Handball

Handfeste THW-Krise: Gislason stellt sich in Frage - und fehlt

Kiels Zeitz glaubt schon nicht mehr an deutsche Meisterschaft

Handfeste THW-Krise: Gislason stellt sich in Frage - und fehlt

Eine Auszeit, bitte: THW-Coach Alfred Gislason steht in der Kritik, muss aber nach einer OP erstmal aussetzen.

Eine Auszeit, bitte: THW-Coach Alfred Gislason steht in der Kritik, muss aber nach einer OP erstmal aussetzen. imago

Nach der 22:30-Demütigung in Wetzlar und dem schlechtesten Saisonstart seit 15 Jahren musste Alfred Gislason erst einmal ins Krankenhaus. Der von Selbstzweifeln geplagte Erfolgstrainer des THW musste sich am Freitag einer Operation an der Bandscheibe unterziehen und fehlt den in eine handfeste Krise gestürzten Zebras am Sonntag in der Champions League beim polnischen Spitzenklub Kielce. Assistenztrainer Christian Sprenger muss einspringen. "Ich hatte gehofft, den Eingriff bis zur EM-Pause im Januar verschieben zu können. Aber es ging einfach nicht mehr", wurde Gislason auf der THW-Website zitiert.

Der körperliche Zustand des 58 Jahre alten Isländers steht schon fast sinnbildlich für die Krise der Kieler. Routinier Zeitz sprach nach der Pleite in Wetzlar aus, was vor vier Wochen kaum jemand für möglich gehalten hätte. "Der Zug deutsche Meisterschaft ist abgefahren. Jetzt geht es darum, die Ehre des THW Kiel zu retten", so der Linkshänder in den "Kieler Nachrichten".

Nach nur sechs Spielen rangiert der Titelanwärter mit nur 6:6 Punkten auf Platz neun. So schlimm stand es seit 2002 nicht mehr um den 20-maligen deutschen Meister. Damals startete Kiel mit 2:10 Zählern - und wurde am Ende lediglich Sechster.

"Wir haben ab einem gewissen Zeitpunkt aufgegeben"

Mit 9,5 Millionen Euro ist der DHB-Pokalsieger eigentlich der Krösus der Bundesliga. Doch auf dem Parkett stellen die Norddeutschen aktuell allenfalls Mittelmaß dar. An der Qualität des Kaders kann dies kaum liegen, ungeahnte mentale Probleme offenbaren sich derzeit. Das zeigte sich auch in Wetzlar, wo die Kieler nach einer 17:16-Führung (37. Minute) völlig einbrachen. "Wir haben ab einem gewissen Zeitpunkt aufgegeben", räumte Linksaußen Rune Dahmke ein.

Das geht garantiert auf meine Kappe.

Alfred Gislason stellt sich in Frage

Dieses Verhalten beunruhigt auch Gislason zutiefst, der in seiner bald zehnjährigen Amtszeit mit Kiel zweimal die Champions League, sechsmal die deutsche Meisterschaft und fünfmal den DHB-Pokal gewonnen hat. "Es gab eine gewisse Resignation im Team. Darüber bin ich sehr enttäuscht. Ich weiß nicht, warum die Spieler nicht an sich glauben", haderte der Isländer und stellte sogleich sich selbst in Frage: "Ich muss mich fragen, warum die Mannschaft so verunsichert ist. Das geht garantiert auf meine Kappe."

Das große Problem: In Abwesenheit des verletzten Domagoj Duvnjak fehlt ein Leader, der wechselwillige Nationaltorwart Andreas Wolff wirkt frustriert und die Neuzugänge haben bisher nicht für den erhofften Schwung gesorgt. Führungskräfte? "Die fehlten heute", stellte Gislason klar.

Durchhalteparolen vor dem Kielce-Spiel

Im Umfeld wächst die Unzufriedenheit, das ausgegebene Ziel deutsche Meisterschaft ist in weite Ferne gerückt. Die gnadenlose Terminhatz lässt den Kielern allerdings kaum Zeit zur Besinnung. Schon drei Tage nach dem Kielce-Spiel empfängt der THW in der Königsklasse den dänischen Champion Aalborg, ehe am 1. Oktober der Bundesliga-Hit bei den Rhein-Neckar Löwen ansteht. Gislason flüchtete sich daher in Durchhalteparolen: "Ich stehe zu meinen Spielern und zu unserer Arbeit, auch wenn die momentan nicht besonders erfolgreich ist." Ob der Isländer gegen Aalborg schon wieder auf der Bank sitzen kann, ist vom Heilungsverlauf abgängig. Aber: Vielleicht tut ihm die unfreiwillige Auszeit ja ganz gut.

msc/dpa