Bundesliga

Gerd Müller - eine Erinnerung

Zum Ableben der Bayern-Legende

Gerd Müller - eine Erinnerung

Gerd Müller verstarb im Alter von 75 Jahren.

Gerd Müller verstarb im Alter von 75 Jahren. picture-alliance/ dpa

Die Geschichte könnte genauso gut mit "Es war einmal…" beginnen. Denn das, was sich damals, am 7. August 1976, in dem kleinen burgenländischen Örtchen Oggau am Westufer des Neusiedler Sees zugetragen hat, klingt heute wie ein Märchen.

Der UFC Oggau eröffnete an diesem Sommer-Sonntag seinen neuen Sportplatz. Und weil eine Ortsbewohnerin zufällig den richtigen Mann in München kannte, rückte drei Tage vor der ersten Cuprunde, eine Woche vor dem ersten Bundesligaspiel, der FC Bayern München mit all seinen Stars an. Nun war der FC Bayern damals noch nicht der Weltkonzern von heute, der seine Fußballmannschaft sommers rund um den Globus schickt, dass man einen Klub, der gerade zum dritten Mal den Europapokal der Meister, also den Vorläufer der Champions League, gewonnen hat, nicht jeden Tag quasi vor der Haustür zu Gesicht bekommen würde, war sogar dem damals zehnjährigen Schreiber dieser Zeilen klar.

Es waren gut 5.000 Zuschauer, die sich mit mir und meinem Vater auf der Fußballanlage der 1.700-Seelen-Gemeinde eingefunden haben. Das Gedränge beim Einlass war schnell vergessen, als die Helden schwarz-weißer Europacup-Nächte einliefen und sich vor unser aller Augen lässig Bälle hin und her schoben: der Kaiser Franz, der Maier Sepp, Katsche Schwarzenbeck, der Belgrader Elfer-Vernebler Uli Hoeneß und der über allen anderen verehrte Gerd Müller.

Trophäe ergattert: Das Autogramm von Gerd Müller

Ob aufwärmen nicht so sein Ding war oder was sonst der Grund war, kann ich heute nicht mehr sagen, jedenfalls saß Gerd Müller kurz vor Spielbeginn neben einigen anderen Bayern-Stars auf einer Bank neben dem Tor. "Jetzt könntest du hinlaufen und dir ein Autogramm holen", tippte mich mein Vater an. Ohne lange nachzudenken, lief ich mit gezücktem Kugelschreiber und Block auf Gerd Müller zu, hielt ihm beides hin und erhielt die gewünschte Signatur. Mit klopfendem Herzen kämpfte ich mich durch eine Traube von sicher 100 weiteren Buben, denen ich mit meinem Vorpreschen das Signal zur Autogrammjagd gegeben hatte, zurück auf die Zuschauerplätze. Stolz hielt ich meinem Vater die Trophäe entgegen. Der aber fragte nur, warum ich nicht auch gleich alle anderen mitgenommen hätte. Auf diese Idee wäre ich gar nicht gekommen. Für mich zählte nur Gerd Müller.

Unzählige Titel und Tore: Die Karriere von Gerd Müller

Wieviele Tore der Held meiner ersten Fußball-Tage in diesem Spiel erzielt hat, weiß ich nicht mehr, auch das Ergebnis (13:2) musste ich heute nachlesen. Um ehrlich zu sein, kann ich mich nicht mehr an viel mehr erinnern, als dass ich mich nach dem Spiel auch noch in den Bayern-Bus (ach was, Bayern-Bus, ein normaler Bus, in dem vorher und nachher Hinz und Kunz durch die Gegend geschunkelt wurden) gewagt habe, um die versäumte Autogramm-Gelegenheit nachzuholen. Dunkel glaube ich mich zu erinnern, dass Sepp Maier einen Schmäh auf meine Kosten gemacht hat, weshalb er heute in meiner Sammlung fehlt. Kaiser Franz Beckenbauer, die Nummer 2 in meinem damaligen Ranking, hat freundlich unterschrieben.

Gerd Müller hat die Bayern in dieser Saison zum Sieg im Weltpokal geschossen, seine 28 Tore in der Bundesliga reichten nur für Platz sieben. Es war die heile Fußballwelt der 1970er-Jahre, die heute mit dem Tod von Gerd Müller eines ihrer Herzstücke verloren hat.

Ganz ohne Kommerz ging es - das sei hier noch gestanden - freilich schon damals nicht. Der vollständige Name des Bayern-Gastgebers war UFC "Herztröpferl" Oggau.

Horst Hötsch