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Afrika-Cup 2024: Warum Kap Verde kein Underdog mehr ist

Inselstaat mischt den Afrika-Cup auf

Hai-Alarm an der Küste: Warum Kap Verde kein Underdog mehr ist

Der Jubel der Haie: Kap Verdes Spieler mit Trainer Bubista (ganz links) nach dem Viertelfinal-Einzug.

Der Jubel der Haie: Kap Verdes Spieler mit Trainer Bubista (ganz links) nach dem Viertelfinal-Einzug. AFP via Getty Images

Aus Abidjan berichtet Michael Bächle

An Selbstvertrauen mangelt es Bubista nicht. "Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir mindestens ins Halbfinale kommen wollen", sagte Kap Verdes Trainer nach dem gewonnen Achtelfinale gegen Mauretanien. Hohe Ziele für die Nationalmannschaft eines Landes mit gerade einmal 600.000 Einwohnern. Des drittkleinsten Lands Afrikas. Das noch vor 25 Jahren auf der Fußball-Weltkarte quasi nicht existierte.

Doch wer die Auftritte der "Blue Sharks" bei diesem Turnier verfolgt hat, den darf es gar nicht mehr überraschen, wenn die kleine Inselgruppe vor der Nordwestküste Afrikas am Samstag gegen Südafrika (21 Uhr, LIVE! bei kicker) tatsächlich in die Runde der letzten Vier einzieht. An der Elfenbeinküste herrscht Hai-Alarm.

Beim Siegtor gegen Mauretanien jubelte nur einer nicht

Kaum eine der noch vertretenen Mannschaften tritt im bisherigen Turnierverlauf so konstant und stabil auf wie Kap Verde. Bubistas Team verfolgt einen klaren, kontrollierten Plan, passt sich fast schon erstaunlich pragmatisch den Gegebenheiten an: gegen die Favoriten Ghana und Ägypten immer wieder mit mutigen Angriffsphasen und hoher Intensität, gegen die Außenseiter Mosambik und Mauretanien abwartend und risikoarm, die individuellen Schwächen des Gegners humorlos nutzend.

ABIDJAN, COTE D IVOIRE - JANUARY 29; Kenny Rocha Santos and Ryan Isaac Da Graca Mendes of Cape Verde during the TotalEnergies Caf Africa Cup of Nations (Afcon 2023) match between Cape Verde and Mauritania at Stade Felix Houphouët Boigny on January 29, 2024 in Abidjan, Cote d Ivoire. Photo by Sunday Braimoh Copyright: xx

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Vorgelebt wird dieser Pragmatismus durch einen, der scheinbar durch nichts aus der Ruhe zu bringen ist. Nicht mal durch eigene Tore. Als Kapitän Ryan Mendes kurz vor Schluss einen Elfmeter zum Siegtor gegen Mauretanien verwandelte, da rannte die ganze Mannschaft inklusive Ersatzbank auf ihn zu - nur einer nicht. "Ich muss den Fokus behalten", sagte Bubista. "Das Spiel war noch nicht vorbei, wir mussten ruhig bleiben. Und wenn ich das nicht vermittle, wer dann?"

Vielleicht war es aber auch einfach schon Gewohnheit. In drei seiner vier Turnierspiele erzielte Kap Verde in den Schlussminuten entweder den Ausgleich oder den Siegtreffer. Fight bis zum Ende, bis an die körperlichen Grenzen. "Ich weiß nicht, ob ich nach einem Spiel schon jemals so erschöpft war", erklärte Innenverteidiger Roberto Lopes nach dem dramatischen 2:2 gegen Mitfavorit Ägypten in der Gruppenphase. "Es ist so unfassbar heiß hier." Aus seiner Heimat kennt Lopes das nicht. Er stammt aus Dublin.

ABIDJAN, IVORY COAST - JANUARY 22: Players of Cape Verde celebrate after scoring a goal during the Africa Cup of Nations Group B match between Cape Verde and Egpyt from the bench at Felix Houphouet Boigny Stadium in Abidjan, Ivory Coast on January 22, 2024. (Photo by Fareed Kotb/Anadolu via Getty Images)

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Seine Biografie ist typisch für den Erfolgsweg der "Blue Sharks". Bis zur Jahrtausendwende nahm die seit 1975 unabhängige Republik in der Regel gar nicht an den Qualifikationen für den Afrika-Cup teil. Damals rangierte das Team auf Platz 182 der FIFA-Weltrangliste. Wo sollen die guten Fußballer denn auch herkommen bei einem so kleinen Land? Ganz einfach: Nicht aus Kap Verde.

Das dachten sich zumindest Joao de Deus und sein Nachfolger Lucio Antunes, Nationaltrainer Anfang der 10er Jahre. Sie begannen, Spieler aus anderen Teilen der Welt zu rekrutieren. Denn zu den knapp 600.000 Bewohnern der Inselgruppe vor der Nordwestküste Afrikas kommen, so zumindest die Schätzung, weltweit noch einmal genau so viele Menschen mit kapverdischen Wurzeln.

Bebé

Der vielleicht bekannteste Spieler Kap Verdes: Bebé von Rayo Vallecano. AFP via Getty Images

Menschen wie die ehemaligen Weltstars Nani, Henrik Larsson oder Patrick Vieira, die lieber für ihr "größeres" Geburtsland spielten. Aber eben auch Menschen wie Roberto Lopes. Oder wie Bebé. Der in Lissabon geborene Flügelstürmer galt einst als große Hoffnung des portugiesischen Fußballs, durchlief alle U-Mannschaften, floppte aber bei Manchester United - und hoffte doch noch lange auf eine Nominierung für die Selecao. Erst 2022, mit schon knapp 31 Jahren, debütierte er schließlich für Kap Verde, das Herkunftsland seiner Eltern. In der Gruppenphase gelang ihm beim 3:0 über Mosambik ein Freistoßtor aus 40 Metern.

"Ich kam nach Kap Verde, um ein paar Spiele zu gewinnen", erzählt der für Rayo Vallecano aktive Angreifer. "Als ich dann ankam, war ich wirklich überrascht, wie gut meine Mitspieler sind." Kap Verde im Jahr 2024 ist nicht mehr Kap Verde im Jahr 2000. Die Nationalmanschaft ist durch die Rekrutierungspolitik längst kein exotischer Underdog mehr, keine Feierabendgruppe aus Inselkickern. Überhaupt ist nur ein einziger Spieler aus dem aktuellen Kader in der heimischen Liga aktiv, ansonsten: Groningen, Tiraspol, Piräus, diese Größenordnung. Oder seit Donnerstag auch: Magdeburg. Dort spielt Stürmer Bryan Teixeira künftig auf Leihbasis.

Ein bisschen muss der Zweitligist aber noch auf den Neuen warten. Denn Kap Verde ist ja mittlerweile Dauergast in der K.-o.-Runde des Cups. Bei drei der vier Teilnahmen am Afrika-Cup haben die "Blue Sharks" die Gruppenphase überstanden, bereits 2013 erreichte Kap Verde das Viertelfinale. "Dieses Mal", glaubt Bebé, "werden wir Geschichte schreiben".

Eine Geschichte, die nur auf den ersten Blick überraschend ist. Und für Bubista schon gar nicht. "Wir haben alles, was es braucht, um jedem Team einen Fight liefern zu können", sagt er selbstbewusst. Die Phrase "Wir denken nur von Spiel zu Spiel" scheint es in seinem Vokabular nicht zu geben. Den Journalisten raunte er nach dem Mauretanien-Spiel seelenruhig zu: "Wenn wir ins Halbfinale kommen, können wir ja auch das Finale schaffen."

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