Motorsport

Grüner durch die Wüste

Rallye Dakar

Grüner durch die Wüste

Audi auf der "Dakar": Der RS Q e-tron wird von zwei Elektromotoren angetrieben, der Fahrstrom wird an Bord erzeugt.

Audi auf der "Dakar": Der RS Q e-tron wird von zwei Elektromotoren angetrieben, der Fahrstrom wird an Bord erzeugt. Audi

Geht es um das Thema CO2-Fußabdruck, so zählt der Motorsport nicht gerade zu jenen Disziplinen, denen man unbedingt einen ökologischen Stempel aufdrücken möchte. Abgesehen von der Formel-E-Serie dröhnen hier nach alter Sitte die Verbrennungsmotoren, als gäbe es keinen Morgen.

Das gilt nach wie vor auch für die berühmt-berüchtigte "Dakar", die härteste Marathon-Rallye der Welt. Mehr als zwei Wochen lang wühlten sich die Hasardeure gut 8500 Kilometer durch Sand, Geröll und Dünen. Zum vierten Mal fand die "Dakar" - sie startete 1979 ursprünglich als "Paris-Dakar" - in Saudi-Arabien statt, mit einem Materialaufgebot, das für den gewöhnlichen Autofahrer alle Vorstellungskraft sprengt. 820 Teilnehmer waren es in diesem Jahr, auf Motorrädern und Quads, in Autos und Lkws. Über ein Dutzend Helikopter - in jedem saß auch ein Arzt - und sechs Flugzeuge begleiteten die Rallye aus der Luft, nahezu hundert Trucks schafften das nötige Material in die Wüste, mobile Werkstätten, Ersatzteile, Verpflegung für täglich rund 3000 Menschen, Küchen, Medizin, Operations-Räume, Zelte, Wassertanks, Duschen und Toiletten. Selbst Gebetsstätten fehlten nicht. Das tägliche Biwak nahm fast 25 Hektar ein - das entspricht einer Fläche von gut 35 Fußballfeldern. Ein Mega-Event.

Audi setzt im Sand auf Strom

Und mittendrin Audi mit drei Fahrzeugen, deren Antriebe hier so ungewöhnlich waren, als kämen sie aus einer anderen Welt. Wörtlich genommen, tun sie das auch. Denn in Deutschland beherrschen die Themen Emissionen, CO2-Reduktion, Ressourcen-Schonung und Klimaziele wie nirgends sonst den Alltag. Audi trat daher bei der "Dakar", nach 2022, erneut mit seinen drei RS Q e-tron Rallye-Gefährten an. Sie werden von je zwei Elektromotoren (die aus der Formel E stammen) angetrieben und von einer 52-kWh-Batterie versorgt. Diese Kapazität würde in der Wüste aber nicht einmal für 100 Kilometer reichen, ohne Aussicht auf eine Ladestation. Es braucht also einen Energielieferanten an Bord. Das übernimmt ein Benziner, der wiederum einen Generator auf Drehzahl bringt. Maximal kann so die Batterie mit 200 kW geladen werden.

Technisch handelt es sich also um kein E-Auto (merkwürdigerweise aber mit E-Kennzeichen), sondern um einen seriellen Hybrid, da der Verbrennungsmotor keine mechanische Verbindung zu den Rädern hat. "Wir wollen zeigen, dass ein elektrifizierter Antrieb auch unter schwierigsten Einsatzbedingungen top funktionieren kann", sagt Audi Entwicklungsvorstand Oliver Hoffmann. Der E-Antrieb hat den großen physikalischen Vorteil, dass er sofort das maximale Drehmoment zur Verfügung stellt und kein Getriebe benötigt. Im weichen Dünensand eine Trumpfkarte, der Fahrer muss nicht schalten, verliert keine Zugkraft. Die Batterie im Boden senkt zudem den Schwerpunkt, was in Kurven und Schräglagen hilft.

Den Biosprit mit in die Wüste gebracht

Berechtigterweise dürften viele jetzt einwenden, dass der RS Q e-tron ja ebenfalls Kraftstoff verbraucht, und sich damit von keinem der anderen Teilnehmer im Rallye-Tross unterscheidet. Audi brachte jedoch seinen eigenen Sprit mit in die Wüste, ein aus pflanzlichen Abfällen hergestelltes Benzin, Bio-Fuel. "Dies reduziert unseren CO2-Ausstoß um 60 Prozent", sagt Christoph Schröfelbauer, Leiter Antriebsentwicklung.

Audi Dakar II

Der Erfolg bleibt (noch) aus: Keiner der drei angetretenen RS Q e-tron hat es aufs Podium geschafft.  Audi

Noch gleicht das Bestreben von Audi in der Masse der Rallye-Szene einer homöopathischen Dosis, nicht mehr als ein "grüner" Tropfen auf den heißen Stein. Und von manch anderen Teams wird die Marke mit den vier Ringen für ihr solitäres Handeln nur milde belächelt, frei nach dem Motto "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen". Doch Rolf Michl, Leiter Audi Motorsport, und seine Mannschaft lassen sich von ihrem Vorhaben nicht abbringen, wollen schon gar nicht ideologisch bekehren, sondern zeigen, dass Motorsport durchaus mit deutlich weniger Emissionen betrieben werden kann. Vielleicht eines Tages sogar ganz CO2-neutral.

Das aber hieße komplett elektrisch durch die Wüste zu fahren, mit regenerativ erzeugtem Strom. "Das wird noch eine Weile dauern", so Michl, "selbst mit der heutigen Batterietechnik sind die geforderten Tagesdistanzen von bis zu 700 Kilometern nicht zu schaffen." Immerhin hat der Dachverband, die Motorsportorganisation FIA, das Thema Nachhaltigkeit auf dem Zettel, ob ernst gemeint oder nur im Sinne von "Green Washing", wird sich zeigen. 2030 soll zumindest die Formel 1 CO2-frei betrieben werden. Zum Rallyesport gibt es noch kein Statement.

Die "Dakar" bleibt unberechenbar

Dass es Audi mit keinem seiner drei Hightech-Hybrid-Boliden aufs Podium geschafft hat, ist für die Mannschaft natürlich bitter, Frust verständlich. An Technik und Material zumindest hat es nicht gelegen. "Die Komplexität des Antriebs beherrschen wir", sagt Christoph Schröfelbauer. Ausfälle gab es in dieser Richtung keine. Doch die "Dakar" hat ihre eigenen Gesetze. Selbst alte Haudegen wie Stéphane Peterhansel und Carlos Sainz - sie gehören zu den besten Rallyefahrern der Welt und haben mehrfach die "Dakar" gewonnen - machen mal einen Fehler. Leider war es dieses Mal der gleiche an derselben Stelle, einem extrem gefährlichen Dünenkamm. Letztlich erreichte nach 16 Tagen nur der dritte RS Q e-tron mit Mattias Ekström das Ziel.

Doch nach alter Rennfahrersitte ist nach der "Dakar" vor der "Dakar". Nächstes Jahr wird Audi es erneut versuchen, um dann vielleicht 2024 der Rallye-Welt zu demonstrieren, dass ein intelligenter Antrieb sehr wohl Siegeschancen hat und gleichzeitig zur CO2-Reduktion beitragen kann. Einer muss mit dem "grünen" Vorhaben nur den Anfang machen.

Michael Specht