen. Und es war ja nichts Schlimmes.

Nicht ganz so lustig war das CL-Halbfinale gegen Manchester United. Schalkes Ausscheiden war nach der 0:2-Pleite zuhause schon so gut wie besiegelt. War die kicker-Note 6 für Sie damals gerechtfertigt?

Nein, das war nicht gerechtfertigt, weil ich auf der Seite gegen zwei Mann alleine gespielt habe. Der Alex Baumjohann hat mich da ziemlich alleine gelassen.

Im Sommer 2012 haben Sie die Schuhe dann an den Nagel gehängt.

Ich hatte bis dahin noch einen Vertrag, aber habe mir dann einen Knorpelschaden zugezogen. Die letzten sieben oder acht Monate konnte ich nicht mehr trainieren. Dann war's vorbei.

Sie sind dem Verein aber immer noch sehr verbunden. Finden Sie es schade, dass Rangnick nun doch kein Amt bei S04 übernimmt?

Rangnick ist ein sehr guter Trainer und auch Manager, das hat er überall bewiesen. Er kann Vereinen eine Struktur geben. Natürlich ist es schade, dass er es nicht geworden ist, aber Peter Knäbel hat in seiner Schalker Zeit auch viele gute Entscheidungen getroffen. Man braucht in dieser Situation jemanden, der Entscheidungen über die Zukunft treffen, mit neuen Spielern reden und eine Wir-Kultur entwickeln kann. Deswegen glaube ich, dass er eine gute Lösung ist.

Was sind für Sie die Hauptgründe für Schalkes sportlichen Niedergang?

Das kann ich gar nicht so genau sagen. Ich bin ja auch nur Mitglied bei Schalke und nicht täglich dabei. Von außen betrachtet ist der Kader von den Einzelspielern ganz gut, aber als Mannschaft hat er nicht funktioniert.

Sie selbst haben sich als Aufsichtsrat auf Schalke für die Wahl am 13. Juni beworben und gesagt, sie wollen Ihre "Erfahrung fußballerisch und gesellschaftlich einbringen". Wo wollen Sie ansetzen, falls Sie gewählt werden?

So weit sind wir noch gar nicht. Erst einmal müssen wir alle durch den Wahlausschuss. Die dort Bestimmten treten dann bei der Jahreshauptversammlung an. Und dann ist es ja nicht alleine meine Entscheidung. Es gibt einen Aufsichtsrat mit elf Leuten, und diese werden zusammen versuchen, einen Weg vorzugeben, wie der FC Schalke arbeiten soll. Ich würde gerne meine Erfahrung und mein Wissen als Fußballer und Trainer weitergeben - auch in gesellschaftlichen Themen. Schalke ist eine Multikulti-Gesellschaft, das möchte ich mit einbringen. Ich denke, dass das sehr gut passen würde.

Sie haben auch eine A-Lizenz als Trainer: Können Sie sich in diesem Bereich etwas vorstellen, was über Ihre TV-Auftritte bei "Hans Sarpei - das T steht für Coach" hinausgeht?

Ich habe mir nicht vorgenommen, nochmal einen Trainerjob anzunehmen. So wie es aussieht, geht es mehr in die Funktionärsrichtung.

Von sich Reden machen Sie auch kulinarisch. Bei "Sky" haben Sie bei einigen Kochshows mitgemacht, gerade haben Sie das Buch "Hans Sarpeis Fußballküche" herausgebracht.

Ursprünglich war es für Fußballspieler*innen von 12 bis 18 Jahren gedacht, die mit Eigenverantwortung in der Ernährung den nächsten Schritt zum Profi machen wollen. Dabei geht es um die Planung des ganzen Tagesablaufs - auch die Eltern können dabei mithelfen. Zu meiner Zeit war das nicht so ein Thema, da hieß es immer nur Pasta oder Reis. Das Thema kam erst in den letzten zehn Jahren auf. Inzwischen gibt es so viele gute Fußballer, die auf einem Niveau sind. Heute kann man mit Ernährung vielleicht den entscheidenden Schritt machen, ein Stück weit besser als die anderen zu sein.

Interview: Christoph Laskowski